
Rheda-Wiedenbrück. Ein Erfolg ist für alle, die den seit mehr als 30 Jahren von Politik und Verwaltung geplanten Ausbau des Südrings nicht befürworten, das deutliche Ergebnis der Bürgerbefragung. Ein weiterer Erfolg wäre es, wenn der Stadtrat dem daraus resultierenden Beschlussvorschlag der Verwaltung folgt.
Der beschäftigt sich am Montag, 7. Juli, ab 17 Uhr in öffentlicher Sitzung mit zwei Abstimmungsresultaten. Das ist der Bürgerentscheid über die Errichtung einer Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes. Die lehnt eine deutliche Mehrheit der Menschen, die sich beteiligt haben, ab. Das ist für den Rat bindend. Er stellt das offizielle Ergebnis in der Sitzung fest und wird über die nächsten Schritte sprechen.

Mit der Bürgerbefragung zum Südring liegt lediglich ein unverbindliches Meinungsbild vor. Christoph Krahn, Erster Beigeordneter, informiert in der Sitzungsvorlage: „Die Mehrheit der Abstimmenden hat sich grundsätzlich gegen eine Weiterverfolgung der Baumaßnahme ausgesprochen.“ Gegen den Südringausbau hatten 10.899 Wahlberechtigte votiert, dafür waren 7.760.
Gericht hatte Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig erklärt
Die Verwaltung schlägt dem Kommunalparlament vor, das Ergebnis der Befragung zur Kenntnis zu nehmen. Und dass der Rat die Verwaltung entsprechend „beauftragt, den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Minden vom 16.01.2025 zurückzunehmen“.
Das VG hatte den Planfeststellungsbeschluss Südring der Bezirksregierung Detmold für rechtswidrig erklärt und aufgehoben. Der Rat hatte daraufhin mehrheitlich entschieden, gegen das Urteil vorzugehen. Sollte er daran nicht mehr festhalten, wäre das gesamte Straßenprojekt, an dem jahrzehntelang gearbeitet wurde, endgültig abgeschlossen. Einen Ausbau des Südrings würde es auf Grundlage der bisherigen Planungen nicht geben.
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„Das wäre für uns fein“, sagt Wolfgang Tietz, Sprecher der Initiative „Südring? Nein!“. Deren Aktive seien ganz glücklich über das Ergebnis der Bürgerbefragung.
Auch Autofahrer haben gegen den Südring gestimmt
Rund 100 Leute hatten sich nach dem Planfeststellungsbeschluss Südring der Bezirksregierung Detmold im November 2023 zusammengefunden. Deren Auseinandersetzungen mit Südring-Befürwortern, auch in Verwaltung und Politik, seien gesittet vonstattengegangen, sagt Tietz. Wichtig gewesen sei der Initiative ein offener Dialog, gegenseitiger Respekt und eine faktenbasierte Argumentation.
Die von der CDU-Fraktion initiierte Bürgerbefragung habe er persönlich nie kritisch gesehen. „Das ist ein demokratisches Instrument, um Klarheit zu haben, und es stärkt die Demokratie vor Ort“, meint Tietz.
Nicht bestätigt habe sich die Annahme der Südring-Befürworter, „dass alle Hurra schreien, wenn eine neue Straße gebaut wird“.
Zwar gebe es in Rheda-Wiedenbrück viel Individualverkehr. „Aber auch viele Autofahrer haben gegen den Südring gestimmt, da sie dessen Sinn nicht sehen“. Froh ist Tietz, dass offenbar viele nachgedacht haben, über die Kosten des Projektes, welche Natur es zerstört hätte und was man den Kindern im Schulzentrum Burg angetan hätte.
Die Verwaltung habe mit dem Beschlussvorschlag an die Politik die richtigen Schlüsse aus dem Ergebnis der Bürgerbefragung gezogen, so Tietz. Er hofft nun, dass die CDU-Fraktion Wort hält. Sie hatte zugesichert, den Bürgerwillen zum Südring zu respektieren und „als verbindlichen Auftrag in den Stadtrat tragen“ zu wollen. Mit Bündnisgrünen, SPD und Die Linke, die den Südring ablehnen, wäre das die politische Mehrheit.
KOMMENTAR DER REDAKTION
Marion Pokorra
Gewinn für die Demokratie
Egal, ob man für oder gegen die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes ist. Egal, ob man den Ausbau des Südrings befürwortet oder ablehnt. Egal, ob man nach der Bürgerabstimmung über das Straßenprojekt oder den Bürgerentscheid zur ZUE zu den „Gewinnern“ gehört oder nicht. Beide Abstimmungen waren wichtig. Sie sind ein Gewinn für die Demokratie.
Natürlich gab es im Vorfeld der beiden Mitbestimmungsmöglichkeiten kleine Nickeligkeiten. Doch wurden die Debatten überwiegend sachlich geführt, wurde Polemik weitgehend vermieden. Es ging allen ernsthaft Beteiligten um das Thema, für das sie sich in den vergangenen Monaten eingesetzt haben.
Die respektablen Wahlbeteiligungen – 38 Prozent bei der ZUE und 48 Prozent beim Südring – zeigen zum einen, dass die Bürger gehört werden möchten, dass sie mitbestimmen möchten bei wichtigen Themen, die ihre Heimatstadt betreffen. Zum anderen zeigen die deutlichen Ergebnisse von Bürgerbefragung und Bürgerentscheid, dass vor Ort etwas bewegt werden kann.
Das erfordert Kraft, Energie, Zeit und Nerven. Die haben Aktive in beiden Bürgerinitiativen aufgebracht. Auch ihnen ist es zu verdanken, dass nun Klarheit herrscht. Sie haben gezeigt, dass man demokratisch etwas erreichen kann, wenn man denn will und nicht nur über „die da Oben, die sowieso machen, was sie wollen“ schimpft.