Wirtschaft

Unternehmen Tönnies aus dem Kreis Gütersloh stellt 20 Azubis aus Indien ein

Um sich in Sachen Personal zukunftssicher aufzustellen, hat die Unternehmensgruppe vor zwei Jahren ein Experiment begonnen. Das läuft inzwischen rund.

Muhamed Fahad Khan (l.) und Anandha Krishnan lernen im Tönnies-Werksverkauf den Beruf des Kaufmanns im Einzelhandel. | © Tönnies

Marion Pokorra
14.09.2024 | 14.09.2024, 18:38

Rheda-Wiedenbrück. Touristen aus Südasien sind es nicht, die fröhlich durch den Flora-Park radeln. Es sind junge Leute aus Indien, die ihre neue Heimat erkunden - in ihrer Freizeit. Denn nach Deutschland sind sie gekommen, um bei Tönnies zu arbeiten.

2022 begann das Experiment mit fünf jungen Frauen und Männern. Sie kamen aus dem bevölkerungsreichsten Staat der Erde nach Rheda-Wiedenbrück, um in dem Fleischwerk eine Ausbildung zu absolvieren - etwa als Fachkraft für Lebensmitteltechnik oder für Lagerlogistik oder als Einzelhandelskaufleute.

„Inzwischen läuft es richtig rund“, informiert Ausbilder Michael Poker. 2023 sind zehn Azubis gekommen, in diesem Jahr sind es 20 „angehende Nachwuchskräfte“. Damit kommt fast ein Viertel der insgesamt 86 Berufsanfänger aus Indien.

19 junge Leute aus Indien nehmen Ausbildung bei Tönnies auf. - © Tönnies
19 junge Leute aus Indien nehmen Ausbildung bei Tönnies auf. | © Tönnies

Newsletter
Aus dem Kreis Gütersloh
Wöchentliche News direkt aus der Redaktion Gütersloh.

Große Nachfrage nach einer Ausbildung in Deutschland

Einer von ihnen ist Anandha Krishnan, der Kaufmann im Einzelhandel lernt. Der 25-Jährige arbeitet im Büro und im Werksverkauf. Er besucht das Ems-Berufskolleg. Das scheint ihm zu gefallen. Über seine Vorgesetzten im Werksverkauf sagt er: Jörg und Sabrina helfen uns bei allen Problemen und haben immer ein offenes Ohr.“

In Indien erfahre Deutschland eine hohe Wertschätzung, wegen des guten beruflichen Bildungssystems, der beruflichen Perspektiven und des deutlich höheren Lohnniveaus. Die Nachfrage nach einer Ausbildung hierzulande sei in Indien groß, erklärt Christina Reibert, die das Projekt bei Tönnies betreut.

Auch viele andere Firmen und Branchen in Deutschland, „ermöglichen jungen Männern und Frauen aus Indien hier den Start ins Berufsleben“.

Tönnies kooperiert mit Sprachschule in Indien

Dafür kooperiert Tönnies mit einer zertifizierten Sprachschule in Indien. Die vermittelt den jungen Leuten deutsche Sprachkenntnisse. Die Mindestanforderung ist das Niveau B1 für fortgeschrittene Sprachschüler, „damit sie hier gleich sowohl privat als auch beruflich Fuß fassen“.

Dabei helfen ihnen auch Auszubildende. Muhamed Fahad Khan berichtet von einer „super Unterstützung von unserem Kollegen Jannis, der gerade im dritten Lehrjahr ist“.

Khan ist im ersten Lehrjahr als Kaufmann im Einzelhandel. Der 21-Jährige sieht das als eine „tolle Möglichkeit, die Kultur und die Menschen hier in Deutschland kennenzulernen“.

Lesen Sie auch: Marktführer Tönnies übernimmt weitere Standorte vom Schlachtkonzern Vion

Für 2025 ist eine Tönnies-Klasse in Indien geplant

Ausgesucht wurden er und die anderen indischen Azubis von der Schule als Kandidaten für Tönnies. Sie wurden dort auch inhaltlich auf ihre Aufgaben und die Ausbildung vorbereitet.

„Es gibt vorab Einzelgespräche per Video-Call, bei dem sich beide Seiten kennenlernen können“, informiert Reibert. Die Gespräche mit künftigen Kollegen, den Ansprechpartner und über die Tätigkeiten werden auf deutsch geführt.

Weil das Projekt so gut laufe, wie die „erstklassigen Prüfungsergebnisse“ der Auszubildenden aus Indien zeigten würden, „planen wir für 2025 eine Tönnies-Klasse in Indien“. Vermittelt werden sollen in der auch exklusives Wissen über die Ausbildung und die Unternehmensgruppe. Die hat zwar wirtschaftliche Beziehungsn zu Indien. Das Land sei aber lediglich „sporadisch Abnehmer geringer Mengen unserer Ware, der Markt spielt bislang eine untergeordnete Rolle.“ Das Azubi-Projekt stehe damit in keiner Beziehung.

Inder brauchen ein Visum

Das Fleischwerk koopertiert mit Partnern in Indien auch, um hohe bürokratische Hürden für die Azubis zu überwinden. Um als Unternehmen überhaupt zugelassen zu werden, sind etwa die Agentur für Arbeit oder indische Behörden involviert.

Die Grundvoraussetzung ist, dass es sich bei den zu besetzenden Stellen um einem Mangelberuf handelt. Das heißt: „Es gibt schlichtweg zu wenig Bewerberinnen und Bewerber vor Ort“, so Reibert.

Die Inderinnen und Inder brauchen zudem ein Visum. Das gilt zunächst für die Zeit der Ausbildung. Ist die erfolgreich abgeschlossen, kann ein Arbeits-Visum beantragt werden. Das gilt in der Regel zunächst für zwei Jahre. Vorgesehen ist es, dass Tönnies Krishnan und Khan übernimmt.

Tönnies stellt den Azubis Wohnungen

Im Fleischwerk arbeiten viele Menschen aus Rumämien und Bulgarien. Ein Ausbildungsprojekt mit diesen EU-Mitgliedsstaaten gibt es nicht. „Wir sind mit dem Pilotprojekt in Indien gestartet, weil es dort mit der Sprachschule einen entsprechenden Partner vor Ort gibt“, lautet die Erklärung. Sei das Projekt mit Indien erfolgreich und finde Tönnies in anderen Ländern vergleichbare Partner, „sind weitere Projekte mit anderen Ländern irgendwann denkbar“. Konkret sei das derzeit nicht.

Konkret vorstellen können sich Krishnan und Khan, die sich eine Wonung teilen, nach ihrer Ausbildung hier zu bleiben. Betriebseigene Wohnungen stellt Tönnies den indischen Auszubildenden inklusive der ersten Einrichtung. Sie bekommen intensiven Sprachunterricht im Unternehmen und „werden bei Bedarf mit Nachhilfe unterstützt“, sagt Reibert.

Eingebunden sind sie auch in alle betriebsinternen Angebote, etwa das Fußballspiel in der Tönnies-Arena. Und Fahrräder bekommen die jungen Inder auch, um mobil zu sein - und um Rheda-Wiedenbrück zu erkunden.