Rheda-Wiedenbrück Wohnmobil-Hersteller Westfalia wegen Camping-Boom am Limit

Rheda-Wiedenbrück. Wer heute auf die Idee kommt, sich für seinen Frühjahrsurlaub 2022 ein nagelneues Wohnmobil aus dem Hause Westfalia anzuschaffen, für den ist der Zug mit großer Wahrscheinlichkeit schon abgefahren. Innerhalb so kurzer Zeit ist aktuell nicht an ein neues, in Rheda-Wiedenbrück produziertes Fahrzeug heranzukommen. Grund dafür ist die derzeit große Nachfrage nach Wohnmobilen und die dadurch in die Höhe geschnellten Lieferzeiten. &bdquo;Üblicherweise warten Kunden nach der Bestellung ein halbes Jahr auf ihr Mobil. Jetzt sind wir bei neun bis zwölf Monaten", sagt Can-Kasim Dogan, seit November 2018 beruflich zu Hause an der Franz-Knöbel-Straße und seit Oktober vergangenen Jahres einer von drei Geschäftsführern der Westfalen Mobil GmbH. Neben Senioren zunehmend junge Familien und Singles Der 45-jährige Manager, der nach Kindheit und Jugend in Enger in Lemgo Produktionstechnik studierte und anschließend 20 Jahre für verschiedene Industrieunternehmen tätig war, führt mehrere Gründe für den Boom an. Da seien zum einen die Veränderungen im Bereich Touristik. Dogan: &bdquo;Urlaub und Reisen gehen mehr und mehr in den selbstbestimmten Bereich über. Und da punkten wir." Die Zielgruppe werde zudem größer. Neben den Senioren träten junge Familien und Singles zunehmend als Käufer in Erscheinung. Lesen Sie auch: Nachfrage nach Wohnmobilen in Corona-Zeiten stark gestiegen Dann das Thema Nachhaltigkeit. Dogan: &bdquo;Ein Wohnmobil ist Freizeit- und Alltagsgefährt in einem. Das macht mitunter den Verzicht auf ein zweites Fahrzeug möglich." Auch könne sich die Ökobilanz gegenüber einem Urlaub mit dem Flieger oder einem Kreuzfahrtschiff sehen lassen. 7.000 Fahrzeuge verlassen pro Jahr die Werkshallen Und nicht zuletzt die Pandemie habe dem Wohnmobil einen Anschub gegeben. &bdquo;Die Flexibilität des Campingurlaubs hat während der Pandemie mehr Möglichkeiten zugelassen." Etwa 7.000 Fahrzeuge verlassen pro Jahr durchschnittlich die Werkshallen. Im laufenden Geschäftsjahr (Ende: 31. August) haben die Westfalianer, die zur französischen Rapido-Gruppe gehören, in nur zehn Monaten schon jetzt mehr als 8.000 Wohnmobile ausgebaut. Auftraggeber sind Mercedes Benz und Ford. Für die zwei Langzeit-Kooperationspartner bauen die Rheda-Wiedenbrücker den Marco Polo beziehungsweise den Nugget, beides Klassiker auf dem Markt für kleine Wohnmobile. Darüber hinaus werden in Rheda-Wiedenbrück auch Dächer für andere Gruppenstandorte wie Gotha in Thüringen und Mayenne in Frankreich gefertigt. 600 Mitarbeiter am Start Die deutliche Kapazitätsausweitung hat sich spürbar auf den Belegschaftsstand und die Arbeitssituation ausgewirkt. Can-Kasim Dogan, der zurzeit noch mit seiner Familie in Hamburg lebt und demnächst in seine ostwestfälische Heimat zurückkehren will: &bdquo;Die Zahl der Mitarbeitenden ist von unter 300 im Jahr 2018 auf jetzt knapp 600 in die Höhe gegangen." Trotzdem ist das Auftragsvolumen nur schwer abzuarbeiten. &bdquo;Ja, wir machen aktuell auch Überstunden", sagt Dogan. Ohne die gehe es nicht. Mit der Arbeitnehmervertretung befinde man sich hier aber in einer guten Abstimmung: &bdquo;Wir sind ein fairer Arbeitgeber." Nach wie vor würden Mitarbeiter gesucht. Auch Ungelernte hätten Chancen auf einen festen Arbeitsplatz, da im Werk eine Weiterqualifizierung am Produkt erfolge. Produktion lief immer weiter Die Expansion des Unternehmens zieht auch Ausbaupläne nach sich. Nach dem Erwerb eines freien Nachbargrundstücks sind die Verlagerung von Stellflächen und ein Erweiterungsbau für Vorproduktion, Montage und Sozialräume geplant. Ein zweistelliger Millionenbetrag soll investiert werden. Eine echte Herausforderung für das Unternehmen ist angesichts des erhöhten Materialbedarfs die Lage auf dem Markt für Zulieferteile. Dogan: &bdquo;Hier stehen wir in jeder Woche vor Fragen, die zu lösen sind." Bislang hätten Lücken in den Lieferketten aber zu keiner Stilllegung von Produktionslinien oder gar Kurzarbeit geführt. Die Innovationen sind beim Caravan Salon in Düsseldorf zu sehen Auf dem Markt für Wohnmobile positioniert sich das örtliche Unternehmen weiter als innovativer Premiumanbieter mit langjähriger Erfahrung. Einzigartig für Fahrzeuge dieser Größenklasse ist beispielsweise die L-förmige Küchenanordnung, die ein neues Raumerlebnis und mehr Platz im Sitzbereich schafft. Stolz ist man auf ein besonders flaches und leistungsstarkes Solarmodul, das in Kooperation mit mehreren Hochschulen und Instituten entwickelt wurde. Diese Innovation will die Westfalen Mobil Ende August beim Caravan Salon in Düsseldorf auf einem Gemeinschaftsstand mit der Gothaer Schwester der Fachwelt und interessierten Messebesuchern vorstellen. &bdquo;Die Messe ist für uns wichtig", sagt Dogan. &bdquo;Da kommen wir mit unseren Endkunden in Kontakt. Die geben uns wertvolle Rückmeldungen, aus denen wiederum neue Ideen entstehen." Für einen Westfalia sind mindestens 50.000 Euro fällig Wer sich ein Wohnmobil der Traditionsmarke Westfalia anschaffen will, muss mindestens 50.000 Euro auf den Tisch legen. Die Top-Modelle liegen bei 80.000 Euro und – je nach Ausstattung – auch deutlich darüber. Wer noch nicht weiß, ob er zu einem Wohnmobil-Fan wird, sollte es auf Empfehlung von Dogan zuvor einmal ausprobieren. Man könne sich für den ersten automobilen Urlaub auch ein Fahrzeug ausleihen. Zu den Besitzern eines Wohnmobils aus Rheda-Wiedenbrück wird demnächst übrigens auch Familie Dogan selbst gehören. Der gebürtige Gummersbacher und seine Frau haben sich jüngst für einen &bdquo;Marco Polo" entschieden. Das Ziel der ersten Reise steht zwar noch nicht zu 100 Prozent fest, doch wahrscheinlich geht es in Richtung Ostsee. Can-Kasim Dogan: &bdquo;Wir sind Freunde des Nordens."

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