Ein Hauch von Freiheit: Das erste Wohnmobil im Kreis Herford

Kreis Herford. Seit 2017 hat sich der Bestand an Wohnmobilen in Deutschland – nicht zuletzt aufgrund der Reise-Beschränkungen während der Corona-Pandemie – nahezu verdoppelt. Mehr als 900.000 dieser Fahrzeuge sind mittlerweile in der Bundesrepublik zugelassen und suchen oftmals zum Sonnenuntergang einen adäquaten Stellplatz, um die Nacht zu verbringen. Oft sind dies bestimmte Areale auf Campingplätzen, weit vor den Toren von Städten und Gemeinden. Doch vielfach sind Wohnmobilisten aber auch moderne Nomaden, die – heute hier, morgen dort – möglichst viele Eindrücke sammeln wollen, sprich auf ihren Touren zahlreichen Innenstädten einen Besuch abstatten. Ärgerlich ist es, wenn dann für die meist um die 7,5 Meter langen Fahrzeuge keine speziellen Stellplätze vorhanden sind oder von Pkws blockiert werden. Aber auch andersherum ärgert es Pkw-Besitzer auf Parkplatzsuche, wenn ein Wohnmobil mangels passender Alternative gleich zwei normale Stellflächen blockiert. Dennoch haben auch im Kreis Herford die Städte Bünde, Löhne, Vlotho und Herford die Zeichen der Zeit erkannt und laden mit eigenen Stellplätzen zum Verweilen ein. Denn auch Wohnmobilfahrer sind Touristen, die neben einer Stellplatzgebühr oft noch weiteres Geld in die lokalen Kassen spülen. In den 1930er Jahren nur Anhänger Blickt man jedoch zurück, so ist das Wohnmobil eine vergleichsweise junge Spezies der Gattung Kraftfahrzeug. Zwar waren bereits in den 1930er Wohnanhänger, oft in Klein- oder auch Hobbywerkstätten entstanden, auf deutschen Straßen unterwegs, doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg bekamen diese ein eigenes Fahrgestell mit entsprechendem Antrieb. Als Einstieg in die Serienfertigung von Wohnmobilen wird oftmals die sogenannte Campingbox der in Rheda-Wiedenbrück ansässigen Firma &bdquo;Westfalia“ angesehen. Dieses in den kurz zuvor von Volkswagen präsentierten Transporter der Baureihe T1 einzuschiebende Wohnmodul, begründete den Ruf des VW &bdquo;Bulli“ als Freizeitmobil. Lesen Sie auch: Oldtimer-Treffen im Kreis Herford: Hier können Auto-Klassiker bewundert werden MIKAFA: Eine exklusive Manufaktur Neben Herstellern größerer Serien, die sich allmählich am Markt etablierten, gab es jedoch auch die kleinen und oft sehr &bdquo;feinen“ Manufakturen, die in geringen Stückzahlen exklusiv ausgestattete Wohnmobile bauten, die dann aufgrund des daraus resultierenden Preises meist jedoch einer sehr exklusiven Käuferschicht vorbehalten waren. Ein solcher Hersteller war die in Minden beheimatete Firma MIKAFA, hinter deren Kürzel sich &bdquo;Mindener Karosserie- und Fahrzeugbau GmbH“ verbarg. Die Ursprünge dieses Unternehmens, das 1935 in Düsseldorf gegründet worden war, lagen im Flugzeugbau, was nach 1945 – wie schon nach dem ersten Weltkrieg – ein von den Alliierten verbotenes Betätigungsfeld darstellte. Auch interessant: Verschollen: Hiddenhauser Oldtimer-Fan gibt Suche nach 50 Jahre altem DKW Cabriolet nicht auf So lag es nahe, sich dem Fahrzeugbau zu widmen, denn Karosserien – ob für Luft- oder Landfahrzeuge – wiesen in ihrer Herstellung zahlreiche Parallelen auf. Allenfalls war der bei Luftfahrzeugen angewandte, konsequente Leichtbau ein Unterschied zum konventionellen Karosseriebau, der dann wiederum bei der Herstellung von Wohnwagen und -mobilen enorme Vorteile mit sich brachte. Es entstanden in Minden dann zunächst unmotorisierte Campingwagen und schließlich, etwa ab 1951, auch die ersten Reisemobile. Da sich der Bau dieser neuen Fahrzeuggattung an der Weser jedoch auf die Karosserien beschränkte, kamen zunächst Fahrgestelle der Firma &bdquo;Vidal & Sohn Tempo-Werk“ zum Einsatz. Felix Graf von Luckner und sein Wohnmobil Die nach ihrem Entstehungsort bei Hamburg als &bdquo;Harburger Transporter“ bekanntgewordenen Tempo wurden in Minden zu – für damalige Verhältnisse – äußerst luxuriösen Reisefahrzeugen umgebaut. Ein Kunde, der finanziell zum Erwerb eines solchen Fahrzeuges in der Lage war, war der als &bdquo;Seeteufel“ bekannt gewordene Felix Graf von Luckner. Als junger Adeliger hatte er bei der Kaiserlichen Marine am Ersten Weltkrieg teilgenommen und aus seinem abenteuerlichen Leben einen finanziell recht einträglichen Kult um die eigene Person inszeniert. Er gab Bücher heraus, zerriss publikumswirksam dicke Telefonbücher und tourte schon nach dem Ersten Weltkrieg mit Vorträgen über seine vermeintlichen Heldentaten durch die Welt. Weitere Oldtimer-Geschichten: Vom Wirtschaftswunder zum Sammlerstück: Bünder restauriert Mercedes &bdquo;Ponton“ Seine Memoiren wurden in den USA ein Bestseller und millionenfach verkauft, obwohl er es nicht immer so genau mit der Wahrheit nahm. Dass zahlreiche seiner Geschichten als &bdquo;Seemannsgarn“ abgetan und belächelt werden können, ist die eine Seite. Dass er sich jedoch unberechtigterweise zum Nazi-Gegner und Judenretter hochstilisieren wollte, eine andere. Und der nachgewiesene Inzest mit der eigenen Tochter, sowie der Missbrauch weiterer Minderjähriger, haben ihn – nicht erst postum – zu einer zweifelhaften Persönlichkeit werden lassen. Doch all davon war in den 1950er Jahren in der Öffentlichkeit vermutlich nichts bekannt. Die Besonderheiten von Luckners Wohnmobil Sonst hätte der Hessische Rundfunk 1957 wohl nicht jenes heitere Interview mit dem mittlerweile 76-Jährigen im Kurpark von Bad Homburg aufgezeichnet, das noch heute in der ARD-Mediathek abrufbar ist und bei dem der betagte &bdquo;Seeteufel“ weiter seine Spökenkiekerei betreibt. Neben dem Rundfunkreporter und dem Grafen, werden in dieser etwa fünfminütigen Filmsequenz auch Frau von Luckner und jenes Wohnmobil gezeigt, in dem beide auf Vortragsreisen gingen. Das 1954 gebaute Fahrzeug, von dem in dieser Ausführung keine zehn Exemplare entstanden sein dürften, hatte einen Grundpreis von 25.500 DM und war zunächst vom Hersteller selbst einige Wochen genutzt worden. Es zählen die inneren Werte Aufgrund des werbewirksamen Namens des Käufers wird Graf von Luckner zwar einen ordentlichen Preisnachlass bekommen haben, aber dennoch hat dieses Fahrzeug vermutlich immer noch so viel gekostet, wie das etwa zeitgleich vom Vater des Autors im Ruhrgebiet erbaute Zweifamilienhaus mit insgesamt (!) 100 m² Wohnfläche. Dafür musste der alternde &bdquo; Weltumsegler keine Bequemlichkeit entbehren“, wie ein zeitgenössisches Werbeblatt das – in Anlehnung an die maritime Vergangenheit des Eigentümers – oft als &bdquo;Landkreuzer“ oder auch &bdquo;Landyacht“ bezeichnete Reisemobil anpreist. Doch damit waren gewiss nicht die 1,2 Liter Hubraum des Vierzylinder-Viertakt-Motors aus dem Hause Heinkel gemeint, der mit seinen 39 PS das Mobil auf 80 km/h beschleunigte und etwa 10 bis 12 Liter Kraftstoff verbrauchte. Lesen Sie auch: Exot auf Ostwestfalens Straßen: Bünder Schrauber hält 37 Jahre alten Nissan Laurel in Schuss Es waren die &bdquo;inneren Werte“, die schon damals bei einem solchen Fahrzeug zählten. &bdquo;Zwei schaumgummigepolsterte Sofas lassen sich schnell in Betten umwandeln “, während die benötigten Lebensmittel in einem 45 Liter fassenden &bdquo;Propangas-Kühlschrank“ untergebracht werden konnten, ehe sie auf einem &bdquo;zweiflammigen Propangaskocher“ zubereitet wurden. &bdquo;Eine eingebaute Abwaschschüssel“, sowie ein &bdquo;Waschraum“ nutzten den mitgeführten Wasservorrat von 60 Litern und ein &bdquo;modernes Chemical-Closet und andere Einbauten“ sorgten dafür, dass sich die Luckners auf ihren Fahrten ganz wie zu Hause fühlen konnten. .responsive23-gNzuyh5LBJRzlZ9M-bar-vertical-oldtimer-in-deutschland { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-gNzuyh5LBJRzlZ9M-bar-vertical-oldtimer-in-deutschland { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-gNzuyh5LBJRzlZ9M-bar-vertical-oldtimer-in-deutschland { padding-top: 142.86%; } } Tankstelle mittlerweile Geschichte So auch, als das Ehepaar vor exakt 70 Jahren die Nacht vom 14. auf den 15. Mai 1955 in Bünde verbrachte. Nachdem Felix Graf von Luckner bereits in den 1930er Jahren die Zigarrenstadt besucht hatte, kam er rund zwei Jahrzehnte später auf Einladung der Bünder Marinekameradschaft erneut in die Stadt an der Else. Zwar ist nicht exakt überliefert, wo sie ihren &bdquo;Landkreuzer“ festmachten, doch darf man den überlieferten Fotografien Glauben schenken, dann könnte diese erste dokumentierte Übernachtung eines Wohnmobils im Kreis Herford durchaus neben der Tankstelle Hurlbrink – etwa dort wo heute am Zusammentreffen von Esch- und Bahnhofstraße ein Kaufhauskomplex steht – stattgefunden haben. Zwar ist die Tankstelle längst Geschichte und auch der Graf weilt schon seit 1966 nicht mehr unter den Lebenden, doch genau wie Luckners Grab auf dem Friedhof in Hamburg Ohlsdorf, so soll auch sein Wohnmobil noch in der Hansestadt erhalten sein. Hermann Hajek aus dem oberbayrischen Freilassing – selbst MIKAFA-Besitzer und profunder Kenner der Materie, der dem Autor dieser Zeilen bereitwillig Auskunft gab – weiß über den Verbleib von Luckners Wagen Bescheid. Der jetzige Eigentümer plant den Wiederaufbau des in die Jahre gekommenen Fahrzeuges und wer weiß, vielleicht macht die Lucknersche Landyacht dann ja nochmal am Strand der Else fest.

Meistgelesen