
Rheda-Wiedenbrück. Lilian Maxwell wollte Germany’s Next Topmodel werden. Seit vielen Jahren kämpfte die Rheda-Wiedenbrückerin für ihren Traum – nun ist er zerplatzt. Zwar hat sie es unter die besten sieben Kandidatinnen der diesjährigen Castingshow geschafft; doch dann war Schluss. Kurz vor dem großen Halbfinale schmiss Model-Mama Heidi Klum die 21-Jährige raus.
Aber Maxwell wird in Erinnerung bleiben. Sie fiel in der Show nicht nur durch ihre langen geflochtenen Haare mit lilafarbenen Strähnen auf – sondern vor allem auch durch ihre laute, selbstbewusste und leicht verpeilte Art. Nicht selten war sie vor allem zu Beginn der Staffel in Streitereien unter den Model-Anwärterinnen verstrickt. Mehrfach fiel der Satz „Ich mag Menschen nicht".
Was erstmal ziemlich abgebrüht und hart klingt, wird verständlicher, wenn man Maxwells Geschichte kennt. Die heute 21-Jährige hat viel durchgemacht – und das hat Spuren hinterlassen. In einem emotionalen Video auf ihrem Instagram-Kanal spricht sie jetzt ganz offen über ihre brutale Kindheit. Man spürt, wie sehr sie auch heute noch unter den dramatischen Erlebnissen leidet. Mehrfach ist sie den Tränen nahe.
"Wenn man vom Teufel spricht, dann war der Teufel mein Bruder"
„Wenn man vom Teufel spricht, dann war der Teufel mein Bruder", sagt Maxwell in ihrem Video, „ich wurde jeden Tag verprügelt. Er hat mehrfach versucht, mich umzubringen. Ich hatte jeden Tag Angst um mein Leben." Jahrelang habe ihr älterer Bruder sie misshandelt, körperliche Gewalt habe den Alltag der damals Achtjährigen bestimmt. Sogar mit dem Messer habe ihr Bruder sie angegriffen.
„Jeder hatte Angst vor ihm", berichtet Liliana Maxwell gegenüber der Neuen Westfälischen, „jeder einzelne in der Familie hatte Angst vor meinem Bruder. Aber meine Oma hat alles versucht, etwas dagegen zu machen. Sie hat geredet, geweint, sogar versucht, mit ihm zu streiten, was nicht geklappt hat. Mein Onkel hat es auch versucht und beide wurden verletzt."
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Ihr Bruder sei schlau gewesen: Als er bemerkte, dass die Familie anfing, sich einzumischen, habe er immer gewartet, bis keiner da war. „Er wusste, wann ich von der Schule zurückkomme, wann meine Oma oder mein Onkel nicht zu Hause waren, und kam erst dann."
Liliana Maxwell ist in Italien geboren. Als ihre Mutter ihren Arbeitsplatz verlor, schickte sie Maxwell zu ihrer Oma nach Nigeria. Dort ist sie dann mit ihren Geschwistern aufgewachsen. Vor neun Jahren hat Liliana ihren Bruder laut eigenen Aussagen das letzte Mal gesehen – „der schlimmste Tag in meinem Leben". Ihr Bruder habe versucht, ihre Finger mit einem Messer abzuschneiden. Erfolglos. Danach habe er sechzehn Flaschen auf ihren Knien zerschlagen und anschließend mit einer Glasscherbe versucht, ihr Handgelenk zu verletzen.
„Eine Woche davor hat mein Onkel mich verteidigt und meinen Bruder geschlagen, dafür, dass er mich geschlagen hat und ich glaube, dass das meinen Bruder noch mehr provoziert und verletzt hat! Deshalb wollte er alles beenden, was – Gott sei dank – nicht geklappt hat", sagt Maxwell gegenüber der NW. Sie wisse nicht mehr genau, wer es war, weil sie die Person damals nicht gesehen hat, aber irgendjemand habe sie weggetragen und so gerettet.
Kein Kontakt mehr zum Bruder
Danach habe sie bei Verwandten gewohnt– mal bei ihrem Onkel, mal bei ihrer Tante. „An diesem Tag habe ich überlebt. Und dafür bin ich dankbar. Zu dem Zeitpunkt dachte ich mir aber, es wäre besser, wenn ich gestorben wäre."
Heute lebt Maxwell wieder gemeinsam mit ihrer Mama und ihrer Schwester – im Kreis Gütersloh. Ihre Oma ist verstorben; Kontakt zu ihrem Bruder hat sie nicht mehr. Angezeigt hat Familie Maxwell ihn laut eigenen Angaben nicht. „Ich musste nochmal neu anfangen, hatte lange Depressionen und musste lernen, wie man mit Menschen umgeht."
"Ich vermisse dich und wünschte, du wärst netter zu mir gewesen"
In der Schule sei sie gemobbt worden – dass sie heute zufrieden in den Spiegel schauen kann und sich sogar vor einem Millionen-Publikum im Fernsehen präsentiert sei ein langer Weg gewesen. „Ich arbeite bis jetzt noch daran, mich selbst zu verbessern, lieben zu lernen und geliebt zu werden und vor allem auch Menschen zu vertrauen."
Geholfen habe ihr dabei unter anderem koranische Musik und die Sprache. „Das war meine Ablenkung. Ich hatte etwas, das mir gehörte. Ich hatte das erste Mal im Leben das Gefühl, dass ich mich mit irgendwas identifizieren konnte."
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Jetzt offen über ihre traumatischen Erlebnisse zu sprechen, habe ihr ebenfalls geholfen. Die Reaktionen auf ihr öffentliches Video seien hauptsächlich positiv gewesen. Viele seien geschockt gewesen, nachdem sie von Maxwells Geschichte hörten – sogar ihre engsten Freunde. „Ich rede sonst nie darüber."
Liliana Maxwell will nach vorne schauen. Sie will weiter an ihrem Traum, irgendwann ein gefragtes Model zu werden, arbeiten und ihre Vergangenheit hinter sich lassen. Nachtragend scheint sie ohnehin nicht zu sein. Wenn sie ihren Bruder heute wieder träfe, wüsste sie genau, was sie sagen würde: „Ich vermisse dich und wünschte, du wärst netter zu mir gewesen. Ich habe immer noch Alpträume, in denen du versuchst, mich umzubringen. Aber: Familie ist Familie."