Ausnahmesituation für ambulante Pflegekräfte im Kreis Gütersloh

Rheda-Wiedenbrück. Der Pflegeberuf ist ohnehin kein leichter. In diesen Tagen wird er noch anstrengender, durch den Schnee. "Es ist der Wahnsinn, wir schaufeln rund um die Uhr", sagt Yvonne Misiewicz, Mitarbeiterin des ambulanten Pflegedienstes "Pro Pflege 2000". Die Kolleginnen steckten oft fest. Viele Straßen in Siedlungen und besonders im ländlichen Bereich seien nicht geräumt. "Kommt man bei einem Klienten raus, sind die Scheiben am Auto oft schon wieder zugefroren." So seien die regulären Touren für die Mitarbeiterinnen nicht einzuhalten. "Am Montag haben wir sie auf ein Minimum reduzieren müssen", sagt Misiewicz. Diesen Weg gehen auch andere ambulante Pflegedienste. "Wir entscheiden nach der Dringlichkeit" "In dieser absoluten Ausnahmesituation müssen wir Kompromisse finden", sagt Thomas Plugge, Leiter der Caritas-Sozialstation Wiedenbrück. Wer nicht notwendigerweise auf die Dienste der 20 Mitarbeiterinnen im Früh- und Spätdienst angewiesen sei, der werde nicht besucht. Das sind beispielsweise Klienten, deren Familienangehörige in der Nähe wohnen, oder Menschen, die auf Unterstützung bei der Körperpflege angewiesen sind. "Wir entscheiden nach der Dringlichkeit", berät sich Plugge mit den Kolleginnen. Mindestens 50 Prozent sind darauf angewiesen, dass jemand kommt "Aber selbstverständlich fahren wir zu Klienten, die lebensnotwendig versorgt werden müssen". Das sind Menschen, die sich selbst nicht helfen können, denen Tabletten gestellt werden oder die Insulin brauchen. Von den knapp 150 Patienten, die die Pflegekräfte der Caritas versorgen, "sind mindestens 50 Prozent darauf angewiesen, dass wir kommen", sagt Plugge. Mit den anderen werde telefoniert. "Wir sind dankbar, dass wir eine so gute Unterstützung von den Angehörigen erfahren, keine Debatten führen müssen und dass die Menschen zusammenhalten." Die Erfahrung macht auch Helge Pabst, geschäftsführender Pflegedienstleiter bei Daheim e.V.. Der Verein hat Standorte in Rheda-Wiedenbrück, Halle und Gütersloh und beschäftigt 65 Mitarbeiterinnen. Schon am Sonntag sei die Telefonzentrale um drei Leitungskräfte aufgerüstet worden, wurde der freie Tag zum Arbeitstag. "Wir sind kreativ und finden einen Weg" Bei jedem telefonischen Austausch werde abgewogen, "ob ein Besuch wirklich notwendig ist". Die Klienten reagierten "verständnisvoll und kooperativ", sagt Pabst. Auch bei Misiewicz haben sich Leute gemeldet und gesagt, auf den Dienst von "Pro Pflege" ausnahmsweise verzichten zu können. Doch so entgegenkommend reagierten nicht alle Kunden. "Bei denen rede ich dann mit einer Engelszunge", lacht sie. Und verweist in dem Gespräch auch darauf, dass das Unternehmen auf die Sicherheit der zehn Mitarbeiterinnen achten müsse. Weil die Räumfahrzeuge nicht überall hinkommen, hat manche Pflegefachkraft ihr Auto an einer Hauptstraße stehen lassen und ist zu Fuß zu den Kunden gegangen - außerhalb der Stadt auch schon mal bis zu einen Kilometer weit. Wer gar nicht erst von zu Hause wegkomme, werde von Hausmeistern in einem Pick-Up eingesammelt, berichtet Pabst von einem großen Zusammenrücken. "Wir sind kreativ und finden einen Weg." Manche Überstunde fällt dabei auch an. Bauer hilft mit Traktor aus Es sei einige Male vorgekommen, dass der Wagen einer Kollegin frei geschaufelt werden musste. Einmal, weil ein Schneepflug das am Straßenrand parkende Auto weiß eingehüllt habe. Doch könnten sich die Pflegefachkräfte oft auf fremde Hilfe verlassen. In Mastholte beispielsweise sei ein Bauer mit einer Schaufel an seinem Traktor gekommen, um den Schnee beiseite zu schaffen. Auch Nachbarn von Kunden packten an. Ausgestattet hat "Pro Pflege" die Mitarbeiterinnen mit Eiskratzern und Schippchen. "Wir legen auch Fußmatten unter die Reifen", sagt Misiewicz. Sie selbst ist nach einem Wendemanöver dennoch stecken geblieben, kurz vor dem Büro am Lümernweg. Da bat sie eine Frau, die ihre Hauseinfahrt frei schaufelte, leihweise um deren Schneeschieber. Den bekam Misiewicz allerdings nicht. Die Begründung: Die Frau müsse jetzt zur Arbeit und das Gerät gehöre in die Garage. Also ging Misiewicz die rund 300 Meter zu ihrem Ziel und fand in dem Vermieter ihren Retter. "Der hat mit einer Schüppe fast unter meinem Wagen gelegen, um ihn frei zu schaufeln - er ist heute mein Held."

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