"Sonst würde alles stillstehen": Rat tagt mit Abstand und Desinfektionsmittel

Rheda-Wiedenbrück. Auf Abstand gehen die Ratsmitglieder. Zusammen kommen sie trotzdem am Montag, 30. März, um ab 17 Uhr über zwingend notwendige Themen zu entscheiden, "sonst würde alles still stehen", sagt Uwe Henkenjohann, CDU. Eher ruhig dürfte auch die Sitzung verlaufen. Bürgermeister Theo Mettenborg hat die Kommunalparlamentarier aufgefordert, "möglichst schriftliche Statements abzugeben und Redebeiträge kurz zu fassen". Das Ziel sei, die Sitzungsdauer auf ein zeitliches Minimum zu reduzieren. Nicht alle 38 Abgeordneten werden teilnehmen. Erforderlich sind für die Beschlussfähigkeit mindestens 19 Bürgervertreter. Die nehmen mit zwei Metern Abstand voneinander Platz. Weil der große Sitzungssaal im Rathaus dafür zu klein ist, tagt der Rat in der Stadthalle. Deren Türen stehen offen, damit Klinken unberührt bleiben und für reichlich frische Luft gesorgt ist. Ausreichend Desinfektionsmittel steht bereit - auch für Zuschauer, die ebenfalls auf Distanz platziert werden. Bei unerwartet hohem Interesse werde der Publikumszustrom begrenzt. "Den Empfehlungen der Gesundheitsämter und des Robert Koch-Instituts wird in jeder Hinsicht entsprochen", teilt das Rathaus auf Nachfrage mit. Falsche Zeit für "politische Spielchen" Das Vorgehen habe die Verwaltung professionell vorbereitet und mit allen Fraktionen abgestimmt, so Andreas Hahn, Bündnisgrüne, zu dem angepassten Modus. Der soll "eine Infektionsgefahr deutlich minimieren". Die FDP begrüßt die Entscheidung, alle Ausschusssitzungen bis zu den Osterferien auszusetzen, sieht aber die Notwendigkeit einer Sondersitzung des Rates unter den besonderen Vorkehrungen - "damit die Verwaltung arbeitsfähig bleibt", so Patrick Büker. Er nimmt als einziger Vertreter seiner Fraktion an der Ratssitzung teil. Der Liberale sieht es als ein Gebot der Fairness, dass bei einer reduzierten Teilnehmerzahl trotzdem die politische Mehrheit des Kommunalparlaments abgebildet wird. Das ist für Henkenjohann selbstverständlich. Ihm haben elf Mitglieder der CDU-Fraktion gemeldet, zu kommen, auch um die gesetzliche Mindestteilnehmerzahl zu erreichen. Für die SPD-Fraktion nehmen vier Abgeordnete teil. Vier andere sind nicht dabei, "weil sie beispielsweise in pflegerischen Berufen tätig sind", sagt Dirk Kursim. Bei den Bündnisgrünen sind es zwei Bürgervertreter. Die Stadt erwartet zudem die Teilnahme des Abgeordneten der Linken und zwei fraktionsloser Parlamentarier. "Zoff gab es im Vorfeld nicht" Mit kontroversen Debatten zu den Themen rechnet keine Fraktion. Auf der Tagesordnung stehen beispielsweise: der Verzicht auf die Erhebung von 255.000 Euro Elternbeiträgen für die Kinderbetreuung zunächst für April, die außerplanmäßige Bereitstellung von 500.000 Euro für besondere Aufwendungen in der Corona-Krise, der Erlass einer Wohnraumschutzsatzung sowie die Vorstellung der Ausbauplanung eines Teilabschnitts im Baugebiet Kaiserforst. Großes Einvernehmen nimmt Büker wahr, "schnelle, unkomplizierte Lösungen im Sinne der Bürgerschaft zu finden". Es sei die falsche Zeit "für politische Spielchen", weshalb die FDP versuche, den Schulterschluss mit den anderen Fraktionen und der Verwaltung zu finden. Weil viele fachliche Themen derzeit ruhten und eventuelle Beschlüsse ausgesetzt seien, "ist der Klärungs- und Diskussionsbedarf sowieso geringer", meint Hahn. Über die wenigen unaufschiebbaren Themen der Tagesordnung hätten sich die Fraktionsvorsitzenden bereits mit dem Bürgermeister verständigt, um einen Konsens zu finden. "Zoff gab es im Vorfeld nicht", sagt Kursim. Online-Sitzungen sind für Entscheidungen rechtlich nicht zulässig Vorab haben sich die Fraktionen zudem intern abgestimmt. Die CDU hat die Verwaltungsvorlagen mit Anmerkungen des Vorstandes versehen. "Dazu konnten sich alle per E-Mail äußern und nach einer erneuten Debatte gibt es einen Gesamtbeschluss", so Henkenjohann. Die SPD-Abgeordneten haben sich per Videokonferenz abgestimmt. Denn alle Fraktionen verzichten derzeit auf ihre wöchentlichen Sitzungen. "Die Corona-Pandemie stellt für die Kommunalpolitik eine Ausnahmesituation dar", so Hahn. Das gilt auch für die Verwaltung. Aus dem Rathaus nehmen nur der Bürgermeister, der Kämmerer und die Schriftführerin an der Sitzung teil. Die Beigeordneten stehen für Fragen telefonisch bereit. Damit teilt sich die Verwaltungsspitze ebenso wie der Stadtrat auf, um auch im Falle einer Infizierung arbeitsfähig zu bleiben. Trotz der Pandemie muss der Rat öffentlich tagen, so eine Empfehlung des Städte- und Gemeindebundes. Online-Sitzungen und so genannte Umlaufbeschlüsse - per Telefon oder E-Mail - seien für die Entscheidungen rechtlich nicht zulässig. Dennoch sollte der Gesetzgeber "diese Situation nutzen, auch Entscheidungsprozesse in der Kommunalpolitik zu digitalisieren", meint Büker.

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