Harsewinkel. Die traditionsreiche Geschichte des im April 1961 von Heinrich und Anna Grawe in Harsewinkel gegründeten Gasthofes Waldhof ist zu Ende. Inhaberin Marianne Hanhart, Tochter des Gründerehepaares, hat das familiengeführte Hotel und Restaurant mitsamt den umliegenden Flächen an den benachbarten Landmaschinenhersteller Claas verkauft.
Die offizielle Übergabe der Gebäude und Areale an der Münster Straße 103 erfolgen Ende Oktober. Zuvor gibt es am Samstag, den 19. Oktober, ab 10 Uhr, einen großen Ausverkauf von Gaststätten- und Wohnhausinventar. Angeboten werden alte Schränke, Gastromaschinen, Dekoartikel, Geschirr, Töpfe, Vasen und allerlei Schönes für Wand und Fenster.
Tausende haben das rustikale Lokal schätzen gelernt
Reiterball, Dackelrennen, Bierfestival, Germanen-Essen, Schützenfeste, Hochzeiten, Taufen, Harley-Treffen, Vereins- und Firmenfeiern und Bauer sucht Frau-Partys haben den aus einem Restaurant, Hotel, Saal und Partyraum bestehenden Waldhof über Jahrzehnte stets neu belebt. Doch damit ist Schluss, denn im Oktober werden Marianne und Heinz Hanhart für immer den Schlüssel umdrehen. Zurück bleiben Erinnerungen von rauschenden Firmenfesten, ausschweifenden Partys, geselligen Familienfeiern und legendären Vereinsfesten. Tausende Besucher aller Generationen haben den rustikalen Waldhof mit der kleinen Sektbar über dem Saal kennen- und schätzen gelernt. Ein Gästebuch voller Lobes- und Dankeseinträge belegt das.
Der von westfälischer Gemütlichkeit geprägte Waldhof von Heinrich und Anna Grawe, die 1964 und 1969 den Saal erweiterten und 1980 die Kegelbahnen einbauen ließen, war ein weit über die Grenzen von Harsewinkel hinaus beliebter Treffpunkt. Ein Ort, in dem über Jahrzehnte teils legendäre Veranstaltungen gefeiert wurden, erinnert sich Wirtekind Marianne Hanhart. Für sie war der Gastraum von Kindesbeinen an Lebensmittelpunkt.
Prominente Übernachtungsgäste waren dort
Schon sehr früh habe sie ihre Eltern unterstützt. Nach der Heirat mit Heinz Hanhart im Jahr 1978 haben die jungen Eheleute 1981 den Gasthof in zweiter Generation übernommen. Marianne Hanhart erzählt mit strahlenden Augen von Freundschaften, die bis heute Bestand haben.
Von prominenten Übernachtungsgästen und bekannten Persönlichkeiten, wie Fritz Walter, Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, von Sängern wie Roberto Blanco, Bata Ilic, Peter Beil, Ilja Richter, Rex Gildo, Chris Howland, der Schauspielerin Heidi Kabel, der sowjetischen Nationalmannschaft, aber auch von Besuchergenerationen, die sich täglich die Klinke der Waldhof-Tür in die Hand gegeben haben, um am Tresen, im Saal, auf der Kegelbahn oder auf dem Minigolfplatz besondere Momente zu erleben.
Die meisten Promis waren Gäste der von Walter Claas veranstalteten TSG-Bälle. Dabei war der Waldhof nicht nur an den Wochenenden ein gefragtes Ausflugslokal mit guter westfälischer Küche, auch in der Woche trafen sich Bauern, Handwerker und Vertreter schon morgens zum Plausch, Essen oder Biertrinken in dem typisch münsterländischen Fachwerkhaus.
"Niemand wollte den Waldhof weiterführen"
Auch wenn private Feiern, Fraktionstreffen, Jahreshauptversammlungen, Vortragsreihen, Reitturniere und das traditionelle Grünkohlessen des Reitvereins immer wieder für kurzweilige Belebung der Gastronomie gesorgt haben, so zeichnete sich in den letzten Jahren die Schließung ab, denn immer wieder stand der für bis zu 400 Personen ausgelegte Saal leer. Die Zeiten der rauschenden Feste waren vorüber, die Besucherzahlen deutlich rückläufig.
„Wer hat denn heute noch Zeit, Lust und Geld, sich in der Woche ins Wirtshaus zu setzen. Dazu kommt, dass wir einfach niemanden gefunden haben, der den Waldhof weiterführen wollte", so Marianne Hanhart, die bereits die Gaststättenkonzession bei der Stadt Harsewinkel zurückgegeben hat. Es war eine schwere und emotionale Entscheidung, die auf fast zwei Jahre Suche nach Alternativen, aber auch Grübeln und Unsicherheiten folgte.
Großer Verkauf im Oktober
„Am Ende siegte die Vernunft, denn der Waldhof ist sichtlich in die Jahre gekommen", so Marianne Hanhart. Neben der Auflösung zweier Privathaushalte wurde auch der komplette Restaurant- und Gaststättenbedarf, einschließlich der unzähligen Dekorationen, Fotos und Bilder, die von einer längst vergangenen Zeit erzählten, gesichtet, dokumentiert und zum Teil für den großen Verkauf im Oktober auf die Tische im Saal drapiert.
Mit jedem Stück kehrten für Heinz und Marianne Hanhart noch einmal alte Erinnerungen an die einst so schöne Zeit im Waldhof zurück. Doch mittlerweile haben sich die Gemüter beruhigt und Heinz und Marianne Hanhart freuen sich auf ihren neuen Lebensabschnitt.