Rabattschlacht im Outlet des insolventen Modeunternehmens Gerry Weber im Kreis Gütersloh

Halle. Der Parkplatz vor dem Outlet im Haller Ravenna-Park im Kreis Gütersloh ist am späten Dienstagmorgen gut gefüllt. Drinnen stöbern die Menschen zwischen Ständern und Regalen – dazwischen ein paar Männer mit einem Rollwagen voller Schilder. Langsam ziehen sie durch die Gänge und plakatieren damit die Wände, Meter für Meter. Erst tags zuvor ist publik geworden, dass die Tochtergesellschaften von Gerry Weber, die für den deutschen Einzelhandel, das Onlinegeschäft sowie die Belieferung des Großhandels verantwortlich zeichnen, Insolvenz angemeldet haben. Nun heißt es: &bdquo;Alles muss raus“. &bdquo;Wir räumen unser Lager.“ &bdquo;40 Prozent Rabatt vom Original-Preis.“ Am Stand mit dem Hinweis &bdquo;Last Chance – Hose 5 Euro“ unterhalten sich zwei Kundinnen; sie bedauern die Entwicklungen des einst so bedeutenden Haller Modeherstellers. Aber wundern? Nein, wundern würden sie sich nicht. &bdquo;Das zeichnete sich doch bereits seit Jahren ab“, stellt die eine fest. Dann ziehen sie weiter. Und möchten ihre Chance nutzen, hier auf der Fläche im interkommunalen Gewerbegebiet günstige Frühjahrsmode zu erstehen – direkt vor Ort. Online ist dies bei Gerry Weber seit etwa drei Wochen nicht möglich. Kein Onlineshopping – drei Wochen lang Nach Bekanntwerden der Insolvenz der Gerry Weber International GmbH am 11. März hieß es noch, der Shop sei aktuell nicht erreichbar, aber man arbeite daran, dass dies schnellstmöglich wieder der Fall sein werde. Mittlerweile können die Kundinnen seit rund drei Wochen keine Ware auf der Webseite bestellen, um sie sich dann nach Hause liefern zu lassen. Drei Wochen – das ist eine sehr lange Zeit. Und obendrein schlecht fürs Geschäft: Kein Unternehmen und erst recht kein Modeunternehmen kann es sich in den heutigen Zeiten erlauben, für seine Kunden auf einem Geschäftsfeld nicht erreichbar zu sein. Vielleicht mal für wenige Stunden. Aber drei Wochen lang? Schwierig. Und ein Ende scheint nicht absehbar. Wenngleich ein Sprecher des Modeunternehmens nach wie vor versichert, &bdquo;die einzelnen Verfahren würden jetzt bestmöglich koordiniert“, um zu einer &bdquo;guten Zukunftslösung“ zu gelangen, stehen die Zeichen auf Krise. Dabei hatte man noch vor zwei Jahren alle möglichen Schritte unternommen, um nach dem letzten großen Schuldenschnitt die einzelnen Geschäftsfelder fein voneinander zu trennen. Das fällt beim Blick auf die Insolvenzbekanntmachungen des Amtsgerichts Bielefeld auf. Gerry Weber hatte Geschäftsfelder voneinander getrennt So gibt es hier einen Eintrag vom 13. März dieses Jahres zur Gerry Weber Retail GmbH. Keine neuerliche Insolvenzbekanntmachung, wie der erste flüchtige Blick zunächst vermuten lässt, sondern vielmehr ein Nachtrag zur Insolvenzbekanntmachung aus 2023: Ganz allgemein geht es um Prüfungsfristen von nachträglich angemeldeten und noch nicht geprüften Forderungen. Allerdings obliegt das deutsche Retailgeschäft doch mittlerweile der Gerry Weber DE GmbH, wie sich aus den Insolvenzbekanntmachungen von Montag (24. März) ergibt. Die entscheidende Frage lautet daher: Wozu gibt es denn dann noch die Gerry Weber Retail GmbH, die zuletzt doch – wie der Name sagt – für das (deutsche) Einzelhandelsgeschäft verantwortlich zeichnete? Die Antwort: Die Retail GmbH gibt es noch, sie ist aber de facto längst stillgelegt. Und das hat einen Grund. Als die Gerry Weber Retail GmbH 2023, die zu dem Zeitpunkt noch 171 eigene Stores und Outlets unterhielt, Insolvenz anmelden musste und das Filialnetz erheblich geschrumpft wurde, musste eine neue Gesellschaft her. Eine neue GmbH, die fortan nur noch die verbliebenen 32 Stores und 12 Outlets vereinen sollte. Der Name dieser neuen Gesellschaft: Gerry Weber DE GmbH. Ein Vorgang, der in der heutigen Geschäftswelt schnell realisiert werden kann, denn es gibt Anbieter, die fertige GmbHs anbieten. Ein Angebot, von dem auch Gerry Weber Gebrauch machte. Eine Analyse: Warum das Modeunternehmen Gerry Weber schwer ums Überleben kämpft Einzelhandel von Gerry Weber unter dem Dach einer neuen GmbH Vorstellen kann man sich diese Konstrukte wie leere Schuhkartons. Diese leeren Schachteln haben alles, was man benötigt, um sie von jetzt auf gleich mit den eigenen Produkten zu befüllen. Für den konkreten Fall bei Gerry Weber bedeutete dies, es gab einen Anbieter aus Berlin, der in Charlottenburg eine GmbH mit dem Namen Youco B22-BS578 Vorrats-GmbH angemeldet und sie mit dem erforderlichen Stammkapital von 25.000 Euro ausgestattet hatte. Diese Vorrats-GmbH wurde von Gerry Weber gekauft – um sie nach drei weiteren Schritten innerhalb kürzester Zeit in die Gerry Weber DE GmbH umzuwandeln. Dieses Vorgehen ist im Handelsregister einzusehen und nachzuvollziehen – an und für sich tatsächlich keine außergewöhnliche Sache. Und dennoch macht sie deutlich, wie bereits vor geraumer Zeit Vorsorge für weitere Fälle der Not getroffen wurde. So ist auch der Online-Handel nicht mehr der Gerry Weber International GmbH oder der DE GmbH zugeordnet, sondern befindet sich unter dem Dach einer eigenen Gesellschaft: der E-Gerry Weber Digital GmbH. Nachdem beide Töchter der Gerry Weber International GmbH am Montag Insolvenz angemeldet haben, ist klar: Auch die Trennung der Geschäftsfelder konnte die Zahlungsunfähigkeit nicht verhindern. Hinter den Kulissen im Zuge des sogenannten Investorenprozesses geht es derweil weiter darum, an neues Geld zu gelangen. Einen neuen Investor zu finden, der bereit ist, das kriselnde Haller Modeunternehmen mit weiteren finanziellen Mitteln auszustatten – und das kurzfristig. Wer Interesse daran bekundet, dürfte in diesen Wochen also am Stammsitz vorsprechen und Einblicke in die Assets des Unternehmens bekommen. Um sich dann zu entscheiden, ob er etwas davon kauft und wenn, was. Bald, mutmaßlich bis Ende April, dürfte klar sein, ob die Outlet-Kundinnen von Dienstagmorgen immer schon recht hatten. Oder sich irren und es für die Beschäftigten von Gerry Weber doch noch eine Zukunft gibt.

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