Kostenexplosion in Gütersloh: Neuer Bahnsteig am Hauptbahnhof rückt in weite Ferne

Gütersloh. Zu verkünden, dass bei der Bahn eine Sache länger dauert und teurer wird, ist normalerweise witzlos. Diesmal nicht. Denn: Er betrifft den Ausbau des Bahnhofes Gütersloh. Und: Der Faktor neun ist selbst für Bahnverhältnisse ungewöhnlich. Statt der geplanten 10,23 Millionen Euro soll der Ausbau nun, Zitat, &bdquo;circa 94,854 Millionen Euro“ kosten. Außerdem rückt der Ausbau derart in die Ferne, dass sich die Bahn außerstande sieht, überhaupt noch ein Zieldatum zu nennen. Es waren zwei Vertreter der DB InfraGo, die diesen Zwischenstand verkündeten. Sie kamen aus Duisburg angereist und hatten einen schweren Stand. Ihre Aufgabe: Den Ratsfraktionen im Mobilitätsausschuss zu erklären, dass aus all den schönen Sachen, die die Bahn 2019 unter der Überschrift &bdquo;Robustes Netz“ vorgestellt hatte, vorerst nichts wird: keine zusätzlichen Bahnsteige, weder in Gütersloh noch in Isselhorst-Avenwedde, keine schicken neuen Zugänge, keine neuen Weichen, keine Beschleunigung durch ein Aufteilen der Gleise auf schnellen Fern- und langsamem Nahverkehr, nichts von alledem. Der Tunneldurchstich zum Langen Weg, der weitere &bdquo;circa 20,2 Millionen Euro“ kosten würde, hatte sich schon zuvor erledigt. Den Fraktionssprechern fiel schwer, auf diese Nachrichten anders als mit Zynismus zu reagieren. &bdquo;Was soll man dazu noch sagen?“, meinte CDU-Sprecher Niklas Reimer. &bdquo;Wahrscheinlich ist es das Beste, erst in ein paar Jahren oder Jahrzehnten wieder über dieses Thema zu sprechen.“ Alles andere sei unrealistisch. Lesen Sie auch: Umbau des Gütersloher Hauptbahnhofs – Stadt legt Millionenprojekt vorerst auf Eis Ursprünglicher Zeitplan sah Fertigstellung 2029 vor Der ursprüngliche Zeitplan hatte vorgesehen, 2029 mit allem durch zu sein. Das &bdquo;Robuste Netz NRW“, das die Verkehsplaner der Bahn vor einigen Jahren ausgerufen hatten, bezeichnet das Ziel, die Züge verspätungsresistenter, &bdquo;robuster“, zu machen. 16 Maßnahmen stehen landesweit auf dieser Liste, Gütersloh - neben Hamm ein Nadelöhr - gilt als eines der Schlüsselprojekte. Doch dieser Zeitplan sei nun in Gütersloh &bdquo;erheblich ins Stocken geraten“, gestand Projektleiter Jens Gulich, einer der beiden InfraGo-Vertreter. Grund sei der hohe Kostenanstieg. Es müsse neu überlegt, mit den Fördergebern neu verhandelt werden. Eine Prognose traue er sich aktuell nicht zu. Das neue Zieldatum stehe in den Sternen. Dass die Maßnahme so viel teurer wird, sei nicht abzusehen gewesen, sagte Gulich. Daran sei nicht der geplante dritte, zusätzliche Mittelbahnsteig schuld – obwohl der zur Folge hätte, dass ab Gleis sieben alle Gleise verschwenkt werden müssten. Bei der Vorplanung habe sich vielmehr herausgestellt, dass die Oberleitungen im Gütersloher Bahnhof sehr alt seien, offenbar aus den 1960er-, 1970er-Jahren. Gravierende Folgen für weiteren Bahnhof Gulich: &bdquo;Wir müssen deswegen die komplette Anlage erneuern.“ Das sei teuer. Man stelle sich das so vor: Packe man nur eine Oberleitung an, sei das wie ein Domino-Effekt: Am Ende müsse alles raus. Erneuern will die InfraGo auch die Leit- und Sicherungstechnik und die Anlage für Telekommunikation. Auf Nachfrage von Niklas Reimer ergänzte Gulich, der Bahnhofsausbau – wenn er denn irgendwann kommt - wirke sich während der Bauzeit massiv auf den Fahrplan aus. &bdquo;Wir werden den Bahnhof halb sperren müssen“, so Gulich. Wie lange? Unklar. Wenn es an die Oberleitungen geht, komme es noch dicker. &bdquo;Dann hilft nur eine Vollsperrung. Es wird mehrere Monate definitiv kein Zugverkehr stattfinden können.“ Die Verzögerung beim Hauptbahnhof ist auch für die Haltestelle Isselhorst-Avenwedde folgenschwer. &bdquo;Wenn, dann machen wir alles zusammen“, sagte Gulich. Diese Bündelung sei sinnvoll und inzwischen ja auch generelle Bahnstrategie. Sein Kollege Jörn Schniederken brachte ein Trostpflaster mit. Der triste Zugang in Isselhorst-Avenwedde werde noch dieses Jahr verschönert. Schniederken zeigte einen &bdquo;Design-Entwurf“ mit großen bunten Graffiti-Bildern. In Gütersloh herrscht großer Frust Grünen-Sprecher Ingold Klee konnte es kaum fassen: &bdquo;Das Letzte, was Isselhorst-Avenwedde braucht, sind bunte Wände.“ Was sei mit den versprochenen Aufzügen, was mit den Fahrradstellplätzen, was mit Interimslösungen? Weder Schniederken noch Gulich wussten darauf Antwort. Reimer kündigte an, für Isselhorst-Avenwedde den Entwurf für Fahrradstellplätze wieder aus der Mottenkiste zu holen. &bdquo;Wir können dort nicht bis zum Sanktnimmerleinstag warten.“ Lesen Sie auch: Bahnhofstunnel in Gütersloh fertig - dritter Bahnsteig geplant Die Einführung des Deutschlandtaktes strebe die Bahn für 2070 an, und wer wisse, wie lange es in Gütersloh noch dauere, orakelte Reimer. Für den städtischen Verkehrsplaner Gregor Küpper ist seit Donnerstagabend klar: &bdquo;Wir reden hier nicht über Jahre, sondern Jahrzehnte.“ Für den Besuch aus Duisburg war der Auftritt in Gütersloh in einer Hinsicht dennoch fruchtbar. Den Begriff von Küpper, &bdquo;in die Zeit gestellt“, den hätten sie noch nie gehört. &bdquo;Diese Formulierung nehme ich gerne mal mit“, sagte Schniederken.

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