Garten-Paradies in Gütersloh: Familien, Rentner und Co. bei einzigartigem Projekt dabei

Gütersloh. Ungefähr 17 Millionen Gärten gibt es in Deutschland. Sie machen zwei Prozent der Landesfläche aus. Was für ein ökologisches Potenzial! Doch wie hebt man es? Wie bekommt man die Privatgärten artenreicher? Wie schafft man es, bei Gartenbesitzern die Lust auf mehr Artenvielfalt zu wecken? Mit diesen Fragen hat sich drei Jahre lang sehr intensiv die Stadt Gütersloh beschäftigt. Sie war eine von nur zwei Kommunen, die an einem bundesweiten Forschungsprojekt teilnahmen. Nun liegt das Ergebnis vor. Es besagt: Jeder kann was tun. Aber: Bloß nicht überfordern! Wer meint, jeden Privatgartenbesitzer zu einem Naturreich drängen zu wollen, wird scheitern. Denn: So viel Zeit, so viel Wissen und so viel Enthusiasmus bringen die wenigsten auf. Dritte Erkenntnis also: Man muss den jeweiligen Gartenbesitzer-Typen gerecht werden. Vor allem jenen, die durchaus empfänglich für mehr Artenvielfalt sind, die aber Aufwand scheuen. Das Gütersloher Projekt entwickelte auch für diesen Typen – der den weitaus größten Teil der Bevölkerung ausmacht – eine Herangehensweise. Und Vorschläge. 1,4 Millionen Euro für das besondere Projekt &bdquo;Dass man nicht alle über einen Kamm scheren darf, ist uns schnell klar geworden“, sagt Beate Kuhlmann. Sie ist mit Gisela Gahlmann jene, die das Projekt betreut hat. In Absprache mit den Beteiligten entwickelten sie eine Typologie, angefangen von Typ 1, den &bdquo;Stylischen“, bis zu Typ 4, den Fast-schon-Naturgärtnern. Sie setzen einen öffentlichen Aufruf ab, um Gütersloher Gartenbesitzer zu finden, die bereit waren mitzumachen. Am Ende wählten sie elf aus, verteilt auf die vier Gruppen. Gerne hätten sie noch einen fünften Typ dabei gehabt, den des Häuslebauers (Typ &bdquo;schnelle Lösung für die kostengünstige Gartennutzung“). Doch obwohl sie in Baugebiete gingen, offensiv warben, fand sich dafür niemand. Lesen Sie auch: Plötzliche Wende: Stadt Gütersloh darf Verbot für Gartenbesitzer doch nicht verhängen Unterfüttert war das Projekt mit 1,4 Millionen Euro des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Ein Teil davon entfiel auf die beiden Kommunen, etwa für Personalkosten. Der Rest ging an ein Forschungsinstitut, zwei Universitäten (Jena und Berlin) und Naturschutzverbände. Als zweiten Ort neben Gütersloh hatte der Bund eine sehr kleine Gemeinde ausgewählt: Aumühle in Schleswig-Holstein mit 3.000 Einwohnern. Gütersloh wird zum Reallabor Das Projekt erhielt den Namen &bdquo;Gartenreich“, geleitet vom Institut für ökologische Wirtschaftsförderung in Berlin. Dessen Projektleiterin war auf Gütersloh aufmerksam geworden, weil die Stadt, konkret: der Fachbereich Umwelt, jedes Jahr ein Programm zur Steigerung der Biodiversität auflegt und einen Fokus auf das Thema &bdquo;Lebendige Gärten“ richtet – beides geeignet, um daran anzuknüpfen. Gütersloh wurde zum Reallabor. Kuhlmann und Gahlmann setzten sich mit den elf Gartenbesitzern zusammen, fühlten vor, sahen sich die Gärten an, entwickelten Vorschläge. Wie sind die Bedingungen, was passt wohin? Vor allem aber: Was passt zu den jeweiligen Leuten? &bdquo;In Berlin hatten sie gedacht, man könne für alle ein gemeinschaftliches Modell entwickeln. Davon haben wir sie schnell abgebracht. Die Idee, hier ist ein Leitfaden, nun macht mal, ist der falsche Weg. Wirksamer ist es, zu typisieren und auf die jeweiligen Bedingungen einzugehen“, sagt Kuhlmann. Lesen Sie auch: Gütersloher trotzt Schottergärten mit diesem besonderen Garten-Paradies Gütersloher Familien, Rentner und Vollzeit-Berufstätige dabei Unter den Projektbeteiligten waren Familien, Rentner, Vollzeit-Berufstätige – auch in dieser Hinsicht waren Gahlmann und Kuhlmann auf Streuung bedacht. Manche hatten Vorkenntnisse, andere kaum. &bdquo;Zu klären war auch die Frage: Wohin will man?“, sagt Gahlmann. Innerhalb des Projektes war alles finanziert, doch welche Mittel möchte der Gartenbesitzer künftig einsetzen? Eine wesentliche Frage beschäftigte sich auch damit, in welcher Weise Privatleute mit öffentlichen Programmen zu erreichen sind. Kommen die Tipps und Hilfestellungen der Kommunen an? Wird das Angebot der Umweltberater besser angenommen, wenn man es anders vermittelt, es anders bewirbt? In Teilen setzte das Projekt auch bei diesem Aspekt an. Es analysierte aus sozialwissenschaftlicher Perspektive jene Faktoren, über die Kommunen oder Umweltverbände Einfluss nehmen können, ohne dass sich Gartenbesitzer irgendwie bedrängt fühlen könnte. Ergebnisse aus Gütersloh deutschlandweit präsentiert Deren Sorge ist ja ohnehin oft eine gänzliche andere. Sieht mein schicker Garten anschließend wie Kraut und Rüben aus, und was denken die Nachbarn? &bdquo;Diese Sorgen können wir nehmen. Auch ein naturnaher Garten kann schön sein“, sagt Gahlmann. &bdquo;Die Erfahrungen, die wir in Gütersloh gemacht haben, zeigen, dass kleine Veränderungen schon viel bewirken. Oft machen sie Lust auf mehr, aber da landen wir schnell wieder bei der Typenfrage.“ Die in Gütersloh und Aumühle erzielten Erkenntnisse wurden mittlerweile bundesweit präsentiert. Sie finden Eingang in Publikationen und auf Internetseiten, etwa der des Naturschutzbundes. Sie finden sich wieder in einem Handlungsleitfaden, den Kommunen an Gartenbesitzer oder Wohnungsbaugenossenschaften weitergeben können. Für die beiden Gütersloher Umweltberaterinnen ist das ein ungeheurer Erfolg, der eine besondere Würze erfährt, weil er zugleich einen Höhepunkt und den Abschluss ihres Berufslebens markiert. Gisela Kuhlmann (66) geht am 1. April in den Ruhestand, Beate Gahlmann (63) am 1. Juli.

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