Gütersloher Weberei vor Scherbenhaufen: Hat das Wahrzeichen noch eine Chance?

Gütersloh. Es war etwas kühl im kleinen Saal der Stadthalle. Vielleicht war das der Grund, warum Kulturdezernent Andreas Kimpel Jacke und Schal anbehielt. Er war Gast seiner eigenen Veranstaltung und wusste freilich nicht, was ihm blühte. Und so erklärte die eigens engagierte Moderatorin Julia Ures auf der Bühne auch erst einmal die Benimmregeln: &bdquo;Dies ist hier kein Ort für Vergangenheitsbewältigung, es soll konstruktiv nach vorne gehen.“ Beleidigungen gegen Personen möge man bitte unterlassen. Der Fachbereich Kultur hatte eingeladen zu einem Workshop zur Neuausrichtung des soziokulturellen Zentrums &bdquo;Die Weberei“. Drei Stunden waren angesetzt, um Ideen und Perspektiven zu hören von Menschen, die Interesse an der Einrichtung haben. Dass es so viele sein würden, dass der Saal randvoll würde, damit hatte man nicht gerechnet. Je voller, desto explosiver, denn dass die Weberei ein emotionales Ding ist, ist allen bewusst. Auch der lokalen Politik, die in nicht geringer Anzahl vertreten war. Lesen Sie auch: Gütersloher Weberei-Chef rechnet ab: Warum die Kündigung unumgänglich war 2026 soll die Weberei für ein Jahr schließen Steffen Böning, Betreiber der Weberei und Geschäftsführer der &bdquo;Bürgerkiez gGmbH“ fehlte. Die Differenzen mit der Stadtverwaltung sind hinreichend bekannt. Nach mehr als zehn Jahren hat der Betreiber gekündigt, Ende des Jahres soll Schluss sein. Dringend notwendige Renovierungsarbeiten, Planung der Bauarbeiten, finanzielle Ausstattung hatten zum Bruch geführt. Das Mitmenschliche am Ende wohl auch. Dezernent und Betreiber gehen sich inzwischen lieber aus dem Weg. 2026 soll die Weberei wegen Umbau für ein Jahr geschlossen werden. Die Stadt will die Verpachtung des Gebäudes neu ausschreiben. Und dann? Diese Frage muss geklärt werden. Rund 100 soziokulturelle Zentren sind in NRW gelistet. &bdquo;Wir hatten immer schon Probleme, diesen Begriff konkret zu definieren. Sozio heißt nicht sozial, sozio bedeutet Gesellschaft“, sagte Christiane Busmann. Mehr als 30 Jahre hat sie als Geschäftsführerin die &bdquo;Schuhfabrik“ in Ahlen geleitet, bevor sie im Mai 2024 in Ruhestand ging. Die gebürtige Harsewinklerin war geladen, um einen Impulsvortrag zu halten, um zu berichten, wie es in einem anderen soziokulturellen Zentrum im ländlichen Raum zugeht. Zu hohe Gastro-Preise in der Weberei &bdquo;Wir haben die Gastronomie niemals in den 40 Jahren seit Gründung der Schuhfabrik verpachtet“, erklärte Busmann, &bdquo;Die Herausforderung, die Gastronomie als Betreiber zu bespielen ist hoch, aber wichtig.“ Busmann trifft damit einen wunden Punkt in der Weberei-Diskussion. Die Gastro-Preise sind aktuell hoch, vielleicht zu hoch, weil sie zur Querfinanzierung der Kulturangebote dienen. Glücklich sind damit weder Betreiber noch Gäste. &bdquo;Das Zusammenspiel zwischen Stadt und Zentrum ist wesentlich für ein solches Zentrum“, so Christiane Busmann. Auch müsse die Stadt vor einer erneuten Ausschreibung der Weberei für sich die Frage klären, was sie denn einem möglichen Pächter zu bieten habe. &bdquo;Ich rate zum Konsent.“ Kein Druckfehler, sondern das Gegenteil von Konsens: &bdquo;Wenn keiner mehr einen schwerwiegenden Einwand hat, dann machen und ausprobieren!“ Drei Workshops wurden am Mittwoch angeboten. Die Anwesenden konnten sich aussuchen, ob sie Ideen einbringen wollen zum zukünftigen Programm der Weberei, zu Teilhabe und Integration oder zur Finanzierung. Genossenschaft als mögliches Zukunftsmodell Die Ergebnisse wurden anschließend in großer Runde präsentiert. &bdquo;Es war schön, zu sehen, wie Menschen hier heute Abend schon miteinander diskutiert haben“, sagte Mariella Gronenthal, die den Programmworkshop anleitete. Zugleich zog sie das Fazit: &bdquo;Jegliche Ideen lassen sich nur schwer von der Finanzierung trennen.“ So lief am Ende alles zu auf Workshop Nummer drei: &bdquo;Finanzierung, Organisation und Trägerschaft“. Auch hier wurde eifrig diskutiert. Die Genossenschaft als ein mögliches Zukunftsmodell für die Weberei rückte in den Fokus. Ein Mitglied der Genossenschaft &bdquo;Kloster Wiedenbrück“ saß unter den Teilnehmern und berichtete über positive Erfahrungen. Nach dem Auszug der Franziskanermönche vor fünf Jahren wurde die Genossenschaft von engagierten Bürgern gegründet. Heute gilt sie als Leuchtturm im Kreis Gütersloh. Aber lässt sich das Klosterprojekt wirklich auf die Weberei übertragen? Weberei ist nicht mehr mit den Güterslohern verknüpft &bdquo;Das Problem, das die Weberei heute hat: Sie ist überhaupt nicht mehr verknüpft mit den Bürgern“, sagte Joachim Hollatz vom Verein Weberei. &bdquo;Entscheidend ist, dass wir Transparenz hinbekommen.“ Daran mangele es reihum, so Hollatz, und das ziehe sich durch bis in die Verwaltung. &bdquo;Genossenschaft oder Trägerverein ist doch völlig egal. Wir wissen bis heute nicht, wo das Geld bleibt.“ Lesen Sie auch: Gütersloher Weberei-Betreiber kündigen Mietvertrag - so reagiert die Stadt Vielleicht wurde ausgesprochen, was endlich auf den Tisch gehört, was schon lange in der Luft herumschwirrt. &bdquo;Das Hauptthema der Weberei ist Identität. Die ist verloren gegangen“, so eine Workshop-Teilnehmerin. &bdquo;Viele Gütersloher werden sich fragen, warum trägt sich die Weberei nicht, obwohl so viele Veranstaltungen dort stattfinden.“ Ein anderer Teilnehmer wurde ebenfalls deutlich: &bdquo;Die zentrale Frage lautet: Was will man mit der Weberei erreichen?“, soll sie ein schöner Gastronomie-Ort an der Dalke sein, soll sie Veranstaltungsort sein, soll sie Bürgerzentrum sein? &bdquo;Das muss man wissen, bevor man die Trägerschaft klärt.“ Finanzierung der Weberei muss geklärt werden So sieht das auch der Weberei-Verein. Man habe auf die Stadtverwaltung eingewirkt, Antworten zu finden, bevor eine neuerliche Ausschreibung erfolge. &bdquo;Die Stadt sieht das etwas naiv“, meinte Joachim Hollatz, &bdquo;man kann die Weberei nicht einfach ein Jahr schließen. Ein Kulturprogramm hat monatelangen Vorlauf. Ein neuer Betreiber stünde vor dem Nichts.“ Dazu komme, dass das Inventar dem jetzigen Betreiber gehöre. Stühle, Musikanlage und vieles mehr würden wohl investiert werden müssen. Ergo: &bdquo;Wir müssen darüber sprechen, wie die Weberei künftig finanziert wird.“ Der Weberei-Verein fühlt sich auf den Plan gerufen, will sich einmischen, weil es um die Existenz des Zentrums geht. Ein Treffen ist für den 3. Februar um 19 Uhr im &bdquo;Klassenzimmer“ der Weberei angesetzt. Es gilt eine herzliche Einladung an alle Interessierten, die jetzt mitmachen wollen. In den vergangenen Jahren war es ruhig geworden um den Verein. &bdquo;Weil wir nicht mehr wussten, ob man uns braucht“, formulierte Hollatz wohlwollend. Die Benimm-Regeln wurden durchgehend eingehalten, die Kritik war dennoch unüberhörbar. Und so nahm Kulturdezernent Andreas Kimpel kurz vor Ende das Mikrofon in die Hand, um seine Sicht auf die Dinge zu erklären: &bdquo;Die Fördersumme und alles andere muss man neu denken.“ Die Akquise von Drittmitteln sei in den letzten Jahren vernachlässigt worden. Gebäude gilt als schwer sanierungsbedürftig Sein Wunsch? &bdquo;Die Weberei auch als Experimentierraum zu sehen, wo die Stadt etwas weniger Kontrolle ausübt und mal nicht so genau hinsieht.“ Ja, es sei in den vergangenen 20 Jahren seiner Amtszeit nicht immer alles glatt gelaufen. &bdquo;Die Weberei hat schon einige Träger-Erfahrungen gemacht.“ Die Stadtverwaltung auch. Letztlich, so Kimpel, gab es immer finanzielle Schwierigkeiten. Die wird es auch weiterhin geben. Während die Weberei in 2026 voraussichtlich schließt, wird Andreas Kimpel in Pension gehen. Das gesamte Gebäude gilt als schwer sanierungsbedürftig, die Rede ist von mehreren Millionen Euro, die jetzt neben der geplanten Küchen-Renovierung investiert werden müssten. Die Mittel sind nicht da. Ein Investor auch nicht. Lesen Sie auch: Gütersloh in dramatischer Finanzkrise: Drastische Einsparungen bei beliebten Events Die Stadt Gütersloh steckt tief in der Finanzkrise und mit ihr das Gütersloher Wahrzeichen &bdquo;Weberei“. Die Verantwortlichen versuchten sich am Mittwoch dennoch in Optimismus. Bürgermeister Matthias Trepper (&bdquo;Es kommen viele Erinnerungen hoch an so einem Abend.“) versicherte den Anwesenden im Saal: &bdquo;Ich will das Ding richtig nach vorne bringen!“ Kulturdezernent Kimpel schloss mit den Worten: &bdquo;Das muss weitergehen! Das kann hier heute nur der Anfang sein.“

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