Gütersloher Großfamilie droht die Obdachlosigkeit und damit weiterer Schicksalsschlag

Gütersloh. Die Nachricht hat Pedro Huelva kalt erwischt. Auf seinem Smartphone ploppt im August die Nachricht von seinem Gütersloher Vermieter auf, dass er das Haus in der Eggestraße verkaufen will. Damit verbunden die Aufforderung an die gesamte Familie Huelva, sie mögen sich schnellstmöglich nach einer neuen Bleibe umschauen. Seitdem herrscht Panik: &bdquo;Was passiert mit uns?“ Die Frage raubt Pedro Huelva den Schlaf. Derweil warten die ersten Besucher auf Einlass. &bdquo;An einem Tag waren es vier Familien, an dem anderen drei“, jedes mal öffnet Pedro Huelva die Haustür und lässt seinen Vermieter mitsamt der Kaufinteressenten durch seine Wohnung streifen und beantwortet Fragen, die die Fremden ihm stellen. Huelva weiß, dass er zunächst noch Kündigungsschutz genießt, sollte das Haus verkauft werden. Aber der ist endlich. &bdquo;Meine größte Angst ist“, sagt der 56-Jährige frei heraus, &bdquo;dass wir in einem Jahr mit den Kindern auf der Straße stehen.“ Die Sorge vor der Obdachlosigkeit, sie scheint berechtigt. Das Jobcenter findet, die Familie könne günstiger wohnen, sagt ihr Anwalt Seit neun Jahren leben Pedro und seine Frau Tanja (48) in dem roten Klinkerbau. Das Haus ist etwa 50 Jahre alt, es gibt eine Ölheizung, einfach verglaste Fenster. Alles ist ein wenig in die Jahre gekommen. 150 Quadratmeter stehen ihnen zur Verfügung, dazu ein großer Garten hinterm Haus. Von den insgesamt neun Kindern wohnen noch Leonie (18), Lisa (17), Chantalle (15), Vivian (14) und Anna (9) mit ihren Eltern unter einem Dach. Auch die beiden Mini-Chihuahua Heidi und Cindy sind fester Bestandteil der Familie. &bdquo;Wir zahlen 1.050 Euro Miete jeden Monat“, erklärt Pedro Huelva, dazu kämen noch die Nebenkosten. Lesen Sie auch: Schickalsschläge bei Familie Huelva: Wenn Wünsche nicht in Erfüllung gehen Nicht nur der Vermieter fordert die große Familie auf, das Haus zu verlassen, auch das Jobcenter möchte, dass sie ausziehen. Weil Pedro Huelva seit sechs Jahren volle Erwerbslosenrente bezieht, springt der Staat für die Mietzahlung ein. &bdquo;Das Jobcenter behauptet, die Familie könnte woanders günstiger wohnen, deshalb soll sie ausziehen. Aber wohin?“ Rechtsanwalt Andreas Trylla zuckt die Achseln und findet, dass die Behörde die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt schlicht ausblendet. Wohnungsanzeigen sind ein Schock für den Familienvater Vor dem Sozialgericht hat er Huelva im August vertreten und Recht zugesprochen bekommen. &bdquo;Natürlich sind die Kosten für Sozialwohnungen wesentlich geringer, weil sie anders gefördert wurden. Aber wenn keine zur Verfügung stehen, ist man auf den freien Wohnungsmarkt angewiesen. Und dass man dort mit den vom Jobcenter angesetzten Preisen heute nichts mehr bekommt, ist sonnenklar.“ Trylla schätzt, sollte das Haus an der Eggestraße verkauft und saniert werden, würde der nächste Mieter wohl demnächst auch 1.500 Euro Kaltmiete zahlen müssen. Auf der Plattform Kleinanzeigen hat Pedro Huelva vor einigen Tagen ein interessantes Mietobjekt in Gütersloh gefunden. &bdquo;1.700 Euro kalt! Ich habe keine Luft mehr bekommen, als ich das gesehen habe. Wer kann das denn bezahlen?“ Familie Huelva auf keinen Fall. Die regelmäßige Nachfrage bei der Wohnungsvermittlung der Stadtverwaltung Gütersloh scheint aussichtslos. Mehrere Psychologen haben dringend zum Auszug der Familie geraten &bdquo;Aktuell haben wir 223 Familien ab fünf Personen hier bei der Stadt wohnungssuchend registriert und 32 Familien ab fünf Personen, die wegen Kündigung des Vermieters eine angemessene Wohnung suchen“, erklärt Baudezernent Albrecht Pförtner. Das Problem der Familie Huelva ist demnach kein Einzelschicksal, sondern die Regel. &bdquo;Es stehen zu wenig große Wohnungen und Häuser zur Vermietung an.“ Auf die Frage, welche Dringlichkeit vorliegen muss, damit eine Familie in der Priorität nach oben rutscht und auf Hilfe hoffen darf, antwortet Pförtner: &bdquo;Wir haben viele dringliche Fälle. Es gilt immer eine Betrachtung des Einzelfalles.“ Seit mehreren Jahren schon steht Pedro Huelva auf der Liste der Wohnungssuchenden. Nicht nur der Vermieter und das Jobcenter möchten, dass die Familie das Haus verlässt, auch mehrere Psychologen haben dringend dazu geraten. Es liegen sogar Gutachten vor. Die Erinnerung an den Verlust ist für die Familie omnipräsent Am 30. September 2015 - ein halbes Jahr nach Einzug - ist Vivians Zwillingsschwester Josefine (5) durch einen Autounfall direkt vor der Haustür tödlich verunglückt. &bdquo;Sie ist in meinen Armen gestorben“, sagt der Vater. Mutter Tanja ergänzt: &bdquo;Jedes mal, wenn wir zur Haustür hinausgehen, blicken wir auf den Unfallort.“ Das Kinderzimmer wurde inzwischen zweimal renoviert, aber die Erinnerung an den Verlust ist allgegenwärtig. Eine neue Wohnung wäre ein Neuanfang. Auch für Chantalle, die den Unfall ihrer kleinen Schwester damals mitansehen musste. Auch für Vivian, die häufig zum Gartenzaun geht. &bdquo;Sie steht dort minutenlang und weint.“ Sieben Personen, zwei Hunde. Die Suche scheint schier aussichtslos. &bdquo;Neulich“, berichtet Tanja Huelva (48) habe sie mit dem Vermieter einer Wohnung telefoniert. &bdquo;Mit den beiden kleinen Hunden hatte er kein Problem, aber als ich ihm gesagt habe, dass wir fünf Kinder haben, war das Gespräch vorbei.“ Für Leerstand von Objekten in Gütersloh hat der Vater kein Verständnis Das Ehepaar betont gemeinsam: &bdquo;Wir suchen keinen Luxus. Wir suchen eine einfache Wohnung mit vier bis fünf Zimmern.“ Auf einen Garten würde die Familie notfalls verzichten, auch müssen es keine 150 Quadratmeter mehr sein, &bdquo;wir sind ja nicht bei Wünsch-dir-was“, sagt Pedro Huelva. Weil ihre Tochter auf dem Friedhof in der Nähe begraben liegt, würde das Ehepaar am liebsten in Spexard eine neue Wohnung beziehen. Utopisch wirkt dieser einfache Wunsch, das weiß auch Mutter Tanja, und sie schiebt leise nach: &bdquo;Aber bevor das alles nicht klappt, wäre auch Rietberg, Verl oder Harsewinkel okay.“ Ein Schulwechsel wäre für die Kinder damit nicht verbunden, da sie weiterhin zur Michaelisschule gehen würden. Dass trotz Wohnungsnot in Gütersloh zahlreiche Objekte leer stehen, dafür hat Pedro Huelva kein Verständnis. &bdquo;Ich weiß, dass Wohnungen für Flüchtlinge benötigt werden, aber warum stehen die Häuser in der Englischen Straße leer?“ Lesen Sie auch: Feuer vernichtet Gütersloher Zuhause – Familie bittet dringend um Hilfe Die Antwort lässt alle Beteiligten gleichermaßen ratlos zurück: &bdquo;Wir haben auf die Immobilien keinerlei Zugriff. Sie gehören der Bundesrepublik“, erklärt Albrecht Pförtner. Familie Huelva wird weitersuchen, aufgeben ist keine Option. &bdquo;Wir haben in den vergangenen Jahren mehrere Schicksalsschläge verkraften müssen“, sagt Pedro Huelva, &bdquo;vielleicht haben wir ja zur Abwechslung auch mal Glück und finden ein neues Zuhause.“ (Nachrichten an Familie Huelva bitte an: guetersloh@nw.de)

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