Telefonat mit Minister

Neue Wende bei umstrittener B64n im Kreis Gütersloh - Bürgermeister völlig überrascht

NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer will die Planfeststellung jetzt anschieben. Bürgerinitiativen reagieren mit Entsetzen auf die jüngsten Entwicklungen.

Die B64, die durch Herzebrock-Clarholz führt, soll durch die geplante Ortsumgehung entlastet werden. Jetzt beginnt die Planfeststellung für das umstrittene Projekt B64n. | © Andreas Frücht

Anja Hustert
24.05.2024 | 24.05.2024, 20:00

Kreis Gütersloh. Manchmal ist die Leitung von Düsseldorf nach Herzebrock-Clarholz lang. Vor einem Jahr beklagte Bürgermeister Marco Diethelm (CDU), dass er zum Bau der B64n keinerlei Auskünfte bekomme. Jetzt rief Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) ihn direkt an.

„Er hat mir gesagt, dass er die Entscheidung getroffen habe, mit der Trasse in die Planfeststellung zu gehen“, informierte Diethelm am Mittwochabend seine Ratsfraktionen. Das Planfeststellungsverfahren für die Ortsumgehung der B64 solle in Kürze eröffnet werden.

Auf Nachfrage teilt der Landesbetrieb Straßenbau mit, dass am Freitag, 24. Mai, die gesamten Plan- und Fachunterlagen zum Planfeststellungsverfahren der B64 Ortsumgehung Herzebrock-Clarholz zur Bezirksregierung Detmold gebracht würden. Damit hätten alle Bürger die Möglichkeit, Einsicht in die Pläne zu nehmen und dazu Stellung zu nehmen.

Newsletter
Aus dem Kreis Gütersloh
Wöchentliche News direkt aus der Redaktion Gütersloh.

„Bin überrascht, dass es so schnell geht“, sagt Bürgermeister Marco Diethelm

Aus Detmold hießt es dazu: „Die Bezirksregierung wird die Unterlagen dann sichten und bei Vollständigkeit das Beteiligungsverfahren beginnen. Wann genau dies der Fall sein wird, kann erst nach Sichtung der Unterlagen gesagt werden.“

„Ich bin überrascht, dass es jetzt auf einmal so schnell geht“, sagt Marco Diethelm, der am 13. Mai mit Krischer telefoniert hatte. Zuletzt hatte es seitens des Landesstraßenbau-Betriebes immer geheißen, man wolle sich auf Erhaltungsmaßnahmen und den Radwegeausbau konzentrieren. Die Ressourcen seien begrenzt.

Die B 64 n in Herzebrock-Clarholz steht gemeinsam mit den Umgehungsstraßen für Warendorf und Beelen und dem vierspurigen B 51-Ausbau zwischen Münster-Handorf und Telgte als „Ostmünsterland-Verbindung“ seit 2016 im Bundesverkehrswegeplan. Nach und nach haben einige Räte entlang der Strecke gegen den Ausbau gestimmt – Beelen 2017, Telgte und Münster 2020, Warendorf 2021.

Veränderungen der Trasse seien noch möglich, sagt Minister Krischer

Für Herzebrock-Clarholz gilt - allen politischen Diskussionen auch in jüngster Zeit zum Trotz - ein Ratsbeschluss von 2017 für die Umgehungsstraße. „Die Planfeststellung für Beelen, Warendorf und Telgte wird jetzt ebenfalls eingeleitet“, berichtet Diethelm von dem Telefonat mit dem Verkehrsminister.

Die Planfeststellungsunterlagen seien vollständig vorhanden, habe der Minister zu ihm gesagt. „Es wäre nur schön, wenn wir diese Unterlagen auch einmal bekommen könnten“, so Diethelm. Denn im bisherigen Verfahren habe es einige Anmerkungen der Verwaltung gegeben - ob diese in den jetzigen Planentwurf Eingang gefunden hätten, sei in Herzebrock-Clarholz bisher nicht bekannt.

Der NRW-Verkehrsminister habe in dem Gespräch aber auch betont, dass alle Pro und Contras im Prozess jetzt noch einmal abgewogen werden könnten und auch noch Veränderungen an der Trasse möglich seien.

NRW-Verkehrsminister verweist auf entsprechende Vorgaben vom Bund

„Ich finde erst einmal positiv, dass jetzt Bewegung in die Sache kommt“, so Marco Diethelm. Denn bei vielen Projekten in der Gemeinde, die an der Umgehungsstraße hängen, herrsche Stillstand.

„Wir haben sogar Anfang des Jahres eine Liste mit Projekten, die durch die Unsicherheit rund um die B64n aufgehalten werden, nach Düsseldorf kommuniziert“, berichtet er. Eine Reaktion aus der Landeshauptstadt habe er daraufhin nicht bekommen.

Oliver Krischer, bevor er NRW-Minister wurde ein erklärter Gegner der B 64n, äußert sich gegenüber der „NW“ so: „Seit vielen Jahren gibt es in Herzebrock-Clarholz und der Region kontroverse Diskussionen über Notwendigkeit, aber auch die Dimension der geplanten B64n. Das Land NRW ist wie bei anderen Bundesstraßen an gesetzliche Vorgaben des Bundes und Weisungen des Bundesverkehrsministeriums gebunden. Der gültige Bundesverkehrswegeplan sieht den Ausbau weiterhin vor. Eine Überprüfung der darin enthaltenen Projekte durch den Bundestag ist bisher - anders als im Koalitionsvertrag der Ampel festgelegt - nicht erfolgt. Daher wird die Planung fortgesetzt und im Abschnitt Herzebrock/Clarholz als nächster Schritt das anstehende Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Bei diesem Verfahrensschritt haben die Menschen der Region nunmehr die Möglichkeit, ihre Vorstellungen zu dem Projekt einzubringen. Das gilt ausdrücklich auch für die Dimensionierung der Trasse.“

Bürgerinitiativen sprechen von „politischer Machtdemonstration“

„Das ist eine unfassbare Meldung“, kommentieren die Sprecher des Vereins „Kulturlandschaft Sundern-Samtholz-Brock“, Elisabeth Meier und Arnold Greifenberg, die beginnende Planfeststellung. Gemeinsam mit drei anderen Initiativen aus dem Münsterland kämpfen sie gegen das Straßenbauprojekt.

„Viele von uns glaubten, dass diese uralten Planungen überhaupt nicht mehr durchgeführt würden.“ Nun sei wohl eine direkte Order aus Berlin von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) an den NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) und seinen Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) gegangen, das Straßenbauprojekt voranzutreiben.

„Das ist eine politische Machtdemonstration - aller Kritik zum Trotz komplett an den Bürgern, den Fakten und der Vernunft vorbei“, heißt es in einer Mitteilung der Gemeinschaft „G 4“ der Bürgerinitiativen. Das Verkehrsaufkommen auf der B 64 sei seit Jahrzehnten nachweislich rückläufig.

Gegner der B64n kündigen weiterhin Widerstand an

„Die geplanten Kosten haben sich mittlerweile fast verdreifacht. Die geplante Dimension der B 64n wird von den Stadt- und Gemeinderäten von Münster bis Beelen abgelehnt. Der immense Flächenverbrauch schwächt die für die Region wichtige Landwirtschaft auf existenzgefährdende Weise. Die Forderung ,Erhalt vor Neubau’ wird genauso ignoriert wie die Alternativvorschläge der vergangenen Jahre“, so der Verein Kulturlandschaft.

Die Ignoranz gegenüber dem Bürgerwillen und den Beschlüssen gewählter Stadträte fördere die Politikverdrossenheit und sei Wasser auf die Mühlen extremer beziehungsweise extremistischer Parteien.

„Wir werden wie bisher die Finger in die Wunde legen um die Sinnlosigkeit der B 64n-Planungen aufzuzeigen und den Widerstand erhöhen“, kündigten die Bürgerinitiativen der G4 an. Wenn es jemals Gründe für die B 64n-Planungen gegeben habe, so seien diese heute nicht mehr zu rechtfertigen, meinen sie.