Mit vielen Fotos: Exklusive Einblicke in Gütersloher Riesen-Provisorium

Gütersloh. &bdquo;Ich hatte keine Erwartungen“, sagt Carlo aus der 9d. &bdquo;Ehrlich gesagt konnte ich mir gar nicht vorstellen, wie unsere Schule in einem Container funktioniert.“ Der 15-Jährige schlendert mit einer Gruppe Mitschüler durch das Evangelisch Stiftische Gymnasium (ESG), das seit dem Beginn des Schuljahres 2023/2024 eine Container-Schule ist. Er erklärt, was ihm gefällt an den neuen Räumen – und was nicht: &bdquo;Die Flure sind ganz schön eng. Vor allem in den Pausen ist es hier super voll und super laut.“ Seit nunmehr neun Monaten ist für die 1.100 Schüler und 88 Lehrer der Unterricht in der dreistöckigen Container-Schule an der Daltropstraße. Ein Sommer, ein Winter liegen hinter der Schulgemeinschaft und inzwischen weiß man, was läuft und was nicht. Die Heizung zum Beispiel. Sie lässt sich nicht zentral steuern. &bdquo;Wenn die Heizkörper in den Klassenräumen aufgedreht sind und am Freitag Mittag nicht abgestellt werden, laufen sie das ganze Wochenende durch“, erklärt Schulleiter Martin Fugmann. Auf den Fluren hingegen gibt es keine Heizung. Allergiker haben schlechte Karten Werden die Durchgangstüren in den Pausen geöffnet, fegt der Wind durchs Gebäude. &bdquo;Im Winter hatten wir hier oft nur 3 oder 4 Grad“, so Fugmann. Die Heizkörper sollen in den vergangenen Wochen schon so manchen Schüler inspiriert haben, sich daran auszuprobieren. Unterdessen geben sie deutliche Geräusche von sich, und durch den Lüftungsprozess hätten Allergiker mitunter schlechte Karten. Schülerin Ghazal (15) reagiert auf Pollen und bestätigt das: &bdquo;Die letzten Wochen waren richtig schlimm für mich.“ Lesen Sie auch: Millionen-Projekt in Gütersloh: Startschuss für Riesen-Provisorium Die provisorische Schule besteht wie das Original aus rund 50 Räumen. Schüler, Rektor und Lehrerkollegium nehmen die Zustände hin, auch wenn vieles nicht optimal ist. &bdquo;Es ist ja alles nur vorübergehend. Wir wissen, dass es ein definiertes Ende gibt“, sagt Lehrerin Sonja Rapp. Das Thema Lärm belastet auch ihren Schulalltag. &bdquo;Ich bitte meine Schüler regelmäßig, Rücksicht aufeinander zu nehmen und leiser zu sein.“ Mit mäßigem Erfolg. Das Normale wirkt im Container laut, da kann halt niemand so recht was dafür. &bdquo;Bei unseren Proben ist es manchmal extrem“, erklärt Ben (15) beim Blick in den Musikraum. Er spielt Saxophon und die ESG Bigband übt derzeit unter schwierigen Bedingungen. Es fehlt die Aula oder andere Alternativen. &bdquo;Wir wollen das Provisorium nicht schönreden“, sagt Fugmann, &bdquo;aber wir wollen auch nicht so tun, als ob es eine Katastrophe ist.“ Schrauben und Nägel verboten Die sanitären Anlagen sind viel besser als drüben im Altbau, da sind sich die Schülerinnern und Schüler einig. &bdquo;Hier gibt es auf jeder Etage Toiletten, das hatten wir vorher nicht“, erklärt Ghazal. Auch die Wegeführung durchs Gebäude sei einfacher. &bdquo;Hier liegen alle Jahrgänge beieinander. In der alten Schule war es viel schwieriger, sich zurechtzufinden“, findet Ina aus der 9d. Außerdem seien viele Containerklassen größer als die alten Klassenzimmer. Die Wände sind jetzt magnetisch. Alles, was an die Wand soll, muss entsprechend mit Magneten gesichert werden, Schrauben und Nägel sind verboten. &bdquo;Die Container unterliegen einer Mehrfachnutzung, einige davon sollen früher bei der Polizei im Einsatz gewesen sein.“ Die Schule, so Fugmann, trage die Verantwortung dafür, dass alles heile bleibt. Das soll auch beim Abschlussjahrgang und den diesjährigen Abiturienten möglichst klappen. Andrang bei Schulneuanmeldungen &bdquo;Mein persönlicher Albtraum war, dass wir hier in die Container-Schule einziehen und drüben am Hauptgebäude die Sanierung nicht voran geht.“ Die Angst bei Martin Fugmann ist längst verflogen. Mit großen Schritten geht’s am echten ESG (Baujahr 1851) jeden Tag weiter. Neue Fenster sind bereits eingebaut. Der Baukran kreist unablässig. &bdquo;Einmal im Monat dürfen wir die Baustelle besichtigen“, unlängst sei das Kuratorium vor Ort gewesen, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Alle zwei Wochen berät sich Fugmann mit der Bauleitung. Man liegt voll im Plan. &bdquo;Diese Verbindlichkeit ist einer der Schlüssel“, meint der Rektor. Das Vertrauen der Elternschaft sei nicht verloren gegangen. Für das nächste Schuljahr gebe es so viele Anmeldungen für den 5. Jahrgang wie noch nie. &bdquo;ESGreenlunch“ steht auf dem Türschild im Erdgeschoss. Dahinter verbirgt sich eine Neuerung, die in der Container-Schule eingerichtet wurde. Schüler haben einen Schulkiosk gegründet. &bdquo;Hier kann man online belegte Brötchen bestellen und in der Pause abholen“, erklärt Fugmann. Elterntaxis wird es künftig nicht mehr geben Der Pausenhof ist aktuell wohl das Trostloseste, was das Container-ESG zu bieten hat. Aber auch hier gilt: Durchhalten! Wenn im Sommer 2025 das frisch renovierte Gebäude wieder bezogen wird, soll es dort auch eine Aufwertung des Schulhofs geben. &bdquo;Der Lehrerparkplatz am Eingang entfällt“, erklärt Fugmann. Für die Oberstufe soll dort eine Aufenthaltszone mit viel Grün angelegt werden. Die Fläche soll zugleich ein fließender Übergang zur Stadtmitte hin sein. Elterntaxis vor der Tür des ESG wird es künftig nicht mehr geben. &bdquo;An diese Neuerung können sich jetzt schon alle gewöhnen“, die Daltropstraße ist gesperrt für den Autoverkehr. Eigentlich. Fugmann berichtet, dass neulich die Polizei vor Ort gewesen sei und sich gewundert habe, wie viele Eltern die Sperrung schlichtweg ignorieren. Darüber kann der Schulleiter kaum hinwegsehen. &bdquo;Wir hatten hier schon eine Menge unschöne Situationen“, schließlich habe man den gesamten Bauverkehr in der Straße plus Radverkehr. Schüler haben Innenausbau geplant Wie soll der neue ESG-Schulhof aussehen, was kommt in die Aufenthaltsräume, wie kann man hübsche Deko fürs Schulgebäude gestalten? All diese Fragen beschäftigen nicht nur die Schulleitung. &bdquo;Es gab eine Projektwoche in der wir Schüler uns Gedanken über die Gestaltung unserer Schule gemacht haben“, erklärt Jeyshika (15) aus der 9d. Die Ergebnisse wurden den Eltern vorgestellt. &bdquo;Und jetzt hoffen wir, dass möglichst viel davon auch wirklich umgesetzt wird.“ Von Anfang an stand die Frage im Raum, ob man das ESG neu bauen soll. &bdquo;Aber so eine Schule hat eine Seele“, findet Schulleiter Martin Fugmann. &bdquo;Das alte Schulgebäude versprüht einen Charme auch wenn es mit neuen Elementen gemixt ist.“ Die Bausumme insgesamt liegt bei 30,5 Millionen Euro. Jahrelang, so Fugmann, sei er zu Schulbaumessen gefahren, um sich inspirieren zu lassen für die bevorstehende Sanierung. &bdquo;Aber auf den Messen findet man nur noch Container. Die Schullandschaft in Deutschland hat einen gewaltigen Renovierungsstau, dem man vielfach nur noch mit mobilen Lösungen begegnen kann.“ So richtig schrecken kann das den Schulleiter nicht. Fugmann hat viele Jahre im Ausland gearbeitet. &bdquo;In Kalifornien habe ich sechs Jahre lang nur im Container gearbeitet. Da war das normal.“ Im Herbst 2025 soll es ein großes Schulfest geben Die ESG-Abiturienten nutzen an diesem Tag die Aula des Städtischen Gymnasium während der Sportunterricht an der Geschwister Scholl Realschule stattfindet. Die Schulsanierung sorgt dafür, dass die Schulen enger zusammenarbeiten, dass sich Schüler begegnen, die sonst nichts miteinander zu tun hatten. Dennoch: &bdquo;Ich freue mich auf die neue Schule nächstes Jahr“, sagt Ida (13) aus der 7d. Im Herbst 2025 wird es ein Schulfest geben, verspricht Martin Fugmann. Er ist dann 63 Jahre alt. &bdquo;Den Umzug will ich noch machen.“ Und er will noch mehr: &bdquo;Die neue Schule eine ganze Weile genießen. Denn sie wird toll!“

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