Schließung für immer: Die vergessene Schule in Gütersloh

Gütersloh. In drei Jahren wäre sie 100 geworden. Tatsächlich ist die Freiherr-vom-Stein Realschule die älteste Schule des mittleren Bildungswegs in Gütersloh. Ein Festjubiläum wird es nicht mehr geben. Am Mittwoch haben die letzten 40 Schülerinnen und Schüler ihre Abschlusszeugnisse erhalten. Nach den Sommerferien sind in der Stadt Gütersloh nur noch zwei Realschulen geöffnet. Der Startschuss zum Bau der dritten Gesamtschule ist zugleich das Todesurteil für die Schule in der Austernbrede. Die schrittweise Auflösung der Freiherr-vom-Stein-Schule ab dem Schuljahr 2018/19 wird mit dem Neubau verbunden. Die Entscheidung fällt im September 2017 nahezu zeitgleich mit dem Beschluss, dass die Hauptschule Ost im Juli 2022 den Schlüssel endgültig umdreht. Die bedrohte Freiherr-vom-Stein-Schule versucht sich mit vehementer Kritik zu wehren. Sie schlägt vor, einen Hauptschulzweig bei ihr einzurichten – und damit sowohl das eigene Überleben zu sichern als auch weiter einen Hauptschulgang anbieten zu können. Mit einem Hauptschulzweig an einer Realschule werde die Gefahr des Scheiterns lernschwächerer Kinder minimiert. Dazu sei kein Umbau und kein Neubau nötig. Vergeblich. Schule aus dem Gütersloher Bewusstsein verschwunden Leise ist es seither um die Schule geworden. Sehr leise. In der öffentlichen Wahrnehmung findet sie kaum mehr statt, politisch nur noch dann, wenn über die Nachfolgeregelung debattiert wird. Die benachbarte Grundschule Neißeweg soll einziehen. Eine Schulpflegschaft gibt es seit einem Jahr nicht mehr. Pressemeldungen über Schulaktivitäten oder ähnliches? Fehlanzeige. Die Schule ist aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Sie ist die vergessene Schule. Eine Einladung, der Abschlussfeier beizuwohnen und ein letztes offizielles Foto zu machen, spricht Schulleiter Lutz Hamann der Presse nicht aus. Auch steht er für Gespräche zur Schließung der Schule ausdrücklich nicht zur Verfügung. Er sei sehr traurig, dass die Schule zum 31. Juli schließt, heißt es. Für das Kollegium sei die Situation gerade im letzten Jahr sehr herausfordernd gewesen. Zum heutigen Zeitpunkt sei leider bei einzelnen Kollegen noch immer nicht abschließend geklärt, an welcher Schule sie ab August tätig sind. Hamann selbst ist bereits seit einem Jahr in Doppelfunktion und zugleich Rektor der Elly-Heuss-Knapp-Realschule. Seine Kritik gilt der Entwicklung hin zu immer größeren Schulen. In drei Jahren wäre die Freiherr-vom-Stein-Schule 100 geworden Sie werde dazu führen, heißt es, dass ein Teil der Kinder und Jugendlichen abgehängt wird, da sie die persönliche Nähe brauchen. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass die Grundvoraussetzung für erfolgreiches Lernen eine gut funktionierende Beziehung zwischen Lehrkräften und Schüler ist. Der Aufbau einer solchen Beziehung sei in großen Systemen deutlich schwieriger zu realisieren. Wechselhaft ist die Geschichte der Freiherr-vom-Stein-Schule von Anfang an. An den Start geht sie am 1. April 1926 als Einrichtung der &bdquo;evangelischen Knabenmittelschule“ in der Hohenzollernstraße – dort, die heutige Volkshochschule. 1943 wird sie in eine Hauptschule umgewandelt, ehe sie 1951 zur städtischen Schule wird. Ihren heutigen Namen erhält sie 1967 und 1976 wird der erste gemischte Jahrgang aufgenommen. Die Freiherr-vom-Stein-Schule erlebt einen Boom und platzt aus allen Nähen. Die Enge der Räumlichkeiten führt dazu, dass die Schule 1981 an den heutigen Standort &bdquo;Austernbrede 26“ umzieht. Gesamtschulen entscheiden über Schicksal der Realschulen &bdquo;In den 80er Jahren sinkt die Schülerzahl um fast die Hälfte“, dokumentiert der Fachbereich Schule. Als Gründe werden der Umzug in das neue Gebäude genannt, aber auch die Neugründung der Anne-Frank-Gesamtschule. Die Gesamtschulen entscheiden demnach seit vielen Jahren über das Schicksal der Realschulen. &bdquo;Mit der Schließung der Schule geht eine Ära in der Gütersloher Schullandschaft zu Ende und sie ist eine der großen Veränderungen der Bildungsangebote in Gütersloh neben dem Auslaufen der letzten Hauptschule in Gütersloh im letzten Jahr und der Eröffnung der dritten Gesamtschule vor knapp fünf Jahren“, sagt Henning Matthes, Dezernent für Schule und Bildung in Gütersloh. Er dankt dem Team der Freiherr-vom-Stein-Schule am Mittwoch auf der Abschlussfeier für ihren motivierten Einsatz bis zum letzten Schultag. &bdquo;Natürlich ist die Schließung traurig für alle, die mit Herzblut und hohem Engagement in ihrer Freiherr-vom-Stein-Realschule für und mit ihren Schülerinnen und Schülern gearbeitet haben“, so Matthes. Ein bisschen Wut, ein bisschen Frust, ein bisschen Wehmut scheint erlaubt bei denen, die es betrifft. Bei 40 jungen Menschen wird das Herz vielleicht höher schlagen bei dem Gedanken, dass die Freiherr-vom-Stein-Schule jetzt Geschichte ist.

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