Vier alte Bäume radikal abgesägt - Gütersloher wütend auf Deutsche Bahn

Gütersloh. Großer Ärger über ein scheinbar eigenmächtiges Vorgehen der Deutschen Bahn (DB) in Gütersloh: Mutmaßlich im Auftrag des Konzerns hatte ein Gartenbauunternehmen auf einem Grundstück im Norden der Stadt an der Bahnstrecke zwischen Gütersloh und Bielefeld vier Birken derart abgesägt, das am Ende gerade einmal nackte Stümpfe übrig blieben. Das Ganze passierte ohne Vorwarnung. &bdquo;Die Arbeiter sagten, sie seien von der Bahn dazu beauftragt worden. Sie waren einfach über den Zaun auf das Grundstück geklettert und haben losgelegt. Wir wussten von nichts“, beschwert sich Michael Kisse. Der 55-jährige wohnt mit seiner Familie in dem Einfamilienhaus. Schräg gegenüber befindet sich ein markantes Hochregallager von Miele. Der knapp 1.000 Quadratmeter große Garten, an dessen Ende die Bäume stehen, ist durch einen Zaun vom Gleisbett getrennt. Von den mehr als 50 Jahre alten Birken auf ihrer Grundstücksseite stehen jetzt aber nur noch die Stämme. Ein trauriger Anblick. Weder der Mieter noch der Eigentümer des Anwesens seien im Vorfeld informiert worden. Sie warten nun genau wie die &bdquo;Neue Westfälische“ auf eine Stellungnahme der Deutschen Bahn. Gartenbauer klettern über den Zaun in Gütersloh und veranstalten Kahlschlag &bdquo;Das ist schon ein starkes Stück. Eine Katastrophe. Ich bin einfach fassungslos, das so etwas heute noch möglich ist“, sagt Michael Kisse. Seit mehr als 20 Jahren wohnt er mit Ehefrau Astrid, Tochter Lisa und zwei Hunden auf dem 1.750 Quadratmeter großen Grundstück mitten im Gewerbegebiet. Das Elternhaus von Astrid Kisse liegt nur wenige Meter entfernt. &bdquo;Sie ist quasi mit den Bäumen groß geworden. Die stehen schon seit einer Ewigkeit da.“ Bis zum Freitag vergangener Woche plötzlich nur noch ein Bruchteil der Birken übrig ist. Als Astrid Kisse gegen Mittag in den Garten kommt, fällt sie aus allen Wolken. Die böse Überraschung: Mitarbeiter des Gartenbaubetriebs haben ihr Fahrzeug auf dem benachbarten Areal eines Spediteurs geparkt und sich eigenmächtig Zutritt zum komplett eingezäunten Grundstück verschafft. Sie haben ganze Arbeit geleistet, einen Kahlschlag veranstaltet und kleine Berge von Kleinholz direkt vorm Zaun aufgestapelt. Ohne Ankündigung. &bdquo;Sie haben sich noch nicht mal die Mühe gemacht anzuklingeln, sind einfach von der Bahnseite über den Zaun geklettert“, echauffiert sich die 53-Jährige später in einem Beitrag in den Sozialen Netzwerken. Auch der Zaun wird bei dem Vorfall beschädigt. Schockiertes Gütersloher Ehepaar wendet sich an Polizei und Stadt Das Ehepaar ist schockiert, denn die Bäume hätten ja den Bahnbetrieb nicht gefährdet und auch sonst niemanden gestört. Ganz im Gegenteil: Neben ihrem Nutzen für eine intakte Natur hätten die Birken ihnen selbst als Schattenspender und Sichtschutz zum benachbarten Miele-Lager gedient. &bdquo;Außerdem haben sie den Lärm der vorbeifahrenden Züge geschluckt.“ Als die Kisses die Gartenbauer vor Ort auf ihre unangekündigte Aktion ansprechen, erklären die Arbeiter, dass sie im Auftrag der Deutschen Bahn handeln würden. &bdquo;Außerdem haben sie gesagt, dass sie sich auf Bahngelände befänden. Das stimmt aber nicht. Laut unseren Plänen gehört der Teil, auf dem die Bäume stehen, zum Grundstück unseres Vermieters. Es gibt sogar einen Grenzstein“, erklärt Michael Kisse und blickt etwa 300 Meter weiter nördlich. &bdquo;Dort drüben stehen große Tannen. Warum haben sie die stehen lassen, bei uns aber alles abgeholzt?“ In seiner Verzweiflung wendet sich der 55-Jährige einen Tag später zunächst an die Polizei, die ihn jedoch mangel Zuständigkeit an die Stadtverwaltung verweist. Auch beim dortigen Grünflächenamt herrscht Ratlosigkeit, &bdquo;denn die Behörde ist über die Vegetationsmaßnahme offenbar nicht informiert worden“, sagt Michael Kisse. Dass es auch bei seiner Familie und deren Gütersloher Vermieter nicht für nötig gehalten wurden, sie zu vor dem großen Sägen davon in Kenntnis zu setzen, empfindet der gebürtige Ahlener als &bdquo;bodenlose Frechheit“. Der Besitzer von Haus und Grundstück habe einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Schließlich müsse nun erst einmal geklärt werden, was es mit der ganzen Angelegenheit auf sich habe. &bdquo;Und auch, ob das alles rechtens gewesen ist.“ Wie die Deutsche Bahn reagiert hat Konkrete Antworten im Fall des radikalen Kahlschlags an der Schienenstrecke zwischen Gütersloh und Bielefeld bleibt die Presseabteilung der Deutsche Bahn AG aus Düsseldorf auch der &bdquo;Neuen Westfälischen“ am Dienstag trotz mehrmaliger Nachfrage schuldig. &bdquo;Uns ist der Fall bekannt“, erklärte eine DB-Sprecherin, die sich in einer Mitteilung zu Vegetationsarbeiten und den für Gütersloh geplanten Lärmschutzarbeiten erklärt. &bdquo;Alle weiteren Punkte befinden sich zurzeit in Klärung.“ In der kommenden Woche wolle man sich äußern. Ob es sich etwa um eine Verkehrssicherungspflicht-Maßnahme handelt oder um Vorboten des für 2024 geplanten Baus von Lärmschutzwänden auf der Strecke, vermochte auch auch der DB-Mitarbeiter den Kisses nicht zu sagen, der sich am Montag noch einmal einen Eindruck vor Ort in Gütersloh verschafft hat. Der Mann habe sich zu dem Vorfall nicht weiter auslassen wollen, berichtet Michael Kisse. Mit der Deutschen Bahn hat die Gütersloher Familie in allen den Jahren nie ernsthafte Probleme gehabt. Stattdessen hat man sich sogar helfen wollen: Im Hinblick auf den für 2024 geplanten Start des Baus von Lärmschutzwänden entlang der Strecke, hätte die Bahn einen Großteil des Gartens vorübergehend mieten und als Lager für die Wände nutzen wollen, berichtet Michael Kisse. &bdquo;Da sind wir mit einverstanden.“ Doch bevor solche Übereinkünfte in die Tat umgesetzt werden, soll die Bahn nun erst einmal erklären, ob und weshalb sie die vier alten Birken in Gütersloh stutzen ließ.

Meistgelesen