Berührende Übergabe: Hier landen die "Pakete mit Herz" in Gütersloh

Gütersloh. Das Paket kommt vorne auf den Rollator. Renate Räbiger schiebt vorsichtig aus den Kellerräumen der Suppenküche nach draußen. &bdquo;Vielleicht ist Wolle zum Stricken drin. Das wäre toll.“ Reingucken will sie auf keinen Fall. &bdquo;Erst an Heiligabend.“ Für die Gütersloherin ist es mehr als ein Weihnachtsgeschenk. Am 29. Dezember hat sie Geburtstag, wird 84. &bdquo;Meine Rente reicht ganz knapp“, häufig komme sie zur Suppenküche, weil es etwas Leckeres zu Essen, aber auch weil es hier etwas Gesellschaft gibt. Das eine macht satt im Bauch, das andere in der Seele. Ihre beiden Freundinnen, die stets mitgekommen seien, leben inzwischen in Pflegeeinrichtungen. &bdquo;Nun ja, manche Kerle in der Suppenküche sind nicht unbedingt diejenigen, mit denen ich mich lange unterhalten kann oder will“, sagt die Seniorin und lacht. Sabine Strauch (60) begleitet ihre Mutter. Sie ist selbst Gast in der Suppenküche und erhält zum ersten Mal ein Weihnachtspaket. Sie hat aufgehört zu arbeiten, weil ihr Mann schwer erkrankt ist. &bdquo;Leider falle ich jetzt durch alle Raster.“ 20 Jahre habe sie einen Minijob gehabt, nur habe der Arbeitgeber keine Rentenbeiträge abgeführt. In der Folge erhalte sie weder Hartz IV noch sonst irgendeine finanzielle Unterstützung. &bdquo;Es gibt viel Elend“, sagt Sabine Strauch, &bdquo;nur erkennt man es oft nicht auf den ersten Blick.“ Drinnen gibt es Spanferkel mit Rotkohl und Knödel, wahlweise Schinkenbraten. &bdquo;Ein richtiges Weihnachtsessen“, sagt Inge Rehbein, Vorsitzende der Suppenküche. &bdquo;Keiner von unseren Gästen könnte sich ein solches Essen leisten.“ Seit drei Jahren sorgt eine Gütersloher Gruppe dafür, dass das Spanferkel fertig gegrillt den Weg in die Kirchstraße findet. Eine Weihnachtsspende der besonderen Art. Rehbein schmunzelt, aber verrät nicht, wer dahintersteckt. Wer fertig gegessen hat, wird am Ausgang herzlich empfangen: &bdquo;Fröhliche Weihnachten, mein Lieber“, Inge Rehbein reicht ein Paket mit Herz. Vor ihr liegen in einem Wäschefass zahlreiche neue Decken. &bdquo;Kannst Du eine gebrauchen“, fragt sie ihr Gegenüber. Der zeigt stolz, dass er schon drei Jacken übereinander trägt. Darunter noch ein Fleece-Shirt. Die Decke nimmt er trotzdem mit. &bdquo;Weihnachten verbringe ich alleine“, sagt er. An der Tankstelle wolle er etwas trinken gehen. Wie jedes Jahr. "Bernie" schimpft über die städtische Unterkunft: "Sieht aus wie ein Dreckstall" Hans-Jürgen Bergmann (62) möchte heute nicht in den Räumen der Suppenküche essen und nimmt eine Portion Spanferkel samt Weihnachtsgeschenk mit nach draußen. Auf der Rückseite des Gebäudes zwischen den Mülltonnen ist ein geschützter Winkel wo er und seine Frau hocken. Petra Bergmann (56) teilt den Rest ihres Mittagessens mit Hund Baron, der soll auch nicht leer ausgehen. &bdquo;Für uns gibt es kein festliches Weihnachten“, sagt Hans-Jürgen Bergmann, &bdquo;schon lange nicht mehr.“ Deshalb werden die beiden die Feiertage verleben wie jeden anderen Tag auch. Seit einem Jahr sind die beiden obdachlos und leben in einer städtischen Unterkunft in Gütersloh. Baron habe eine Sondergenehmigung und dürfe mit. &bdquo;Ohne ihn gehen wir nirgendwo hin“, sind sich die beiden einig. Auch &bdquo;Bernie“ wohnt in einer städtischen Unterkunft. Seit 20 Jahren. Er schimpft. &bdquo;Es sieht dort aus wie ein Dreckstall.“ Nur vier Quadratmeter stünden ihm zur Verfügung. Kein Tisch, kein Schrank. &bdquo;Im nächsten Jahr versuchst Du, da rauszukommen. Das wünsche ich Dir“, von Inge Rehbein gibt’s Zuspruch und ein Paket. Das hilft fürs erste. Wirklich ändern wird sich wohl wenig. Manche Strukturen haben sich verfestigt, ohne das es irgendjemand gewollte hätte. Obdachloser Rentner erfriert auf Gütersloher Marktkauf-Parkplatz Rolf (Name geändert) fehlt, er wäre sicher auch gekommen. Wie so viele hat Rolf Suchtprobleme, die er nicht in den Griff kriegt. &bdquo;Ansonsten ein ausgesprochen feiner Kerl“, sagt Rehbein, die ihn auch immer wieder in nüchternem Zustand erlebt. Auf dem Marktkauf-Parkplatz ist der obdachlose Rentner vor einigen Tagen gestorben. Volltrunken eingeschlafen, hat ihm die klirrende Kälte der vergangenen Woche in der Nacht das Leben genommen. Erfroren mitten in Gütersloh. Rehbein hat drei Tage vor Weihnachten für ein Sozialbegräbnis gesorgt. Es soll ein würdiges Ende sein und vor allem kein einsames. Einige Gäste und Helfer der Suppenküche begleiten die Beerdigung in Avenwedde-Bahnhof. Einmalrasierer und Haarbürste für die Herren, Bohnenkaffee und eine Wärmflasche für die Frauen: Wer keines der insgesamt 207 gespendeten &bdquo;Paket mit Herz“-Präsente bekommt, erhält eine Wunschtüte, die von der Suppenküche selbst gepackt ist. Die Paketübergabe an die Kinder findet getrennt am Nachmittag statt. &bdquo;Wir haben ein hohes Maß an Altersarmut“, sagt Inge Rehbein. Sie kennt jeden der Suppenküchen-Gäste und weiß: &bdquo;Viele trauen sich nicht mehr, den Regler am Heizkörper zu bewegen. Zur Einsamkeit vieler Gäste kommt die Angst vor einer Quittung für Wohlbehagen. Früher hatte die Gütersloher Suppenküche an Heiligabend die Türen geöffnet. &bdquo;Es gab Platz für 120 Gäste“, so Rehbein. Damit ist seit einiger Zeit Schluss, 30 Sitzplätze dürfen genutzt werden. &bdquo;Aber wir werden im nächsten Jahr wieder an diese Tradition anknüpfen und gemeinsam Heiligabend feiern“, zwar wisse sie noch nicht wie und wo, &bdquo;aber wir lassen uns etwas einfallen.“

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