Abgesagter verkaufsoffener Sonntag: Verdi nutzt Verfahrensfehler der Stadt

Gütersloh. Seit wieder größere Stadtfeste stattfinden dürfen, hat der vierte Senat des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Münster vermehrt über Anträge der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gegen die Freigabe verkaufsoffener Sonntage zu entscheiden. &bdquo;Das beobachten wir seit Anfang September", bestätigt Gudrun Dahme, Vorsitzende Richterin am OVG. Für den 5. September sind vor kurzem gleich drei Beschlüsse gefallen: Gladbeck und Wermelskirchen hatten das Nachsehen, während die Händler der Stadt Herford öffnen durften. Das aktuellste Beispiel liefert die Stadt Gütersloh, deren geplanter verkaufsoffener Sonntag am vergangenen Freitag gekippt wurde – aufgrund eines Verfahrensfehlers. Stadt hätte über Vorverlegung informieren müssen Die Gewerkschaft Verdi hatte am Donnerstag, also drei Tage vor dem eigentlichen Anlass der juristischen Auseinandersetzung, einen Eilantrag gegen die Ladenöffnung am Wahlsonntag in Gütersloh eingereicht. Das Gericht folgte dem Antrag. Begründung des Beschlusses: Die Stadt hätte die zuständigen Gewerkschaften, Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände und Kirchen, die IHK und die Handwerkskammer darüber informieren müssen, dass der nach ihrer Verordnung am 3. Oktober stattfinden sollende verkaufsoffene Sonntag auf den 26. September vorverlegt worden sei. Interessenverbände müssen nach der Regelung im Ladenöffnungsgesetz vor der &bdquo;Freigabe" eines Tages angehört werden. Das sei nicht passiert und &bdquo;dieser Verfahrensfehler auch funktionserheblich", wie das Gericht im zehnseitigen Beschluss mitteilt. Verdi sei demnach die Gelegenheit genommen worden, auf die Bundestagswahl und das Interesse des Verkaufspersonals &bdquo;an der Nutzung des Tages zur Teilnahme" daran hinzuweisen. Neben der Wahl hätten auch nicht mehr aktualisierte Besucherprognosen bei der Entscheidung eine Rolle gespielt. Diese seien beim Ratsbeschluss für die Vorverlegung im April zu einem Zeitpunkt gefallen, an dem aufgrund der Pandemie-Lage nicht absehbar gewesen sei, dass die Besucherzahlen &bdquo;für die Jahre 2021 bis 2023 denjenigen" entsprechen würden, &bdquo;auf denen die ursprüngliche Verordnung von 2018 beruhte." Dies seien zwei Gesichtspunkte, so Richterin Dahme, woran der verkaufsoffene Sonntag &bdquo;auch in der Sache hätte scheitern können." &bdquo;Das Thema der verkaufsoffenen Sonntage beschäftigt uns seit Jahren" Fakt sei, und das müsse man feststellen: Die Gewerkschaft habe Recht bekommen. &bdquo;Das Thema der verkaufsoffenen Sonntage beschäftigt uns seit Jahren. Vielfach hat Verdi Erfolg gehabt, weil Städte sich nicht an rechtliche Vorgaben gehalten haben." Im vorliegenden Fall hat es die Stadt Gütersloh versäumt, Verdi über die Terminänderung zu unterrichten. &bdquo;Nach Auffassung der Verwaltung war die Freigabe bereits durch die Ausgangsverordnung im Jahr 2018 erfolgt, die die Sonntagsöffnung anlässlich der Michaeliswoche geregelt hat, und nicht erst durch die Änderungsverordnung dieses Jahres", teilt Stadt-Pressesprecherin Annette Blumenstein am Montag mit. Auch andere Institutionen und Interessenverbände seien nicht informiert worden. Die in Gütersloh üblichen verkaufsoffenen Sonntage seien jeweils durch Ordnungsbehördliche Verordnungen zugelassen, die bis zum Jahr 2023 gelten. Rainer Schorcht, Sprecher des Gütersloher Einzelhandelverbands, ist auch zu Wochenbeginn noch wütend. Sein Zorn richtet sich vor allem gegen Verdi-Gewerkschaftssekretärin Ursula Jacob-Reisinger, ohne sie namentlich zu nennen: &bdquo;Diese Frau hat in der Vergangenheit schon mehrere Prozesse verloren und jetzt wahrscheinlich ein großes Vergnügen gehabt. Sie benutzt ihr Amt in der Gewerkschaft, um sich als Kandidatin der politischen Partei ’Die Linke’ bekannter zu machen und zu profilieren. Wir lernen aus dem Effekt von Freitag, dass sie die kleinste Lücke ausnutzt, um Verkauf zu verhindern." Reiner Tisch am Runden Tisch? Wäre ein Runder Tisch mit allen Beteiligten nicht die Gelegenheit für eine Art Tabula rasa? &bdquo;Vor ein paar Jahren hat die Erste Beigeordnete Christine Lang zu genau einem solchen Runden Tisch eingeladen und Verdi hat nicht teilgenommen", erklärt Stadt-Sprecherin Annette Blumenstein. Bestünde inzwischen Interesse, signalisiert die Stadt ihre Bereitschaft zum Austausch. &bdquo;Die Gewerkschaftsleute verweigern doch die Gespräche", erklärt Schorcht und erhebt Vorwürfe in Richtung Ursula Jacob-Reisinger: &bdquo;Das Perfide ist: Sie sagt zu und dann kommt sie nicht." Die Gescholtene selbst hält dagegen: &bdquo;Wo ich zusage, da erscheine ich in der Regel auch. Unabhängig davon würde ein Runder Tisch nichts bringen." Dafür würden die gegenseitigen Interessen und Wahrnehmungen zu weit auseinander liegen: &bdquo;Wir reden doch nur über das Umsatzinteresse des Einzelhandels." Jacob-Reisinger, seit elf Jahren Verdi-Mitarbeiterin und nach eigener Aussage &bdquo;selbst 30 Jahre lang im Einzelhandel beschäftigt", will durch &bdquo;Hinweise von Beschäftigten aus dem Einzelhandel" von der Terminänderung in Gütersloh erfahren haben. &bdquo;Diese Menschen fanden es unmöglich, dass es mit der Sonntagsarbeit jetzt genauso weitergeht wie vor Corona. Ein Teil von ihnen sah auch sein Interesse eingeschränkt, in Ruhe wählen gehen zu können." Das Hauptproblem sei aber die fehlende Kommunikation gewesen. Die Verdi-Gewerkschaftssekretärin: &bdquo;Da hat die Stadt Gütersloh einen Fehler gemacht. In der Hinsicht müssen sie halt professioneller arbeiten." Einzelhandel blickte dem verkaufsoffenen Sonntag mit Sehnsucht entgegen Sehnsüchtig hätten Einzelhandel und Kunden in Gütersloh nach der langen Corona-Pause und Umsatzeinbußen dem verkaufsoffenen Sonntag entgegen geblickt, sagt Rainer Schorcht. &bdquo;Viele Mitarbeiter im Handel wären am Sonntag mit doppeltem Lohn bedacht worden und sie hätten sich freuen können, dass mal wieder etwas los ist in der Stadt." Doch dann sei Verdi dazwischengegrätscht. Insgesamt müsse man sich allen Ernstes fragen, ob die Gewerkschaft überhaupt noch die Interessen ihrer Mitglieder und der allgemeinen Mitarbeiter im Handel vertritt. Die Tatsache, dass gerade einmal zehn Prozent der Mitarbeiter aus dem Handel in der Gewerkschaft organisiert seien, verstärke Schorchts Eindruck. Die kurzfristige Absage des verkaufsoffenen Sonntags steht für Jan-Erik Weinekötter (Gütersloh Marketing), der am Montag nicht zu erreichen war, im krassen Gegensatz zu Re-Start-Programmen für Innenstädte oder gesellschaftliche wie politische Stärkung des Handels. &bdquo;Ob es weltfremd ist oder nicht, so zu handeln, ist hier nicht die Frage", sagt Ursula Jacob-Reisinger. &bdquo;Fakt ist: Wir sprechen uns für ein Sonntagarbeitsverbot aus. Der Einzelhandel kann an sechs Tagen in der Woche öffnen, aber der Sonntag ist gesetzlich geschützt." In Gütersloh hatte man über einen weitere Öffnungstermin Anfang November noch nicht entschieden. &bdquo;Nach derzeitigem Kenntnisstand sind in diesem Jahr keine verkaufsoffenen Sonntage mehr geplant", erklärt Annette Blumenstein von der Stadt. Wie man jetzt hinsichtlich weiterer geplanter verkaufsoffener Sonntage verfährt und inwieweit sich aus der Entscheidung des OVG Handlungsbedarfe ergeben, müsse überprüft werden. Der Streitwert des Verfahrens ist auf 5.000 Euro festgelegt worden. Die Verfahrenskosten trägt die Stadt Gütersloh.

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