Neues S-Bahn-Konzept für Gütersloh: Puh, ist das alles kompliziert!

Gütersloh. Erinnern Sie sich noch an die berühmt-berüchtigte Stoiber-Rede? 2002 war es als der damalige bayerische Ministerpräsident davon schwärmte, wie schnell man mit dem Transrapid den Münchener Flughafen erreichen kann. &bdquo;Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München ... mit zehn Minuten, ohne, dass Sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen ... am ... am Hauptbahnhof in München starten Sie Ihren Flug." Beinahe so geht es mir, wenn ich mir die Möglichkeiten des neuen S-Bahn-Konzeptes für OWL aus ganz persönlicher Perspektive anschaue und dabei bemerke, wie kompliziert das alles ist. Bei mir sind es nur rund 150 Meter Luftlinie von meiner Haustür bis zu jener TWE-Strecke Harsewinkel–Verl, die 2025 ihren Betrieb wieder aufnehmen soll. Die Nachricht, dass die Streckenführung noch weiter bis Versmold in die eine und bis nach Hövelhof in die andere Richtung führen soll, finde ich richtig. Denn erstmals wird diese bislang isolierte Strecke in einen vernünftigen verkehrspolitischen Zusammenhang gestellt. Tolle neue S-Bahn-Welt 450 Meter ist die nächste Haltestelle entfernt, wo ich in den Bus steige, der mich zur neuen Haltestelle Eiserstraße bringt. Vielleicht schwinge ich mich auch aufs Rad und fahre die zwei Kilometer direkt dorthin. Dann springe ich rein in die S-Bahn, die mich nach Gütersloh oder – noch aufregender, weil neu – nach einem Umstieg in Hövelhof bis nach Paderborn fährt. Tolle neue S-Bahn-Welt. Da kommt kein Stoiber und kein Transrapid mehr mit. Es ist das ganz große Rad, das die heimischen Zweckverbände NWL und VVOWL jetzt drehen. Ihr S-Bahn-Konzept soll die Menschen in der Region mobiler und das eigene Auto immer öfter überflüssig machen. Schauen Sie sich mal spaßeshalber die Streckenführung an und überlegen Sie, wie und wo Sie aufspringen und dafür das Auto stehen lassen können. Lesen Sie auch: Welche Haltestellen für die neue S-Bahn im Kreis Gütersloh geplant sind Das Projekt steckt voller Tücken Die Idee, dem Schienenpersonennahverkehr (SPNV) endlich die Bedeutung zuzumessen, die er längst besitzen müsste, begeistert mich. Sie ist angesichts des Klimawandels auch dringend geboten. Von &bdquo;Lebensqualität mit Gleisanschluss" spricht der zuständige Projektleiter beim VVOWL. Und doch steckt das Projekt auch voller Tücken – im Großen wie im Kleinen. Das fängt schon bei der Reaktivierung der vorhandenen TWE-Strecke an. So viele Dinge sind noch nicht geklärt. Das gilt für die Umweltverträglichkeitsprüfung, die für das Planfeststellungsverfahren der Bezirksregierung notwendig ist, bis zum Ausbau von Mobilstationen, für die noch die Grunderwerbsfrage aussteht. In Verl hat man zudem festgestellt, dass es mit der Fläche an den Stationen doch nicht so weit her ist. Das geplante Carsharing fällt zum Beispiel mangels Platz flach. Es hat eben nicht nur mit Corona zu tun, dass der Betriebsstart bereits um zwei Jahre verschoben werden musste. Lesen Sie auch: Corona bremst TWE aus: Reaktivierung zwischen Harsewinkel und Verl verzögert sich Macht man sich klar, dass bei einigen anderen der insgesamt zehn neuen Korridore des S-Bahn-Netzes in OWL die Strecke bislang nur auf dem Papier existiert, könnte man noch verzagter werden. Wie lange mag es dort mit der Umsetzung dauern? Ist 2040 angesichts der Erfahrungen bei anderen Großprojekten (BER!) überhaupt ansatzweise realistisch? Die zweite große Unbekannte ist der ZOB in Gütersloh. Wird er auf das ehemalige Postgelände ziehen und wird die Stadt das Gelände von Hagedorn kaufen können? Die erste Frist ihres Vorkaufsrecht ließ die Stadt ungenutzt verstreichen. Nun befinde sich die Stadt in Abstimmung mit dem Investor und der Politik, heißt es aus dem Rathaus. Für wahltaktische Spielchen eignet sich das Thema nicht Ein dritter Punkt ist die politische Willensbildung. Dass die Gütersloher CDU jetzt auf das S-Bahn-Thema setzt und damit signalisiert: Auch wir tun was gegen den Klimawandel, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Partei bislang nicht als Fackelträgerin des klimapolitischen Fortschritts verdächtig gemacht hat. Dass sie jetzt damit um die Ecke kommt, mag auch der anstehenden Bundestagswahl geschuldet sein. Das sollte das Engagement dennoch nicht schmälern. Denn für wahltaktische Spielchen, das weiß auch die CDU, eignet sich das Thema nicht. Am Ende wird jede Partei nicht an ihren Verlautbarungen, sondern an den Ergebnissen ihrer Arbeit gemessen. Und da steht bei der CDU ein Antrag auf eine Neubewertung des Stadtbuskonzeptes unter den geänderten Rahmenbedingungen noch aus. Nachvollziehbar, denn solange ist das S-Bahn-Konzept auch noch nicht bekannt. Zu gegebener Zeit aber könnte die Partei damit zeigen, wie ernst sie es wirklich damit meint und so ihr umweltpolitisches Profil gewinnen. Ach Stoiber... übernehmen Sie! Dann wird sich zeigen, als wie anschlussfähig sich dieser Vorschlag für die anderen Parteien erweisen wird und wer dann tatsächlich den gordischen Knoten Gütersloher Nahverkehrspolitik endlich zerschlägt. Die Zeit drängt. Das vom CDU-Verkehrssprecher Detlev Kahmen ausgegebene Ziel, &bdquo;zumindest den Wachstum des Autoverkehrs zu verhindern", scheint mir zu kleinmütig. Der Individualverkehr muss deutlich verringert werden, will man die Klimaziele erreichen. Die vierte Unbekannte ist der Preis für dieses Gesamtpaket. Zum Nulltarif wird man ein eng verzahntes und dicht getaktetes Angebot von Bus- und SPNV-Verkehr nicht bekommen, das bis in die Nacht reichen und am frühen Morgen starten müsste und doch so günstige Tickets bietet, die zum Umstieg bewegen. Doch was wäre die Alternative? Und ist es nicht Antrieb genug, daran zu denken, dass Sie in zehn Minuten, wenn Sie am Gütersloher ZOB einchecken, dass Sie . . . wenn Sie am Hauptbahnhof losfliegen . . . ach, Stoiber, übernehmen Sie.

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