Gütersloher Künstlerin geht wegen Plagiatsvorwurf rechtlich gegen Kollegen vor

Gütersloh/ Paderborn. Mit einem rollenden Kunst-Container will der Paderborner Künstler Manfred Webel in den nächsten drei Jahren zwölf Städte in NRW anfahren und dort seine mobilen Skulpturen präsentieren, darunter auch in Gütersloh. Anfassen ist dabei nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht. Weshalb die Tour auch &bdquo;Bitte berühren" heißt. &bdquo;Eine tolle Idee", sagt Nirgül Kantar-Dreesbeimdieke. &bdquo;Sie ist ja auch von mir." Weil sie ihre Idee in Teilen als abgekupfert ansieht, hat die Isselhorster Künstlerin ihre Rechtsanwältinnen beauftragt, eine Abmahnung gegen die Durchführung des Kunstprojekts zumindest in Gütersloh zu erwirken. Mobile Kunst ist für Nirgül nicht neu. Schon 2005 präsentierte sie die bisher längste rollende Bilder-Ausstellung und brachte so die Kunst zu den Menschen. Mit täglich wechselnden Porträts auf einer rollenden Staffelei machte sie einen 427 Kilometer langen Fußmarsch von ihrem damaligen Wohnort Petershagen-Lahde nach Berlin. Ein Jahr später war sie mit der rollenden Kunst beim &bdquo;Istanbul-Avrasya Marathon" dabei. 2022 will Nirgül 1.500 Kilometer von Deutschland aus über die Benelux-Staaten nach Frankreich laufen Die Idee, mit der Kunst unterwegs zu sein, will sie nun mit dem Projekt &bdquo;Europas Künstlerweg" in wahrhaft europäischen Dimensionen verwirklichen. Im nächsten Jahr, wenn die Pandemie etwas abgeklungen ist, will sie in 32 Etappen mit einer Gesamtlänge von 1.500 Kilometer von Deutschland aus über Holland, Belgien, Luxemburg nach Frankreich gehen. Weitere Länder sollen bis 2030 folgen. Der Europäische Künstlerweg, ein Begriff, den sich Nirgül hat schützen lassen, sollte ursprünglich zusammen mit dem Fachbereich Kultur durchgeführt werden. Er war als &bdquo;Vorlaufprojekt" für das Projekt &bdquo;C-City –ein kulturelles europäisches Städtenetzwerk" deklariert, das Kulturdezernent Andreas Kimpel entwickelt hat. Der Kulturausschuss gab dafür im September 2020 grünes Licht. Doch dann kam es im Februar zum Bruch zwischen Kimpel und Nirgül, woraufhin die Künstlerin die Zusammenarbeit mit der Stadt aufkündigte. Auch hierbei ging es um Urheberrechte, die aus ihrer Sicht verletzt worden sind. Nirgül wollte Webel für ihr Projekt gewinnen, der Paderborner lehnte ab Nirgül mutmaßt, dass da bereits im Hintergrund die Vorbereitungen für das Projekt mit Manfred Webel liefen. Auch diesmal ist der Fachbereich Kultur Organisatorin, das Kultursekretariat NRW Gütersloh fördert das Projekt. Doch wie sollte ein Paderborner Künstler an das Konzept einer Gütersloher Kollegin kommen? Nirgül Kantar, so sagt sie, habe ihm das gemeinsam mit Barbara Manschmidt (Geschäftsführerin des Stiftungsbereichs Schulen in Bethel) im Juni 2020 erstellte Konzept, das der NW vorliegt, in jener Zeit zugeschickt. Eine Kopie der Mail ging auch an den städtischen Fachbereich Kultur. Der Grund für ihr Vorgehen: Weil Nirgül ihren Künstlerweg mit weiteren Kunstprojekten flankieren will, sucht sie dafür personelle Unterstützung bei Kollegen. So sollen in jedem Land in einem besonderen Raum vor allem Menschen mit Sehbehinderung mit Nirgüls bekannten, aus Kunststofftropfen bestehende Skulpturen in Kontakt kommen. &bdquo;Wer nicht sehen kann – darf fühlen", heißt dieses Projekt bei Nirgül. Danach soll in einem &bdquo;Kunstraum" ein Künstler/eine Künstlerin mit den Menschen ins Gespräch kommen und sie anleiten, selbst kreativ zu werden. Als Nirgül einen Künstler für diese Aufgabe sucht, wird ihr Manfred Webel empfohlen, den sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht gekannt habe. Zu ihm nahm sie im Juni Kontakt auf, um ihr Konzept vorzustellen. Er habe damals eine Mitwirkung sofort abgelehnt. Manfred Webels Kunstprojekt ist keine Kleinigkeit Umso überraschter war Nirgül, als sie vergangene Woche vom Projekt des Paderborners erfuhr, das am 15. Mai in Monheim startet und von dem sie sagt, dass es laut Beschreibung auf der Homepage des Künstlers ihrem Projekt in vielen Punkten ähnelt. So erlaubt auch Webel die Berührung seiner Figuren, auch bei ihm dürfen Besucher künstlerisch tätig sein, auch er hat sein Projekt auf Mobilität und auf mehrere Städte und Jahre angelegt. Für die 51-Jährige Indizien, die – mit leichten Veränderungen – auf ihr eigenes Konzept hindeuten. Webels Kunstprojekt ist keine Kleinigkeit. Viele Akteure sind im Spiel. Abgesehen vom Kultursekretariat NRW Gütersloh, einem Zusammenschluss von 78 nichttheatertragenden Städten in NRW, erfährt das Projekt auch Unterstützung durch das NRW-Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Außerdem sind einige Unternehmen als Sponsoren mit im Boot. Begründet wird die Abmahnung wegen unlauteren Wettbewerbs Gegen die Durchführung in Gütersloh gehen Nirgüls Anwältinnen nun juristisch vor. Am Freitag schickten sie eine Abmahnung an den Künstler heraus, um die Angelegenheit außergerichtlich aus der Welt zu schaffen. Nimmt Webel das Angebot an, muss er die beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung unterzeichnen, um eine einstweilige Verfügung oder Klage abzuwenden. Tut er es nicht, könnte Nirgül das Gericht anrufen, um die Sache dort klären zu lassen, etwa durch eine einstweilige Verfügung, da die Sache eilt. Begründet wird die Abmahnung von den Anwältinnen nicht aus dem Urheberrecht, weil eine Idee nie urhebergeschützt sei, wie die Bielefelder Anwältin Gudrun Rolf erklärt, sondern nur die konkrete Ausführung. Daher wird mit dem Wettbewerbsrecht argumentiert. Hier sieht Rolf eine Unlauterkeit darin, &bdquo;dass es zwei vorvertragliche Vertrauensverhältnisse gab, einmal mit der Stadt Gütersloh, zum anderen mit Herrn Webel. Mit der Stadt Gütersloh war der Vertrag eigentlich schon fertig", so Gudrun Rolf. Manfred Webel möchte sich nicht zu den Vorwürfen äußern Dass die Vertragsverhältnisse gescheitert sind, sei nicht ihrer Mandantin vorzuwerfen. Vielmehr hält es die Anwältin für unlauter, &bdquo;dass die Stadt und Webel sich zusammentun und Frau Kantar praktisch eine Veranstaltung vor die Nase setzen und damit die Aufmerksamkeit auf dieses Event ziehen, während ihr lange vorbereitetes Projekt nun wie eine Nachahmung wirkt". Deshalb gehe man nur gegen die Durchführung von Webels Projekt in Gütersloh vor und nicht gegen die Realisierung in den anderen Städten. Manfred Webel möchte sich öffentlich nicht dazu äußern, weil es ein schwebendes Verfahren sei. Webel verweist allerdings darauf, dass die konkrete Umsetzung in Gütersloh noch gar nicht öffentlich kommuniziert worden sei. &bdquo;Mir tut das Leid, wenn meine Kollegin denkt, ich nehme ihr was weg, das ist gar nicht meine Intention." Das Kultursekretariat betrachtet die Vorwürfe als halt- und gegenstandslos Das Kultursekretariat Gütersloh NRW hat seit dem Wochenende Kenntnis von der Abmahnung, wie Geschäftsführerin Antje Nöhren mitteilt. &bdquo;Wir betrachten die Vorwürfe als halt- und gegenstandslos." Sie kenne den Künstler seit vielen Jahren und schätze seine Arbeit. Bereits im Frühjahr 2020 seien die ersten Gespräche erfolgt, im März habe er dann sein Konzept im persönlichen Gespräch vorgestellt. &bdquo;Zu dem Zeitpunkt hatten wir von Europas Künstlerweg noch gar keine Kenntnis", so Nöhren. Aus ihrer Sicht habe sich Webels Konzept ganz schlüssig aus seinem Gesamtwerk entwickelt. Sowohl in der spezifischen Formensprache als auch mit seiner langjährigen partizipativen Arbeit könne man sagen, dass das keine Idee sei, die bei ihm erst nach dem Gespräch mit Nirgül Kantar aufgeploppt sei. Webel habe damals auch zugesagt, das Konzept für jeden Ort spezifisch auszugestalten. Kulturdezernent Andreas Kimpel will sich nicht zur Abmahnung des Künstlers durch Nirgül Kantar äußern, insbesondere weil es ein schwebendes juristisches Verfahren ist und weil die Stadt nur mittelbar betroffen sei. Dass er bislang noch nicht verkündet hat, dass &bdquo;Europas Künstlerweg" nicht mehr ein Vorläuferprojekt von C-Cities, dem kommunalen Projekt der Partnerstädte im Rahmen der europäischen Kulturarbeit der Stadt sei, sagt Kimpel: &bdquo;Es ist ist final nicht zu einem Förderprojekt gekommen. Die Rolle der Stadt Gütersloh war die, das Projekt beratend, unterstützend und finanziell zu fördern." Nirgül Kantar ist "zutiefst menschlich enttäuscht und verletzt" Es habe allerdings im Prozess der Gespräche letztendlich keine Kooperationsvereinbarung und auch keinen Förderbescheid hierzu gegeben. Im Laufe der Projektentwicklung sei, so Kimpel. einvernehmlich und gemeinsam entschieden worden, &bdquo;dass es für Nirgül Kantar besser ist, das Projekt alleine weiterzuführen." Dass der Kulturausschuss für die Konzeption der europäischen Kulturarbeit mit dem C-Cities-Projekt grünes Licht gegeben hat, habe keine rechtlich bindende Wirkung. Andreas Kimpel bedauert indes die aktuelle Entwicklung: &bdquo;Ich stehe immer noch auf dem Standpunkt, dass es zwischen Künstlern in dieser Region besser sei, sich außergerichtlich und ohne Anwälte zu einigen, das ist auch weiterhin mein dringender Appell." Neben der juristischen ist es vor allem die moralische Dimension, die Nirgül Kantar beschäftigt. &bdquo;Wem kann ich denn noch trauen, wenn ich meine Ideen vorstelle? Und welcher Künstler kann denn noch Kulturbehörden trauen, die auf solche Weise mit den Ideen eines Künstlers umgehen?", zeigt sie sich &bdquo;zutiefst menschlich enttäuscht und verletzt".

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