Gütersloh. Es ist ein Hilferuf, der die Redaktion mit einem anonymen Schreiben erreichte, aber im Unterschied zum Märchen vom Aschenputtel wird in Gütersloh daraufhin wohl keine gute Fee erscheinen, um wenigstens das festliche Abiballkleid zu spendieren. Denn ob es dafür bei allen Schülern, die 2020 ihr Abitur am Städtischen Gymnasium machen, nach Abzug aller anderen Kosten noch reichen wird, stellt der Schreiber in Frage.
Gut 50.000 Euro soll die Sause in der Stadthalle laut einem Rundbrief des „Finanzkomitees" der zwölften Jahrgangsstufe, der der Neuen Westfälischen ebenfalls vorliegt, kosten. Die konkrete Aufstellung der Posten sei bereits in der Schulpflegschaftssitzung am 25. September präsentiert worden. „Auf Anfrage hat uns die Stadthalle eine Saalmiete von ca. 16.000 Euro und 34.000 Euro für das Buffet als Preis genannt", schreibt der von zehn Schülern gegründete Verein „Abitur 2020 Städtisches Gymnasium Gütersloh" an die Eltern und Schüler des betroffenen Jahrgangs.
Von jedem Schüler werden 180 Euro eingesammelt
Die Kosten sollen durch einen „Schülerbeitrag" von 180 Euro pro Abiturient aufgefangen werden. In diesem Betrag nicht enthalten sind die Eintrittskarten. Über deren Höhe ist der anonyme Schreiber offenbar falsch informiert, denn er geht in seinem Wutbrief von 60 Euro pro Ticket aus. Diese Angabe wurde vom Finanzkomitee und vom Schulpflegschaftsvorsitzenden Ole Wintermann inzwischen auf 30 Euro nach unten korrigiert.
An der grundsätzlichen Kritik des Verfassers ändert das nicht viel: „Gar nicht zu reden von der Tatsache, dass auch noch die Outfits zu kaufen sind. Ich weiß, dass es vielen Schülern beziehungsweise ihren Eltern in meiner Stufe leicht fällt, 300 Euro für einen einzigen Abend mal einfach so hinzulegen. Vielen anderen aber nicht; ich habe zum Beispiel noch jüngere Geschwister. Für meine Eltern stellen solche horrenden Beträge eine starke Belastung dar."
Die NW hat in den vergangenen Jahren mehrfach über die explodierenden Kosten berichtet. Laut unseren Recherchen beliefen sie sich bereits in diesem Jahr an allen vier Schulen auf mehr als 200 Euro – Outfit, Abishirt und Jahrbuch nicht mit eingerechnet. Spitzenreiter war im April neben der Janusz-Korczak-Gesamtschule das Städtische Gymnasium, wo die Kosten pro Familie mit einem Abiturienten bei insgesamt knapp 300 Euro gelegen haben sollen.
"In Gütersloh gibt es keine gute Alternative"
Für Schulleiter Axel Rotthaus relativieren sich die Kosten vor allem im Hinblick auf die Größe des Jahrgangs mit 190 Abiturienten. „Die Location ist in diesem Fall etwas teurer, weil wir so viele Schüler haben. Es gibt in Gütersloh keine gute Alternative mit Platz für 800 Leute, da bleibt nur die Stadthalle. Der Ringlokschuppen in Bielefeld wäre zwar günstiger, ist aber zu weit weg."
Das Verfahren sei im Vorfeld sehr transparent gelaufen: „Eltern und Schüler wurden rechtzeitig über alles informiert und eine große Mehrheit hat sich für das Abiball-Modell ausgesprochen." Wer mit dem Konzept Abiball grundsätzlich nicht einverstanden sei, müsse ja nicht daran teilnehmen. „Bei der Zeugnisausgabe am Abend vorher gibt es eine Feierstunde. Problematisch ist es jedoch, wenn jemand eigentlich am teilnehmen möchte, es zu Hause jedoch finanziell zu knapp ist", so der Schulleiter.
Rotthaus betont, dass es sich beim Abiball um eine private Veranstaltung der Schüler handelt, die ihren Charakter in den vergangenen Jahren insgesamt verändert habe. „Das kann man nicht nur bei den Abschlussfeiern der Gymnasien sehen, sondern auch an anderen Schulformen beobachten, da wird viel von den Amerikanern abgeguckt. Die Erwartungen der Schüler an diese Veranstaltung sind eindeutig gestiegen."