Rot, Gelb oder Grün: Dieser Mann schaltet die Ampeln in Gütersloh

Gütersloh. Rot, Gelb, Grün - drei Farben, die in Kombination mit einer Ampel schon so manchen Verkehrsteilnehmer in Rage gebracht haben. Doch wie funktioniert eigentlich so eine Lichtsignalanlage und wer ist verantwortlich dafür, wie lange rot ist, wie lange grün? Ein Ortsbesuch im Rathaus. Dort trifft man im neunten Stock auf Helmut Westerich. Unterstützt von einer Wand aus Computerbildschirmen und einer leistungsstarken IT sorgt er von hier aus für möglichst viel fließenden Verkehr. Seinen Planungen verdanken die Gütersloher beispielsweise &bdquo;die einzig wirklich funktionierende Grüne Welle Deutschlands", wie Westerich nicht ohne Stolz sagt, also die Grünphase an der B61 zwischen den beiden Ortseingangsschildern. Und weil die so gut funktioniert, berichten landesweit immer wieder Zeitungen und TV-Sender über das Konzept. Sogar die "Sendung mit der Maus" war schon zu Besuch. Jede Ampel ist eine Art Rechner Insgesamt 118 Ampeln, davon 38 Fußgängerampeln, gibt es in Gütersloh. 78 davon sind Eigentum der Stadt, 38 gehören Straßen NRW, zwei dem Kreis. Sie alle sind mit einem zentralen Verkehrsrechner im Rathaus verbunden, von wo aus sie gesteuert werden. Westerich kann nämlich von seinem Arbeitsplatz aus via Modem auf alle Ampeln zugreifen, die Technik vor Ort ist jeweils in den grauen Schaltkästen neben den Anlagen untergebracht. Jede Anlage, die letztlich eine Art Rechner ist, verfügt über ein eigenes Betriebssystem und hat aus Sicherheitsgründen zwei Prozessoren. Fällt einer aus, meldet das die Ampel an den Rechner, damit sie repariert werden kann. Der andere Prozessor sorgt dafür, dass die Anlage erst einmal weiter funktioniert. Zudem werden die Ampeln alle vier Monate gewartet, allerdings ist Westerichs Team nur für die stadteigenen Anlagen verantwortlich. "Man hat wenig Grün zur Verfügung" Trotz aller Technik ist Ampelplanung vor allem eines: Kopf- und Rechenarbeit. "Es gibt kein Computerprogramm, das das kann", erläutert Westerich. Möchte man, dass der Verkehr über mehrere Ampeln hinweg fließt, müssen die Anlagen aufeinander abgestimmt werden. Eine wahre Puzzlearbeit. So müssen beispielsweise die einzelnen Phasen der sogenannten Umlaufzeiten, die regeln, wie lange es dauert, bis alle Verkehrsteilnehmer an einer Kreuzung einmal Grün bekommen haben, einzeln berechnet werden. Aus Sicherheitsgründen muss zudem ein Puffer zwischen den Rot-Grün-Phasen einberechnet werden. Während dieser "Sicherungszeiten" beziehungsweise Zwischenzeiten, die etwa ein Drittel der gesamten Umlaufzeit beträgt, ist dann für alle rot, damit sichergestellt ist, dass die Kreuzung geräumt ist, um Unfälle zu vermeiden. Bei einer Umlaufzeit von 100 Sekunden blieben also inklusive Sicherungszeiten knapp 66 Sekunden, um die Verkehrsströme fließen zu lassen - inklusive Gelbphase, die bei erlaubten 50 Stundenkilometern drei und bei mehr als 70 Stundenkilometern fünf Sekunden beträgt. "Man hat immer weniger Grün zur Verfügung, als man benötigt, man kämpft um jede Sekunde." Was die Kameras auf den Ampelmasten bedeuten Besonders kniffelig wird es, wenn die verkehrsabhängige Steuerung ins Spiel kommt. Einige Ampeln sind zwar fest programmiert und lassen sich nicht beeinflussen, bei anderen aber werden über Induktionsschleifen, die in den Straßenbelag eingelassen worden sind, die Verkehrsströme gemessen. Mit den Daten wird Westerichs Verkehrsrechner gespeist, der dann die optimale Ampelsteuerung ermittelt. Doch manchmal funktioniert das nicht, wie beispielsweise an der Blessenstätte. Dort, aber auch bei einigen anderen Anlagen im Stadtgebiet, ist eine Art Kamera auf den Ampelmast montiert. Mit dieser wird dort die Verkehrsdichte gemessen, also die Anzahl der Autos, die gerade eine Kreuzung passieren oder warten. Die registrierten Werte werden als Impuls an den Rechner der Anlage weitergeleitet, der wiederum die Ampelschaltung steuert. "Je nach Verkehrsaufkommen bleibt es länger grün beziehungsweise rot. So vermeiden wir lange Rückstaus", sagt Westerich. Als besondere Herausforderung habe er die Einrichtung der Grünen Welle auf dem Westring empfunden, sagt Helmut Westerich. Mit 60 Stundenkilometern kann man durch Gütersloh fahren, ohne bei Rot anhalten zu müssen - und das in beiden Richtungen. Je nach Verkehrsaufkommen sind sechs Rot-Grün-Varianten möglich. So könne auf Nachtzeiten ebenso reagiert werden wie auf verkehrsarme Zeiten oder besondere Belastungen. Politik und Verwaltung stellen immer wieder neue Anforderungen Doch so viel man auch plant, tüftelt und rechnet - fertig ist so eine städtische Ampelschaltung nie. Immer wieder muss auf Beschlüsse von Politik und Verwaltung reagiert werden. Aktuell sind es die Fahrradvorrangspuren, die bei der Schaltung berücksichtigt werden müssen, oder der Busverkehr. Die Fahrer haben zwar keinen Schalter, um auf Grün zu stellen, wie vielfach irrtümlich angenommen wird, wohl aber einen Computer an Bord, der sich über am Straßenrand installierte Baken im Kreuzungsbereich an- und abmeldet. Ampeln zu hacken, wie zuweilen in Hollywood-Filmen zu sehen, ist laut Westerich in Gütersloh nicht möglich. "Alles kryptisch verschlüsselt", sagt er. Als der Diplom-Verkehrsbauingenieur vor fast 40 Jahren den Job übernahm, sahen die Ampeln zwar so aus wie heute, waren aber doch gänzlich anders. "Die alte Technik ist mit der heutigen überhaupt nicht zu vergleichen", sagt er. Damals habe man für die Schaltung Telefontechnik genutzt, die Schaltzentrale für die innerstädtischen Ampeln befand sich in der Unterführung der Friedrich-Ebert-Straße. "Dort klapperte und schepperte es, jedes Licht machte einen Ton", erinnert sich Westerich. Die Taktung sei damals über Quecksilberröhrchen gehalten worden, wollte man die Grünzeiten verändern, musste man an den Ampeln die Drähte mit einem Lötkolben neu verbinden. Dank LED konnten die Stromkosten reduziert werden Mit dem Aufkommen der ersten Computer änderte sich in den 80er Jahren auch die Technik. "Die Ampeln wurden intelligenter und sind miteinander vernetzt worden." Als die Stadt 1989 vom Land NRW eine Förderzusage bekam, war es Westerichs Aufgabe, ein modernes Verkehrsrechnersystem aufzubauen, um eine verkehrsabhängige Steuerung der damals etwa 100 Ampeln mittels Mikroprozessoren zu ermöglichen. Der dafür benötigte Computer in Waschmaschinengröße war im ZOB untergebracht, dort, wo heute der Aufenthaltsraum der Busfahrer ist. Mittlerweile hat die dritte Generation der Verkehrsrechner Einzug gehalten, man sei sozusagen auf dem neuesten Stand der Technik. Dank LED statt Glühlampen konnten in den vergangenen Jahren die jährlichen Stromkosten von 200.000 D-Mark auf jetzt 35.000 Euro gesenkt werden. Kreisverkehre können Ampeln nicht immer ersetzen Übrigens: Kreisverkehre, wie sie oft als Allheilmittel für fließenden Verkehr angepriesen werden, können Ampeln nur bedingt ersetzen: &bdquo;Sie haben nur ein bestimmtes Fassungsvermögen", sagt Westerich. &bdquo;An der B61 beispielsweise würden sie die Belastungsgrenze bei weitem sprengen." So wird Westerich auch weiterhin die Gütersloher Ampeln takten und vernetzen. Zumindest noch bis Ende des Jahres. Dann soll endgültig Schluss sein für den 69-Jährigen, der eigentlich schon in Rente war, von der Stadt aber zurückgeholt wurde, weil sein Nachfolger plötzlich verstarb und niemand so schnell in die komplexe Materie eingearbeitet werden konnte.

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