Gütersloh

Das sind die Retter unserer Autobahnbrücken

Manfred Heßmann und Iris Kettler kontrollieren die Brücken auf Landstraßen und Autobahnen. Mit Helm und Warnweste sind sie tagtäglich unterwegs. Warum ihr Job so wichtig und gefährlich zugleich ist.

Im Dienste der Sicherheit: Manfred Heßmann (65) ist an fünf Tagen pro Woche auf den Landes-, Bundesstraßen und Autobahnen in NRW unterwegs. Fotos (3): Jens Dünhölter | © Jens Dünhölter

12.08.2019 | 12.08.2019, 17:10

Kreis Gütersloh. Als sie mitten auf dem Pfeiler den abgeplatzten Beton entdeckt, kann sich Iris Kettler (47) ein süffisantes Schmunzeln nicht verkneifen. „Genau deshalb sind wir unterwegs", sagt die mit Sichtschutz und Helm ausgestattete Ingenieurin und schwingt den Hammer – ihr wichtigstes Arbeitsgerät. Sekundenbruchteile später bröselt auf dem Mittelpfeiler der Autobahnbrücke „Gut Geweckenhorst" auf der A 2 zwischen Rheda-Wiedenbrück und Herzebrock der Beton.

Der durch eindringendes Wasser verursachte Schaden sei „nicht gefährlich, aber es muss gemacht werden", stellt die Expertin fest, während sie die Stelle für die mit der Ausbesserung mit gelber Kreide markiert. Leicht zu verstehen sind weder Iris Kettler, noch ihr Kollege Manfred Heßmann (65). Um sich mit den beiden an ihrem Arbeitsplatz verständigen zu können, müssen entweder die Stimmbänder strapaziert, oder der Abstand auf unter eine Armlänge reduziert werden.

Abgeplatzt: Der Betonpfeiler an der A 2 wird mit gelber Kreide markiert. - © Jens Dünhölter
Abgeplatzt: Der Betonpfeiler an der A 2 wird mit gelber Kreide markiert. | © Jens Dünhölter

Keine zwei Meter von dem von zwei Vorwarnfahrzeugen, einem Sicherungs-Lkw sowie einem Hubsteiger begleiteten Duo donnern im Sekundentakt Pkw, Lkw, Transporter und Gespanne vorbei. Lärm, Krach, Wind, Wetter, Hitze, Regen gehört für die beiden Brückenprüfer von Straßen NRW nach vielen gemeinsamen Jahren auf den Autobahnen oder Landstraßen jedoch mittlerweile genau so zu ihrem ungewöhnlichen Berufsbild, wie Proteste, Drohgebärden oder andere Reaktionen von wütenden Autofahrern. „Man gewöhnt sich dran.

Teams bestehen aus einem Ingenieur und einem Techniker

Ein halbes Auge ist immer auf den Verkehr gerichtet. Aber unser Hauptaugenmerk gilt den Brücken. Deshalb sind wir schließlich unterwegs", stellt Iris Kettler angesichts des immer höher werdenden Verkehrsaufkommens fest.

Alleine in NRW gibt es rund 10.000 Bauwerke wie Brücken und Tunnel. Dazu kommen „Verkehrszeichen-Brücken" zur Anzeige der Fahrtrichtungen. Alle diese Bauwerke regelmäßig auf Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit zu überprüfen, ist Aufgabe des Landesbetriebs Straßen NRW. An fünf Tagen pro Woche sind dazu parallel sechs immer aus einem Ingenieur und einem Techniker bestehende Teams im Rheinland sowie die gleiche Anzahl von Prüfern in Westfalen unterwegs.

Schaut genau hin: Iris Kettler (47) arbeitet als einzige weibliche Ingenieurin unter anderem im Bereich der A 2 zwischen Kamener Kreuz und Niedersachsen. - © Jens Dünhölter
Schaut genau hin: Iris Kettler (47) arbeitet als einzige weibliche Ingenieurin unter anderem im Bereich der A 2 zwischen Kamener Kreuz und Niedersachsen. | © Jens Dünhölter

Iris Kettler als einziger weiblicher Ingenieurin und ihrem Techniker Manfred Heßmann obliegt der große Bereich der A 2 vom Kamener Kreuz bis Niedersachsen, die A 33, ein Teil der A 4 bei Freudenberg, die B 236 in Dortmund sowie Landes- und Bundesstraßen im Bereich der Straßenmeistereien in Schieder, Lemgo, Halle und Wiedenbrück. Um vor von Verkehrsbelastung oder Materialermüdung eventuell verursachten Schäden in den Beton-Stahl-Konstruktionen auf der sicheren Seite zu sein, ist für jedes Bauwerk alle sechs Jahre eine umfangreiche Hauptprüfung durch die Fachleute von Straßen NRW vorgeschrieben.

Dazwischen rücken die Fachleute nach drei Jahren zu einer einfachen Prüfung an. Zusätzliche, ebenfalls der Verkehrssicherheit dienenden Kontrollen, obliegen gestaffelt nach Aufwand den Autobahnmeistereien in Form der alle sechs Monate erfolgenden Beobachtung, respektive der jährlichen Besichtigung. Was, wann, wie an Brücken, in Tunneln oder an Schutzwänden genau geprüft werden muss, legt die Din-Norm 1.076 exakt fest.

„Das ist unsere Bibel", lacht Iris Kettler. Die Blondine mit den strahlend blauen Terence-Hill-Augen ist seit 2005 für Straßen NRW auf der Suche nach „Rissen, die unbedenklich sind, Rissen, die beobachtet werden müssen und Rissen, die umgehend ausgebessert werden müssen."

Noten von 1,0 bis 4,0

Währenddessen sinniert Manfred Heßmann über das Hauptproblem des Berufes: „Wir suchen nach Sachen, von denen wir nicht wissen, ob sie überhaupt da sind." Besser sei natürlich, „wenn alles in Ordnung ist". Überprüft werden an diesem Vormittag die vier Rheda-Wiedenbrücker Brücken in Fahrtrichtung Dortmund. Jede deutsche Autobahnbrücke ist mit Noten von 1,0 (sehr guter Zustand) bis 4,0 (ungenügender Zustand) versehen. Die Zustandsnote 3,4 für das 1978 gebaute Überführungsbauwerk „An der Wegböhne" verrät nach Ansicht der Prüferin nichts gutes: „Das ist eine schlechte Brücke. Das haben wir nicht oft."

Mittels Seh-, Klopf-, Hammer- und Lichttest werden am Boden oder im variabel fahrbaren Korb des Hubsteigers Pfeiler, Unter-, Seitenteile, Brückenlager sowie Schutzeinrichtungen wie Geländer oder Schutzplanken gründlich geprüft. Aus der Bestandsaufnahme der einzelnen Fahrspuren ergibt sich am Ende die Gesamtnote, die wiederum die Basis für konkrete Handlungsempfehlungen ist.

Auch am nächsten Bauwerk „Auf der Radheide" werden für die Arbeit im Hubsteiger mit Sicherheitsgeschirr wie die Bergretter ausgestatteten Prüfer fündig. Manfred Heßmann entdeckt am Brücken-Kragarm ein freiliegendes Eisen: „Wir müssen jeden Zentimeter auf jeder Fahrspur untersuchen. Das dauert nun mal seine Zeit". Gegen Mittag sind die linken Seiten der vier Brücken überprüft. An Nachmittag ist die Gegenspur Richtung Hannover an der Reihe.