Klares Stament: „Es ist unangemessen, einen Klimanotstand auszurufen“

Herr Kollmeyer, zu Hause ist es eben doch am schönsten, oder warum haben Sie Ihren Hof als Treffpunkt für dieses Gespräch ausgewählt? Heiner Kollmeyer: Das kann man so sagen. Hier tanke ich Kraft und Energie für das Alltagsgeschäft. Sind Sie selbst noch als Landwirt aktiv? Kollmeyer: Insbesondere morgens unterstütze ich meinen Sohn im Betrieb. Aber die meisten Entscheidungen trifft er. Als erstes müssen früh morgens die Schweine versorgt werden. Heute Morgen mussten auch Tiere verladen werden, die dann zum Schlachthof gebracht wurden. Was kann und sollte die Landwirtschaft zu einem besseren Klimaschutz beitragen? Kollmeyer: Die Landwirtschaft macht sich wegen der zunehmenden Hitzeperioden verstärkt Gedanken über neue Pflanzenzüchtungen. Aber es wurden in den vergangenen Jahren auch immer mehr Blühstreifen an den Ackerrändern angelegt. Vielerorts, auch hier, verzichten Landwirte mit diesem Umweltbeitrag freiwillig auf Ernteerträge. Wapelbad Sie sind auch Eigentümer des benachbarten Wapelbads. Halten Sie die Lärmauflagen für gerechtfertigt? Kollmeyer: Insbesondere mit Blick auf unseren Nachbarn halte ich die Auflagen für angemessen. Dort werden als wichtiges Standbein Pensionspferde gehalten. Wenn dann im Wapelbad Partys länger dauern als erlaubt oder Pyrotechnik eingesetzt wird, hat das nachteilige Auswirkungen auf die sensiblen Tiere. Daher bin ich für Reglementierungen. Stört Sie als Nachbar der Musikpegel der Wapelbeats? Kollmeyer: Das ist zweifelsohne störend. Selbst bei geschlossenen Fenstern hört man die wummernden Bässe immer noch. Aber fünf Mal im Jahr kann man das akzeptieren. Klimaschutz Derzeit beherrscht kein anderes Thema die Debatten so sehr wie der Klimaschutz, auch auf lokaler Ebene. Man hatte zuletzt den Eindruck, dass Ihnen und der CDU das nicht so wirklich passt. Kollmeyer: Die Notwendigkeit der Klimadebatte wird von uns akzeptiert und für richtig erachtet. Aber wenn es darum geht, eine Situation zu beschreiben, haben wir klar gesagt, dass wir es für unangemessen halten, einen &bdquo;Klimanotstand" auszurufen. Den Begriff halten wir für überzogen. Klimaziele lassen sich auch auf andere Weise erreichen. Gütersloh hat da in den vergangenen 20 Jahren schon eine Menge erreicht. Beim Klima liegen CDU und Grüne in Gütersloh zwar etwas auseinander. Aber sonst lebt die frühere Plattform der beiden Ratsfraktionen anscheinend wieder auf. Kollmeyer: Den Eindruck kann man haben, ganz so ist es ist aber nicht. Beide Seiten sprechen sehr viel miteinander, insbesondere wenn es darum geht, für bestimmte Themen Mehrheiten zu organisieren. Selbst als es vor den Ferien um die Frage ging: &bdquo;Klimanotstand ja oder nein?" konnten wir uns schnell auf einen Kompromiss verständigen. Bei den Kommunalwahlen wird aber natürlich jeder erst mal seine eigenen Ziele verfolgen. Bürgermeisterwahl Schickt die CDU kommendes Jahr erneut Henning Schulz ins Rennen ums Bürgermeisteramt? Kollmeyer: Davon gehe ich sicher aus. Mir ist nichts von einem anderen Kandidaten bekannt. Wenn er denn möchte, wird Henning Schulz für uns wieder antreten. Das dürfte der CDU-Stadtverband, der offiziell über die Kandidatur entscheidet, nicht anders sehen. Der Eindruck herrscht vor, dass bei den großen Themen meistens die Verwaltung die Linie vorgibt und die Politik lediglich entscheidet, ob sie da mitgeht oder nicht. Gehen der Politik die eigenen Ideen aus? Kollmeyer: Das sehe ich nicht so. Insbesondere beim Thema Baulandmanagement haben wir Druck auf die Verwaltung ausgeübt und eine neue Vorlage mit konkreten Schritten eingefordert. Das ist jetzt auch geschehen. Mitunter hat die Politik auch gar kein Mandat, Verhandlungen zu führen. Ich nenne da beispielsweise die Verwendung der ehemaligen Britenhäuser. Das ist eine Sache, die muss die Verwaltung mit der Bundesanstalt BImA aushandeln. Aber ein größeres Thema, das auf die Idee einer Fraktion zurückgeht, ist auf Anhieb nicht zu erkennen? Kollmeyer: Nehmen Sie doch den CDU-Antrag für den kommenden Planungsausschuss im September: Vor dem Hintergrund des geplanten Ausbaus des Hauptbahnhofs um einen weiteren Bahnsteig fordern wir ein Konzept, um den Zugangstunnel bis zum Areal &bdquo;Gleis 13" zu verlängern. Das ist ein Beispiel für ein Thema, das die Verwaltung vielleicht nicht aufgegriffen hätte. Wohnen Apropos Wohnbaulandstrategie: Kaum jemand dürfte damit gerechnet haben, dass die Stadt jetzt mit Aktivierungsfristen und kommunalem Baulandmanagement stark ins private Eigentum eingreift. Und erst recht nicht, dass die CDU das unterstützt. Kollmeyer: Klassische CDU-Politik darf sich auch mal verändern und sich mehr an sozialen Bedürfnissen orientieren als in der Vergangenheit. In diesem Fall geht es um preiswerten Wohnraum. Wenn wir es damit ernst meinen, müssen wir Steuerungsinstrumente schaffen.Wir halten es für legitim und nicht für einen Eingriff, wenn Bauland, das aus unterschiedlichsten Gründen von den Eigentümern nicht aktiviert wird, wieder umgewidmet wird. Zusammen mit der angemessenen Nachverdichtung von Wohnsiedlungen liegt nun ein ausgewogenes Paket auf dem Tisch. Von Enteignung kann, wie noch bei dem Vorschlag von vor einem Jahr, keine Rede mehr sein. Medizinische Versorgung Bei welchen zwei Themen sehen Sie bis zur Kommunalwahl den dringendsten Handlungsbedarf? Kollmeyer: An erster Stelle ist die Zusammenarbeit zwischen dem Städtischen Klinikum und dem St.-Elisabeth-Hospital zu nennen. Angesichts der Studie der Bertelsmann-Stiftung und der dort getroffenen Aussage, dass etwa die Hälfte der deutschen Krankenhäuser geschlossen werden sollte, bekommt das Thema eine besondere Dimension. Hier muss mit voller Fahrt weiter verhandelt werden. Und das zweite Thema? Kollmeyer: Vor der Sommerpause sind mehrere wichtige Themen auf den Weg gebracht worden. Natürlich muss das Klimapaket vorangebracht werden. Eine hohe Priorität hat auch der Wohnungsbau. Es wäre gut, wenn die BImA ihre Wohnungen zügig vermietet, vorrangig an solche bedürftigen Familien, die bei der Stadt auf entsprechenden Wartelisten stehen. Der Digitale Aufbruch, den Ihr Bürgermeister propagiert, zählt also nicht zu den Topthemen? Kollmeyer: Das ist ein langfristiger Prozess über die nächsten vier, fünf Jahre und kann nicht bis zu den Kommunalwahlen erledigt werden. Kaserne Geht Ihnen der Konversionsprozess bei den Kasernen und bei den Siedlungen schnell genug? Kollmeyer: Bei den Mansergh Barracks ist jetzt eine gewisse Dynamik und eine klare Linie zu erkennen. Anders sieht es beim Flugplatz aus. Das geht viel zu langsam voran. Die BImA sollte sich meiner Meinung nach nicht nur auf den nördlichen Teil der Marienfelder Straße konzentrieren, sondern parallel dazu das Hauptareal in den Fokus nehmen. Es wäre gut, wenn die Flexibilität, die bei den Briten-Wohnungen bewiesen wurde, jetzt auch beim Flugplatz gezeigt wird. Wollen Sie zur Erschließung des neuen Gewerbegebietes dort den Pavenstädtern wirklich eine breite Verkehrsspange vor die Nase setzen? Kollmeyer: Es ist dringend nötig, die Debatte zu versachlichen. Pavenstädt wird dadurch nicht zerschnitten. Mit dem Stellbrink besteht ja bereits eine Straße zwischen der Marienfelder und der Herzebrocker Straße. Es geht auch gar nicht um einen Autobahnzubringer, wie die Kritiker behaupten. Bislang liegen nur Aussagen des Verkehrsgutachters vor. Es gibt keinerlei Linienbestimmung oder Ähnliches. Daher sollten wir jetzt erst die Verhandlungen mit der BImA und das geplante Mobilitätskonzept für das gesamte Areal abwarten. Für Hysterie, die teilweise betrieben wird, besteht kein Anlass. Fusion der Kliniken Noch einmal zurück zum Thema Krankenhauslandschaft: Ist eine Fusion des Städtischen Klinikums und des Elisabeth-Hospitals die einzige Rettung für den Standort Gütersloh? Kollmeyer: Je eher die beiden Häuser erklären, noch enger zusammen zu arbeiten als bisher, desto größer die Aussichten für eine weitere Existenz. TWE-Reaktivierung Glauben Sie an einen Erfolg des Großprojekts TWE-Reaktivierung? Kollmeyer: Von dem Erfolg bin ich überzeugt. Nachdem uns inzwischen auch noch die Betriebskosten abgenommen wurden, können wir auch gar nicht mehr zurück. Und natürlich auch nicht unter dem Eindruck der Klimadebatte. Alle Akteure im Kreis sollten nicht nur an den Erfolg glauben, sondern auch daran arbeiten. Wenn wir diese Chance nicht nutzen, wären wir mit dem Klammerbeutel gepudert. Aber es stellt sich auch die Frage, ob die Anzahl der Haltepunkte ausreicht, damit die Arbeitnehmer aus den großen Betrieben das Angebot tatsächlich nutzen. Und was sagen Sie Anwohnern der Strecke, die zusätzlichen Lärm befürchten? Kollmeyer: Das Pfeifen der Züge soll ja entfallen. Aber natürlich bringt der Zugbetrieb Geräusche mit sich. Allerdings sollte unter dem Aspekt des Klimaschutzes die Bereitschaft bestehen, ein gewisses Maß zu akzeptieren, so wie auch ich auf meiner Terrasse die Geräusche der Windräder nebenan im Rhedaer Forst akzeptiere. Leerstand In der Innenstadt nehmen Leerstände und Geschäftswechsel immer mehr zu. Macht Ihnen das Sorgen? Kollmeyer: Das beunruhigt mich schon lange. Die Mieten waren lange zu hoch. Aber inzwischen ist es selbst dann nicht einfach, Interessenten zu finden, wenn die Konditionen günstiger sind. Wie kann die Innenstadt attraktiver gemacht werden? Kollmeyer: Mit der Immobilien-Standort-Gemeinschaft (ISG) Mittlere Berliner Straße wurde ein gutes Fundament gelegt. Hier engagieren sich die Eigentümer vorbildlich. Das Modell wird hoffentlich auf die Königstraße übertragen. Aber letztlich muss sich jeder Bürger selbst fragen, ob er inhabergeführte Geschäfte unterstützen will oder ob er doch im Internet die Waren bestellt. Auch gilt es, mit Hilfe von Gütersloh Marketing die Innenstadtfeste zu forcieren. Das muss gar nicht immer mit einem verkaufsoffenen Sonntag verbunden sein. Kommunalwahl 2020 Ein Ausblick auf die Kommunalwahl 2020: Erstmals will die AfD in Gütersloh antreten. Bei der Europawahl im Mai ist die Partei schon auf fast 9 Prozent der Stimmen gekommen und die CDU auf 27 Prozent abgesackt. Womit rechnen Sie kommendes Jahr? Kollmeyer: Die AfD wird wohl in den Rat einziehen, auch wenn wir deren Personal noch nicht kennen. Die Partei hat jedenfalls auch in Gütersloh ihre Klientel. Sollten wir als CDU ein Ergebnis wie bei der Europawahl einfahren, wäre das verheerend. Aber das wird nicht passieren, da uns eine gute persönliche Durchdringung bei kommunalen Themen in allen Ortsteilen und Wahlkreisen zugute kommen wird. Wir werden mit einigen neuen, jungen Kandidaten in den Wahlkampf ziehen. 2014 holte die CDU bis auf zwei Ausnahmen sämtliche Direktmandate. Lässt sich das unter diesen Vorzeichen wiederholen? Kollmeyer: Das bleibt nach wie vor unser Ziel. Nicht zu vergessen: Die Grünen landeten im Mai bei über 26 Prozent und holten zehn von den 22 Gütersloher Wahlbezirken. Deutet sich da ein Machtwechsel an? Kollmeyer: So ein Wahlergebnis ist immer auch eine Momentaufnahme, dennoch haben wir natürlich großen Respekt davor. Gewiss hat das Thema Klimaschutz bei den Grünen zu einem Push geführt, vor allem bei jungen Wählern. Aber wenn auch wir diese Themen glaubhaft besetzen, werden wir wieder für alle Wählergruppen interessant. FC Gütersloh Noch eine Prognose des Co-Vorsitzenden des FC Gütersloh: Wo landet der Oberligist in der kommenden Saison? Kollmeyer: Platz 5 oder 6. Schreiben Sie: Platz 6. Und der CDU-Politiker, macht der nächstes Jahr mit fast 65 noch weiter im Rat? Kollmeyer: Nach jetzigem Stand würde ich mich bereit erklären, noch einmal anzutreten; vielleicht nicht für die gesamte Amtsperiode. Grundvoraussetzung ist natürlich, dass die Gesundheit mitspielt und dass die Partei mich nominiert.

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