Gütersloh. Nach einem Essen im Restaurant beträgt die Rechnung 31,80 Euro. Wie viel Trinkgeld ist jetzt angebracht? 35 oder doch lieber nur 32 Euro? Wer Trinkgeld gibt, gilt als spendabel. Wer kein Trinkgeld gibt, wird schnell als geizig abgestempelt. Eine Stichprobe in Gütersloh zeigt: Für viele Service-Kräfte in Cafés, Bars und Restaurants ist das Trinkgeld eine gern gesehene Aufmerksamkeit, auf die keiner verzichten möchte – aber auch niemand bestehen will.
Rena Heitmann arbeitet im Brauhaus Gütersloh. Sie ist gelernte Hotelfachfrau und seit 18 Jahren in der Gastronomie tätig. „Mir ist wichtig, dass die Gäste zufrieden sind und der Service gut funktioniert. Trinkgeld muss nicht sein, ist aber eine schöne Aufmerksamkeit, von der ich mir etwas in die Urlaubskasse zurücklegen oder einkaufen gehen kann", sagt sie. Ihr sei es noch nie so vorgekommen, als würden die Gäste die Position ausnutzen, aus der sie Trinkgeld geben.
Wer bekommt denn überhaupt das Trinkgeld?
In ihrem Lokal werde das Trinkgeld am Ende eines Abends auf das gesamte Personal umgelegt – damit jeder, der zum Team gehöre, etwas davon habe, etwa auch diejenigen, die in der Küche die Speisen zubereiten. „Ein innerbetrieblich fairer Umgang mit dem Trinkgeld ist gut für den Zusammenhalt des Personals und das Engagement für den Betrieb", sagt sie.
Tamara Georgidias macht ähnliche Erfahrungen. „Reich wird man vom Trinkgeld nicht. Der Bonus der Gäste ist jedoch angemessen. Von dem Geld kann ich auch mal essen gehen oder volltanken." Georgidias ist im Restaurant „Bankery" in der Innenstadt beschäftigt. Einen Anteil dessen, was sie an den Tischen „oben drauf" bekommt, müsse auch sie mit dem Personal teilen, das in der Küche oder an der Bar arbeite. Das sei allerdings völlig in Ordnung, „weil auch diese Kollegen eine Leistung erbringen, die zum guten Betrieb einen Beitrag leistet", sagt die 42-Jährige.
"Während der Weihnachszeit sind die Menschen einfach spendabler"
Carla Egger ist erst seit November 2018 in der BarCelona beschäftigt und hat schon jetzt festgestellt, dass es unterschiedlich ist, wie hoch ein Trinkgeld ausfällt. „Während der Weihnachtszeit ist das Trinkgeld sehr üppig ausgefallen, und ich habe mich sehr darüber gefreut. Die Menschen sind dann einfach spendabler. Ich kann das Geld sparen und möchte irgendwann davon in den Urlaub fahren." In ihrem Lokal gelte der Leitspruch: „Sei nicht sauer, wenn es kein Trinkgeld gibt, sondern froh, wenn es welches gibt." Auch sie müsse das Trinkgeld mit Kollegen teilen, die nicht direkt an den Tischen arbeiten.
Für alle drei ist Trinkgeld offenbar eine Wertschätzung der Arbeitsleistung. Eine Gefahr, die ihnen das Trinkgeld streitig machen könnte, sehen sie weder bei Kollegen noch beim Arbeitgeber. Vielmehr wäre es ein starker Einschnitt, falls das Trinkgeld steuerpflichtig werden würde. „Fällt das Trinkgeld weg oder käme nur unter Abzügen bei mir an, wäre das mit einer Lebensumstellung verbunden. Denn das Trinkgeld stockt das Grundgehalt nun mal auf", sagt Rena Heitmann.
"Das Anrecht auf Trinkgeld liegt beim Personal"
„Das Anrecht auf Trinkgeld liegt beim Personal", erläutert Thorsten Kleile von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten für die Region OWL. „Es ist eine zusätzliche Einnahmequelle – trotzdem kommt es vor, dass der Arbeitgeber versucht, an verschiedenen Stellen einen Anspruch auf das Trinkgeld geltend zu machen, um es in die eigene Tasche zu stecken.", sagt Kleile.
Sei dies der Fall, müsse die Gewerkschaft einschreiten." Es gebe zwar überall schwarze Schafe, aber in der Regel würde kein Arbeitgeber so an das Trinkgeld seiner Mitarbeiter herangehen, sagt der Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverband, Andreas Kerkhoff. „Bei uns im Ringhotel Appelbaum ist das Trinkgeld eine Angelegenheit, die komplett in den Händen des Personals liegt", erläutert er die Situation im eigenen Gastronomiebetrieb.
Und was ist, wenn's mal kein Trinkgeld gibt?
Für ihn sei die freiwillige Aufstockung der Rechnung eine Wertschätzung für die geleistete Arbeit. Es käme auch auf eine gewisse Form der Persönlichkeit an, damit sich der Gast entsprechend erkenntlich zeige. „Wenn sich ein Gast mit einem üppigeren Dankeschön revanchiert, habe ich vorher mit Sicherheit gute Arbeit geleistet. Mit Berufserfahrung kann ich da auftrumpfen und bekomme möglicherweise mehr Trinkgeld als ein Neuling im ersten Lehrjahr", sagt der Gastronom.
Falls es mal kein Trinkgeld geben sollte, rät er zur Selbstkritik und nicht dazu, den Fehler bei anderen zu suchen. Jemand, der kein Trinkgeld gebe, wäre nicht automatisch geizig, sondern vielleicht unzufrieden mit der Bewirtung. „In der Regel sollte ein Gast, wenn er mit der Bewirtung zufrieden gewesen ist, zwischen 10 und 15 Prozent des Rechnungsbetrags als Trinkgeld dazugeben", empfiehlt Kerkhoff.