
Gütersloh. Vom Gütersloher Parkour-Camp hatte Björn (29) aus Hamburg bislang wahre Wunderdinge gehört: "Egal wo man war, alle haben immer gesagt: ,Du musst unbedingt mal nach Gütersloh. Das ist Weltklasse da.' Das habe ich mir nicht zweimal sagen lassen." Als die Anmeldung für die 200 Startplätze des mittlerweile 11. Treffpunktes für Traceure im Frühjahr online ging, sicherte sich der Hanseat ganz fix seinen Platz.
Gemeinsam mit etwa 100 weiteren Premierengästen aus halb Deutschland, England und sogar aus Australien saugte der Hamburger von Freitag bis Sonntag den Geist des längst etablierten, in der gesamten Sportlerszene bekannten, Treffpunktes auf. Das Ergebnis auf Deutschlands größter Outdoor-Anlage stellte die Erwartungen weit in den Schatten: "In ganz Hamburg gibt es keine so coole Location. Das Außengelände ist extrem weitläufig, die Hindernisse super, es ist an alles gedacht, die Organisatoren sind super cool - Gütersloh ist echt schön. Ich kenne keine Outdoor-Veranstaltung, die da mithalten kann."
Wie zum Beweis seiner Begeisterung nahm er zwei, drei Schritte Anlauf, sprang ab, katapultierte seinen Körper leichtfüßig in die Höhe, um mit einem weiten Satz drei Meter weiter mit sicherem Stand auf der nächsten Absprungbasis zu landen. Dem offiziellen Parkour-Camp-Initiator Claus-Peter "Pit" Mosner vom Fachbereich Jugend und Bildung der Stadt nebst seiner gut 50-köpfigen Helferschar gingen diese Worte runter wie Öl.
"Wir wollen die vorhandene Fläche nutzen"
Die stellvertretende Bürgermeisterin Monika Paskarbies setzte sogar noch einen obendrauf. In ihrer kurzen Begrüßungsansprache betitelte sie den mit allen Jugendlichen per Du befindlichen Mosner als "Pit ist unser Parkour Camp. Ohne seine Erfahrung und sein Herzblut wäre das Camp nicht das, was es ist".
Hinter den wohlklingenden Worten steckt in jedem Jahr auch jede Menge Vorarbeit nebst einer gehörigen Portion Gehirnschmalz beim Justieren der kleinen, aber oftmals den Unterschied ausmachenden Stellräder. Nach dem 2018 erfolgten Camp-Umzug vom bewährten Standort an der Janusz-Korczak-Schule zur im Mai vergangenen Jahres neu eröffneten Anlage an der Ahornallee mitsamt einiger "räumlicher Experimente" (Mosner) bei der Vorjahresauflage, waren die zu überwindenden Hindernisse in diesem Jahr wesentlich enger zusammen gerückt. Pit Mosner: "Das Areal hier ist wesentlich größer als das an der Janusz-Korzak-Schule. Wir wollten einfach die vorhandene Fläche besser nutzen."
Die Verdichtung gab dem Zusammenkommen der Parkour-Familie zusammen mit dem auf dem Parkplatz errichteten Hindernis-Gerüst noch einmal neuen Charme. Wie in jedem Jahr neu war auch das Motto. Für die inzwischen schon elfte Auflage hatten sich die Ausrichter für die aus dem Land des Parkour-Ursprunges (Frankreich) stammende Aussage "Tout le Monde" (Alle zusammen, alle gemeinsam, vereint) entschieden. Monika Paskarbies entdeckte darin gleichzeitig den primären Parkoursinn sowie den primären Unterschied zu anderen Sportarten: "Es ist kein Wettbewerb, bei dem der eine gegen den anderen antritt, sondern ein Miteinander, ein Voneinander lernen, ein sich Helfen und Unterstützen".
"Selbstüberschätzung ist bei uns Schwäche"
Die Richtigkeit dieses Satzes bestätigt eine Szene am Rande. Als zwei Könner gleichzeitig von verschiedenen Seiten über eine Mauer springen wollen, überlässt der eine dem anderen mit den Worten "Das ist kein Privatbesitz" den Vortritt. Vorsichtshalber gab Pit Mosner den 14- bis 22-Jährigen beim stufenweisen Erkunden ihrer körperlichen Grenzen an den Hindernissen eine Grundregel mit auf den Weg: "Selbstüberschätzung ist bei uns Schwäche. Denkt immer daran."
Zum Geist und Erfolgsgeheimnis des Camps gehören neben vielen liebevollen Details wie Obst- und Wasserflatrate, Massagen vor Ort, der Ausweichmöglichkeit Sporthalle Nord bei schlechtem Wetter oder dem großen Pool auch das gemeinsame Feiern in der Nacht zu Sonntag beim Open-Air-Konzert. Ab 22.30 Uhr konnten die Energiespeicher bei der Party mit der Band "Prison Effekt" wieder aufgeladen werden. Pit Mosner: "Musik gehört zur Jugendkultur. Das können und wollen wir nicht trennen." Wenn Björn demnächst auf anderen Szenetreffen unterwegs ist, wird er vermutlich in höchsten Tönen die Werbetrommel für das "12. Gütersloher Parkour-Camp" im Jahr 2020 rühren.