Deutschlands größte Freizeitanlage ihrer Art in Gütersloh plötzlich vor dem Aus

Gütersloh. Ende Dezember 2017 lautete die Schlagzeile: &bdquo;Deutschlands größte Parkour-Anlage öffnet in Gütersloh.“ Passend zur Weihnachtszeit fand eine Baustellenbesichtigung mit dem großzügigen Spender Werner Gehring und seiner Frau Martina Schwartz-Gering statt. Auf dem Pressefoto nur strahlende Gesichter, denn was mit dieser Anlage von Gütersloh ausging, war ein echtes Leuchtturmprojekt, die Stadt ist eine Hochburg dieser Trendsportart für Kinder und Jugendliche. Genau sieben Jahre später lautet die Schlagzeile: &bdquo;Gütersloh plant Einschnitte in der Jugendarbeit.“ Dahinter verbergen sich Sparmaßnahmen, die das Aus für den Parkour-Sport in Gütersloh bedeuten. 2026 sollen die Honorar-, Sach- und Dienstleistungskosten für Parkour unter dem Strich um 8.500 Euro reduziert werden. Ab 2027 sollen sämtliche Mittel in Höhe von 23.900 Euro für das Angebot bis auf eine Stelle für einen Trainer im Umfang einer 0,25-Stelle gestrichen werden. Folge: &bdquo;Mit der Kürzung in 2026 würde das alljährliche Parkour-Camp nicht mehr stattfinden können. Ab 2027 würde der Betrieb der Parkour-Anlage nur noch mit einem stark reduzierten und weitgehend isolierten Trainingsangebot möglich sein und keine flankierende Jugendarbeit mehr stattfinden“, wie es in der Vorlage der Stadtverwaltung heißt. Wissen die Gütersloher Politiker, was konkret auf dem Spiel steht? Der Arbeitskreis zur Haushaltskonsolidierung hat darüber befunden und stimmt der Einsparung zu. Andere Sparvorhaben aus dem Kinder- und Jugendbereich wurden zwischenzeitlich von der Politik revidiert, an dieser Einsparung hält man fest. &bdquo;Die fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema ist zu kurz gekommen“, sagt Dezernent Henning Matthes. Die Verwaltung habe einen Auftrag, sämtliche Einsparmöglichkeiten zu benennen. Dies sei erfolgt. &bdquo;Wir haben alles aufgelistet, was nicht im Regelsatz steht“, also auch das freiwillige Engagement der Stadt Gütersloh im Bereich Parkour. &bdquo;Damit verbunden war von unserer Seite aus nie die Aussage, dass die Parkour-Anlage wegkann.“ Matthes betont, dass auf die Risiken der Einsparung wie auch bei anderen Positionen deutlich hingewiesen worden sei. Wissen die Gütersloher Politikerinnen und Politiker genau, was mit der Streichung der Parkour-Gelder konkret auf dem Spiel steht? &bdquo;Ja“, sagt Matthes. &bdquo;Ja“, sagt auch Pit Mosner, Erziehungswissenschaftler und Leiter des Parkour-Projektes bei der Stadt Gütersloh. &bdquo;Das Projekt wird seit den Anfängen 2008 lückenlos dokumentiert“, ein solches Leuchtturmprojekt konnte man, so Mosner, kaum übersehen. Acht Trainer engagieren sich aktuell für den Trendsport &bdquo;Aber ob inhaltlich allen klar ist, welche pädagogische Meisterleistung darin steckt, daran habe ich Zweifel.“ In der Konsequenz werde man etwas verlieren, was man nicht wieder aufbauen könne. &bdquo;Viele Städte haben bei uns angefragt, Vereine aus ganz Deutschland wollten von uns wissen, wie wir das hinbekommen haben, so etwas Großes auf die Beine zu stellen.“ Lesen Sie auch: Gütersloh in dramatischer Finanzkrise: Emotionaler Austausch um Kürzungen bei der Jugend Acht Trainer engagieren sich aktuell für den Trend-Sport in Gütersloh - vor der Corona-Pandemie waren es sogar 14. &bdquo;150 Kinder und Jugendliche trainieren derzeit als feste Einheit“, erklärt Mosner. In der Waldorfschule Friedrichsdorf wird zwei Mal die Woche trainiert, am Standort der Parkour-Anlage an der Gesamtschule an der Ahornallee wird vier Mal trainiert - im Winter in der Sporthalle. Seit 2013 findet ein Inklusionstraining ohne Altersbegrenzung statt. &bdquo;Eigentlich ist es eine erlebnispädagogische Einrichtung, die jetzt geschlossen wird“, erklärt Pit Mosner. Henning Matthes gibt ihm recht. Inhaltlich sei es immer um Gewaltprävention gegangen. &bdquo;Die Jugendlichen lernen Respekt im Umgang mit sich selbst, denn eine Mauer verzeiht nicht.“ Altbürgermeisterin Maria Unger erinnert sich gerne an die Camps Pit Mosner ist selbst Teil der Szene, begleitet die Kinder und Jugendlichen und stellt fest: &bdquo;Die Werte, die wir uns im Umgang miteinander so oft wünschen, die entwickeln sich hier von selbst.“ Matthes positioniert sich als Sozialdezernent: &bdquo;Ich würde mich freuen, wenn die Anlage erhalten bliebe.“ Klar müssten Einsparungen erbracht werden, aber für ihn sei es eine Frage der Wirkung, &bdquo;die wir für jeden einzelnen Euro ausgeben.“ Altbürgermeisterin Maria Unger war Schirmherrin des Parkour-Projektes, es war ihr stets eine Herzensangelegenheit. &bdquo;Angesteckt von der Begeisterung der jungen Menschen, den körperlichen Herausforderungen dieses Sports, der ebenso sozial, auch sehr stark integrativ wirkte, war ich der festen Überzeugung, Gütersloh ist die Stadt, die es auch mit den engagierten Mitarbeitern aus der Verwaltung schafft, hier dieser Sportart einen festen Platz zu geben.“ Unger erinnert sich gerne an die alljährlichen Camps, die immer größere Dimensionen einnahmen. &bdquo;Dann kam die Eine-Million-Spende des Unternehmers Werner Gehring wie gerufen. Wir konnten das Ehepaar Gehring überzeugen, ein Drittel der Summe für den Bau einer Parkour-Anlage zu investieren.“ Gehring-Projekte stehen aus Kostengründen auf dem Prüfstand 2015 gratulierte sie als Stadtoberhaupt dem Unternehmer Werner Gehring zum 80. Geburtstag und dankte ihm ganz offiziell mit den Worten: &bdquo;Sein Engagement ist vorbildlich und wird von der ganzen Stadt gewürdigt.“ Maria Unger (SPD) hofft nach eigener Aussage, dass Politik und Verwaltung in der aktuellen Situation noch eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung finden. Lesen Sie auch: Parkour-Camp in Gütersloh lockt sogar Sportler aus Australien an Gehring spendete für die Parkour-Sportler, er ermöglichte den seit Jahren geplanten Brunnen vor dem Theater, und er unterstützte die bauliche Umgestaltung des Konrad-Adenauer-Platzes vor dem Rathaus. Alle drei Projekte stehen aus Kostengründen auf der Streichliste. Die beiden Brunnen sollen künftig stillstehen. Martina Schwartz-Gehring wurde per Anruf aus dem Rathaus über die geplanten Maßnahmen informiert. Eine politische Diskussion, ob man mit einer Schenkung in dieser Weise verfahren darf, ist bislang unterblieben. &bdquo;Es besteht mindestens eine moralische Verpflichtung, das Geschenk aufrechtzuhalten“, findet Henning Matthes. &bdquo;Aber vielleicht lernen wir aus dieser Situation, dass wir bei solchen Geschenken in Zukunft Verbindlichkeit vereinbaren.“ Das sagt Martina Schwartz-Gehring zu den Plänen Nachgefragt bei der Betroffenen selbst, formuliert Martina Schwartz-Gehring einen Satz, dessen Worte wohl gewählt sind: &bdquo;Ich habe großes Verständnis dafür, dass Politik und Verwaltung in einem ersten Schritt alle abstrakt denkbaren Einsparmöglichkeiten prüfen.“ Der Wegfall des Parcours-Angebots in seiner bisherigen Form, der Verlust des positiven deutschlandweiten Imageträgers Parkour-Camp und eine mögliche Verwahrlosung der Anlage in Folge von Einsparungen wären sehr schade. &bdquo;Denn mein Mann hat sich damals auf Vorschlag von Frau Unger bewusst dafür entschieden, mit seiner Spende diese so wertvolle Freizeitgestaltung für Jugendliche zu finanzieren.“ Das vielleicht letzte Parkour Camp findet in diesem Jahr statt vom 25. bis 27. Juli.

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