Radikale Idee für Bielefeld: Tempo 30 in der City und eine Verkehrsfläche für Auto und Rad

Bielefeld. Michael Holuch lässt im achten Sommergespräch über Bielefeld bei tropischer Hitze keine Zweifel aufkommen. &bdquo;Meine Heimatstadt ist nicht abstiegsbedroht – eher im Gegenteil“, sagt er, ohne lange zu zögern, auf die Frage, ob Bielefeld der Abstieg drohe. Und alle, die immer nur über Bielefeld schimpfen, lässt der 66-Jährige gleich noch wissen: &bdquo;Die, die immer nur nörgeln über ihre Stadt, die sollen mal nach Gelsenkirchen, Duisburg, Wuppertal oder oder schauen.“ Dann wüssten sie, was von Abstieg bedrohte Städte ausmacht. Er hingegen halte Bielefeld für &bdquo;eine der lebenswertesten Städte überhaupt“. Lesen Sie auch: NW-Sommergespräche (1): Bielefelder fordert Tempo 30 auf Ausfallstraßen und mehr Wasser Und woran macht der Rentner, der von 1980 bis 2023 in verantwortungsvollen und auch leitenden Positionen im Bereich IT/Finanzen bei Gildemeister, später GMD Mori tätig war, sein positives Bielefeld-Fazit fest? &bdquo;An dem extrem vielen Grün, das wir hier haben, an der tollen Struktur der Stadt, die sich in die Fläche ausdehnt und nicht zusammenballt, und auch an der starken Wirtschaft, die sehr breit aufgestellt ist und zum Wohlstand in der Stadt erheblich beiträgt, in dem sie zum Beispiel Fachhochschulen geschaffen hat.“ Und auch daran, &bdquo;dass wir zwar typische Großstadtprobleme wie andere Städte haben, sie aber auch deutlich besser im Griff haben.“ Lesen Sie auch: NW-Sommergespräche (2): Kulturboom in Bielefeld: Musiker hat eine positive Vision Holuch, der sich für das Arminia-Museum in der Schüco-Arena engagiert, verweist zudem auf eine starke Start-up-Szene in der Stadt mit der Founders Foundation und dem Pioneers Club, aber auch das Dürkopp-Areal sei ein gelungenes Beispiel dafür, wie sich alte Industrieviertel neu beleben lassen. Auch von der Kulturszene hält Holuch, der in Gellershagen lebt, und in Stieghorst aufgewachsen ist, viel. &bdquo;Vor allem das Areal um die Kunsthalle ist toll“, lobt er. Beim Thema Verkehr indes hat der Bielefeld- und Arminia-Fan dann doch ein paar kritische Anmerkungen mit auf den Balkon des Grünen Würfels gebracht. &bdquo;Ich bin der festen Überzeugung, dass wir das Thema Verkehr ganz neu denken müssen. Und zwar nicht vom Gegensatz zwischen Autos, Rädern und Fußgängern her, sondern ganzheitlich, ohne das Gegeneinander weiter zu befeuern.“ Tempo 30 in der gesamten Innenstadt Bielefeld brauche ein Verkehrskonzept für die nächsten 10, 15, 20 Jahre. Dessen Kernidee müsse lauten: &bdquo;Wie kriegen wir die Menschen dazu, auf das Auto zu verzichten und so den Verkehr aus der Innenstadt herauszuhalten?“ Dabei würde er zudem darauf setzen, dass nicht mehr jedes Fortbewegungsmittel seine eigene Verkehrsfläche bekommt, sondern dass sich alle in einem Verkehrsraum bewegen. Lesen Sie auch: NW-Sommergespräche (3): Ex-Unternehmer: &bdquo;Mehr Stadtbahnen und weniger Stadtbezirke“ &bdquo;Dazu würde ich Tempo 30 in der gesamten Innenstadt zur Pflicht machen, dann können sich zum Beispiel Räder und Autos auf einer gemeinsamen Straße ohne Probleme bewegen.“ Ein solcher gemeinsamer Raum fördere die Rücksichtnahme, da sie sich bei langsamerer Geschwindigkeit die Fahrbahn teilen müssten. Platz in der ohnehin engen City spare das auch, da keine getrennten Trassen mehr geschaffen werden müssten. Lesen Sie auch: NW-Sommergespräche (4): Kritik an Bielefelder Stadtfest: &bdquo;Leineweber zur Dorf-Kirmes verkommen“ Zudem müssten Verkehrsplaner begleitend dazu ein ausgefeiltes Nahverkehrskonzept entwickeln, das den Umstieg vom Auto sehr leicht mache. Schaffen würde er ebenfalls – vor allem im Bielefelder Hufeisen – einen fahrerlosen, durch Induktionsschleifen gesteuerten automatisierten Innenstadtverkehr, der Transportdienste übernehmen könnte. &bdquo;Technisch ist das alles möglich. Wir müssen doch nur in Produktions- und Lagerhallen von Industriebetrieben gucken, da sind solche automatisierten Transportsysteme längst Realität“, betont Holuch. Mehr für die Schulen tun Während Holuch mit der Sicherheit in Bielefeld nicht hadert (&bdquo;Ich fühle mich sicher in der Stadt“), hat er so seine Probleme mit dem Schulwesen im Lande. Bundesweit würde er die Länderhoheit in Sachen Bildung zugunsten eines bundeseinheitlichen Systems abschaffen. &bdquo;Dann hört das Durcheinander endlich auf.“ Lesen Sie auch: NW-Sommergespräche (5): Bielefelds Verkehr unter die Erde: Empfehlung eines Start-up-Visionärs Von der Stadt Bielefeld erwarte er ein stärkeres Augenmerk auf die Schulen und das Thema Bildung (&bdquo;vor allem wenn wir wirkliche eine Stadt des Wissens und der Wissenschaft sein wollen“) und nicht so ein ewiges, unseliges Hin und Her bei Schulbauprojekten wie zum Beispiel dem Ausbau des Gymnasiums am Waldhof. &bdquo;Das dauert alles viel zu lange und es fehlte am Waldhof mal wieder eine klare Strategie wie so oft bei diesem Thema in der Stadt“, beklagt Holuch. Da müsse sich eine Menge ändern, fügt Holuch an, der zwei Söhne hat und sich einst als Elternvertreter engagiert hatte. Lesen Sie auch: NW-Sommergespräche (6): Bielefelder Journalist geht hart mit der Stadt ins Gericht Holuch wünscht sich überhaupt, dass Politik und Verwaltung viel gründlicher an Strategien und Lösungen arbeiten sollten, ehe sie etwas halbgar in die Öffentlichkeit bringen, sodass es zerredet wird und gleich wieder in sich zusammenfällt. &bdquo;Vielleicht können sie vom DSC lernen, wo sie es mittlerweile sehr richtig machen und erst eine Strategie klar haben, bevor sie loslegen.“ Das Wirtschaftsbündnis OWL, in dem er als Pate mitwirkt, und das Arminia aus höchster finanzieller Not gerettet hat, hält Holuch für ein starkes Beispiel, wie zielorientiert gehandelt werden könne. Quartierswächter für mehr Sauberkeit In puncto Sauberkeit kann die Stadt – wie bereits für andere Sommergesprächsteilnehmer – auch für Holuch noch zulegen. Er verweist auf die italienische Stadt Siena. &bdquo;Dort haben sie Quartierswächter geschaffen, die ein ihnen zugeteiltes Areal stets im Blick haben, es durchstreifen und dort eingreifen, wo es in Sachen Sauberkeit zu wünschen übrig lässt und auch aktiv werden, wenn etwas schadhaft ist, beschmiert wurde oder sonst wie verunstaltet ist.“ Bielefeld sollte ernsthaft prüfen, ob so etwas nicht auch hier möglich wäre. Er halte das für eine gute Ergänzung zum Mängelmelderportal, das es ja bereits im Netz gebe. Das wäre ein Projekt, dass er gerne sofort umsetzen würde, wenn er die Chance dazu bekäme. Lesen Sie auch: NW-Sommergespräche (7): Bielefelderin über ihre Stadt: &bdquo;Mein Sicherheitsgefühl nimmt deutlich ab“ Und welche Gesamtnote würde der weltoffene Bielefeld-Fan für seine Stadt vergeben? &bdquo;Ganz klar“, sagt er ohne langes Zögern, &bdquo;eine 2,1“. Die Bestnote in den bisher acht NW-Sommergesprächen. Lesen Sie auch: Mein Ortscheck OWL: Alle Ergebnisse im Überblick

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