Kulturboom in Bielefeld: Musiker hat eine positive Vision

Bielefeld. Sigurd Müller ist Musiker. Da liegt die Frage nahe, in welchem Grundton er ein Musikstück über Bielefeld anstimmen würde. Der 58-Jährige muss nicht lange nachdenken, antwortet beim zweiten NW-Sommergespräch zum Thema &bdquo;Droht Bielefeld der Abstieg?“ im Grünen Würfel auf dem Kesselbrink: &bdquo;In G-Dur, denn ich mache eine durchaus heitere Grundstimmung in der Stadt aus, in der ich seit 29 Jahren lebe. Und auch um das gleich vorneweg zu sagen, Bielefeld befindet sich für mich nicht auf dem absteigenden Ast.“ Damit wäre der Grundton für das Gespräch gesetzt. Und woran macht der freie Musiker sein positives Urteil fest? Lesen Sie auch: Mein Ortscheck Bielefeld - Wie lebt es sich in Bielefeld? Er habe den Eindruck, dass es der Stadt über die Jahre hinweg gelungen sei, sich erfolgreich als Stadt der Mitte und des Ausgleichs zu etablieren, in der es sich gut leben lasse. &bdquo;Für mich befindet sich die Stadt in einem angenehmen Gleichgewicht, gerade weil sie nicht ständig mit Leuchtturmprojekten glänzen und nach oben streben und mehr Schein als Sein will.“ Stattdessen achten die Verantwortlichen darauf, dass sich die Stadtgesellschaft gleichmäßig entwickelt und die Menschen hier wirklich die Chance haben, ihren Weg zu gehen, betont Müller, der aus Eschwege an der Werra in Nordhessen stammt und einst an der Musikhochschule Detmold studiert hat, ehe es ihn 1998 nach Bielefeld – zu den Bielefelder Philharmonikern zog. Lesen Sie auch: Verkehrswende Bielefeld: Aktuelle News & Informationen Aber dass es auch Probleme in der Stadt gibt, negiert Müller nicht. Den überbordenden Verkehr empfindet der &bdquo;Radfahrer ohne Auto“ schon als eine große Herausforderung. &bdquo;Eigentlich ist dazu alles gesagt“, formuliert er. &bdquo;Doch leider kriegen wir das Thema nicht in den Griff, reden täglich wieder darüber wie über das Wetter.“ Paketdienste bündeln Deshalb möchte er auch nur noch einen Gedanken anbringen: &bdquo;Warum schaffen wir nicht ein großes Paketverteilzentrum vor den Toren der Stadt, wo alles ankommt, und dann übernimmt von dort aus nur noch ein Lieferdienst die Zustellung?“ Dann könnten wir doch zumindest den Lieferverkehr durch zig Zustelldienste in der Stadt deutlich reduzieren. Und natürlich müssten auch die Bürgerinnen und Bürger ihr Bestellverhalten hinterfragen, wenn denn der Verkehr in Bielefeld abnehmen soll. Lesen Sie auch: &bdquo;Ich fühle mich nicht mehr sicher“: Bielefelder klagen über Lärm, Müll und Aggressivität Was das Thema mangelnde Sauberkeit angeht, die auch im großen NW-Ortsscheck beklagt wurde, da räumt Müller ein, dass es in der Stadt Luft nach oben gibt. &bdquo;Aber ich sehe da nicht nur die Stadt in der Pflicht. Auch wir Bürger müssen uns an die eigene Nase fassen und pfleglicher mit dem öffentlichen Raum umgehen“, sagt Müller bestimmt und verweist auf den Müll, der nach Pizzapartys zum Beispiel an der freigelegten Lutter einfach liegen gelassen wird. &bdquo;Wie wäre es mit mitnehmen und zu Hause entsorgen?“, fragt er. In Sachen Sicherheit rät er zu Augenmaß im Umgang mit dem Thema. Er selber fühle sich sicher in der Stadt, rät aber Ordnungsamt und Polizei dennoch zu deutlicher Präsenz an den neuralgischen Punkten. &bdquo;Aber auch wir Bürgerinnen und Bürger sollten Präsenz auf den Plätzen zeigen, um diese wichtigen öffentlichen Räume nicht anderen zu überlassen.“ DSC sollte für Polizeieinsätze zahlen Eine Idee hat er dazu noch: &bdquo;Wir sollten die Fußballvereine und deren Spieler in die Pflicht nehmen, für die hohen Kosten bei den Polizeieinsätzen an den Spieltagen mit aufzukommen.“ Das gelte auch den DSC. &bdquo;Diese zusätzlichen Einnahmen könnten dann an anderer Stelle für die Sicherheit in der Stadt genutzt werden.“ Lesen Sie auch: Wegen Bürokratie: Bielefelds Stadtteilfesten droht der Tod auf Raten Großes Lob gibt es von Müller, der bis 2002 als Cellist den Bielefelder Philharmonikern angehörte, für die Grüngürtel in der Stadt. Da seien die Stadtplaner auf Zack gewesen. Wie er überhaupt die vielen freien Plätze in der Stadt schätzt und einen Appell an die Stadt loswerden möchte: &bdquo;Wir dürfen Stadt- und Nachbarschaftsfeste nicht durch immer mehr überbordende bürokratische Vorschriften und Auflagen ersticken.“ Bielefeld brauche diese Feste als Orte der Begegnung der Menschen, &bdquo;denn sie festigen die Gemeinschaft und das Miteinander“ in der Stadt. &bdquo;Die Ämter sollten für die Veranstalter, die Werbegemeinschaften, die Nachbarschaftsinitiativen Ermöglicher und nicht Verhinderer sein.“ Müller, der sich als &bdquo;Realist und Träumer“ zugleich bezeichnet und als freier Musiker zahlreiche Projekte in der Stadt und darüber hinaus auf den Weg gebracht hat und bringt, hält Bielefeld immer noch für einen &bdquo;starken Kulturstandort mit einer vielschichtigen und lebendigen auch freien Kulturszene“, die allerdings gerade einen Umbruch und Generationswechsel erlebe. &bdquo;Als Realist, der ich ja auch bin, halte ich es für eine wichtige Aufgabe der Kulturpolitik in dieser Stadt, dieses Niveau zu halten.“ Wenn das gelänge, dann sei das in diesen Zeiten strapazierter öffentlicher Etats schon viel. Kultur als Pflichtaufgabe Lob gibt es von ihm in diesem Zusammenhang für die Arbeit des Kulturamts als Berater und Kulturförderer und des Theaters, das ein beachtliches Niveau habe. Zum Thema Kulturförderung regt Müller dann abschließend an: &bdquo;Um die Kultur in dieser Stadt und überhaupt im Lande grundsätzlich besser abzusichern, sollte sie nicht länger eine freiwillige Aufgabe in Deutschland sein, sondern eine Pflichtaufgabe, wie es zum Beispiel die Sozialleistungen sind. Lesen Sie auch: Theaterbesuch in Bielefeld wird immer teurer: Was das für Besucher bedeutet &bdquo;Dazu sollte gesetzlich geregelt werden, wie viel Prozent der öffentlichen Haushaltsmittel für Kultur auszugeben sind“, macht Müller seine Position deutlich, der auf die Frage, was er als König von Bielefeld sofort umsetzen würde, sagt: &bdquo;Ich würde der Nachbarschaft in jeder Straße Bielefelds einmal im Jahr die Möglichkeit geben, mit Unterstützung der Stadt ein Straßenfest zu feiern. Das würde die Nachbarschaft immens stärken“, sagt Müller, der seit 1998 auch Cello-Unterricht erteilt und sich mit diversen Ensembles, CD-Einspielungen und erst kürzlich wieder mit der starken LP &bdquo;Allein in d“ (Originalwerke für Cello solo von 1670 bis 1992) einen Namen als Musiker weit über Bielefeld hinaus gemacht hat. Lesen Sie auch: Bielefeld besser machen: Bürger fordert Tempo 30 auf Ausfallstraßen und mehr Wasser

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