Bielefeld besser machen: Bürger fordert Tempo 30 auf Ausfallstraßen und mehr Wasser

Bielefeld. Hans-Jürgen Brinkmann mag seine Heimatstadt, in der er vor 73 Jahren, damals noch im selbstständigen Ortsteil Oldentrup, geboren wurde. &bdquo;Und ich gehöre auf keinen Fall zu den Menschen, die im Alter immer grantiger werden. Stattdessen habe ich eher die Tendenz, die Dinge positiv zu betrachten – auch in Bielefeld“, betont er eingangs des ersten NW-Sommergesprächs dieser Saison im Grünen Würfel auf dem Kesselbrink zu der diesjährigen Frage: &bdquo;Droht der Stadt Bielefeld der Abstieg?“ &bdquo;Eher nein“, sagt Brinkmann, der vor seinem Renteneintritt im Jahr 2020 25 Jahre lang als Haustechniker und gelernter Starkstromtechniker im Zentrum für Interdisziplinäre Forschung (ZiF) an der Uni gearbeitet und auch gewohnt hat (&bdquo;eine tolle Zeit“). Und warum nicht? &bdquo;Weil ich seit nunmehr 73 Jahren mit ein paar Unterbrechungen in der Stadt lebe, viel rumgekommen bin, ein buntes Leben geführt habe und über diese lange Strecke hinweg sehr gut beurteilen kann, dass sich hier viel Positives getan hat in den vergangenen Jahren.“ Er verweist auf die freigelegte Lutter, die Altstadt, den Aufschwung, den der Osten genommen habe, die breite, attraktive Kulturszene. Aber natürlich sei auch noch Luft nach oben, fügt er sogleich an und vergibt eine Drei plus als Gesamtnote für seine Stadt. Wo sieht er das Potenzial nicht ausgeschöpft? Lesen Sie auch: Droht Bielefeld der Abstieg? Debattieren Sie mit uns Als Bürger, der seine Stadt gerne vom Rad aus und als Spaziergänger wahrnimmt, sei es ihm ein besonderes Anliegen, das Radwegenetz ausgebaut und verbessert zu wissen. &bdquo;Da könnte Bielefeld deutlich mutiger sein“, betont er mit Nachdruck und verweist auf Kopenhagen und Amsterdam als Vorbilder. &bdquo;Warum machen wir uns nicht daran, stärker von ihnen zu lernen?“, fragt er. Ein tolles Radwegenetz, gute Fußgängerbereiche beruhigen doch die Stadt, machen sie lebenswerter, erhöhen die Verweildauer in der City. Kopenhagen habe das erkannt und betont heute sogar, dass das den Einzelhandel zusätzlich belebt habe, &bdquo;während der Einzelhandel hier vom Auto-Dogma bis vor die Tür offenbar nicht lassen mag“. Lesen Sie auch: Mein Ortscheck Bielefeld – wie lebt es sich in Bielefeld? Ausbau des Angebots von Park-and-Ride in Bielefeld Viel stärker würde er auch das Park-and-Ride-Angebot ausbauen. Und Lieferdienste per Rad schaffen, sodass Menschen, die ohne Autos in die Stadt kommen, sich von den Geschäften, in denen sie ihre Einkäufe erledigt haben, diese nach Hause liefern lassen können. &bdquo;Auch solche Beispiele gibt es bereits. Da kommt die Ware kurz nach der eigenen Rückkehr daheim per Lastenrad bei ihnen zu Hause an.“ Auch in dieser Hinsicht sieht Brinkmann, der im Kamphofviertel lebt und sich in der Genossenschaft &bdquo;Friede den Hütten“ für sein Quartier engagiert, noch viel Luft nach oben in der Stadt. Und auch preiswerter Wohnraum müsse deutlich mehr geschaffen werden. Daran mangele es in der Stadt. Das habe er auch bei der eigenen Wohnungssuche deutlich erfahren müssen. Lesen Sie auch: Mein Ortscheck OWL: Alle Ergebnisse im Überblick Angetan ist Brinkmann, der einst auch als DJ, Konzertpromotor, Anlagenbauer, PA-Verleiher, Roadie und vieles mehr seinen Lebensunterhalt verdient hat, von der freigelegten Lutter, die ein ganzes Viertel positiv verändert habe. &bdquo;Genau da würde ich in Bielefeld ansetzen – beim Wasser. Wir brauchen viel mehr Wasser in der Stadt, vor allem auf den Plätzen“, betont er nachdrücklich. Das wirke sich genauso wie mehr Grün positiv auf das Stadtklima aus, sorge für Abkühlung in Zeiten des Klimawandels und steigere zudem die Aufenthaltsqualität und das Lebensgefühl in der Stadt. Auch da solle Bielefeld mutiger sein. Tempo 30 in der gesamten Bielefelder City tut der Stadt gut Mutig sein sollte die Stadt aber auch beim Thema Autoverkehr. &bdquo;Tempo 30 in der gesamten Innenstadt, auch auf den Ausfallstraßen, halte ich für absolut richtig“, sagt er. Dann müsse auch keiner mehr überlegen, wie schnell er oder sie denn nun wo fahren dürfe. Zudem trage so ein Tempolimit wiederum zur Beruhigung der Stadt und zur Steigerung der Lebensqualität bei. Auch die großen Einfallsstraßen nach Bielefeld hinein, die Brinkmann &bdquo;Schneisen“ nennt, &bdquo;die die Stadt so fürchterlich durchtrennen“, sollten zurückgebaut werden. Im Überblick: Bielefelds wichtigste Verkehrsadern: Welche Straßen wo schon jetzt überlastet sind Von der vielschichtigen Kulturszene insbesondere den vielen freien Theatern in Bielefeld ist Brinkmann begeistert. &bdquo;Die Stadt tut gut dran, diese weiterhin zu fördern und nicht die Sparaxt anzulegen.“ Es freue ihn, dass das Theater mehr Geld bekomme. Das sei gerade in diesen Zeiten ein richtiges und wichtiges Signal. Und das Thema Sicherheit, bei dem Bielefeld beim großen NW-Ortscheck mit einer 5,8 OWL-weit sehr schlecht abgeschnitten hat, wie positioniert sich Brinkmann da? &bdquo;Ich habe trotzdem nicht das Gefühl, in einer unsicheren Großstadt zu leben“, sagt er sofort. Er habe keine Angst über oder auf den Kesselbrink zu gehen oder an die Tüte. &bdquo;Ich habe dort sogar schon Essen verteilt und nichts Negatives erlebt.“ Reportage: Zwischen Chillen, Gewalt und Angst – eine Nacht am Bielefelder Kesselbrink Er räumt aber auch ein: &bdquo;Ich bin ein Mann, der wenig Angst hat. Vielleicht auch, weil ich viel rumgekommen bin.“ Er verstehe aber, dass gerade Frauen die Lage womöglich ganz anders empfinden. Dennoch plädiert er auch bei diesem Thema für Augenmaß. &bdquo;Es muss nicht immer gleich das große Besteck rausgeholt werden – wie Videoüberwachung und vieles mehr“, sagt er. &bdquo;An einigen Stellen wie zum Beispiel der dunklen Arkadensituation an der Sparkasse (Herforder Straße / Ecke Stresemannstraße) reicht es doch, wenn die gut beleuchtet wird“, dann werde dort weniger gedealt, ist er sich sicher. Brinkmann schlägt Prämien für einfache Lösungen vor Er sei überhaupt dafür, simple Lösungen zu suchen und umzusetzen, statt langwierig nach großen Lösungen zu suchen und sie oft gar nicht umgesetzt zu kriegen, weil alles vertrackt ist. Und was würde er zu guter Letzt tun, wenn er König von Bielefeld wäre und eine Sache jetzt sofort umsetzen könnte? Der 73-Jährige denkt kurz nach und sagt: &bdquo;Es gäbe dann in Bielefeld sofort ein Prämiensystem für Bürger und Verwaltung für fantasievolle, einfache Lösungen.“ 📱 News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW-Bielefeld

Meistgelesen