Mann weiter auf der Flucht

Pannen bei der Fahndung? Bielefelder Gefängnisausbruch sorgt für Streit

Ein Mann klettert über zwei fast drei Meter hohe Mauern, flieht so aus dem Gefängnis und meldet sich danach noch in den Sozialen Medien. Die SPD will im Landtag Details zu dem Fall erfahren.

Nach dem Ausbruch eines Häftlings findet rund um die JVA Bielefeld-Senne eine groß angelegte Suche statt. | © Paul Brinkmann

24.06.2025 | 24.06.2025, 15:33

Düsseldorf/Bielefeld. Die spektakuläre Flucht eines Häftlings aus dem Gefängnis in Bielefeld (Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne) soll kommende Woche im Landtag thematisiert werden. Die SPD hat einen Bericht der Landesregierung zu dem Vorfall im Innenausschuss beantragt.

Die Opposition will unter anderem wissen, warum die Polizei nicht mit einem Foto nach dem Mann sucht, der sich selbst nach seiner Flucht in Sozialen Medien präsentiert hatte. Wie berichtet, sehen die Ermittler der Polizei Essen eine Fotofahndung als „nicht zielführend“ an. Polizeisprecher Hendrik Heyer erklärt: „Die Ermittler haben die Möglichkeiten einer Öffentlichkeitsfahndung bewertet und sind nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass sie Erfolg haben werde.“ Laut Heyer brauche es zur richterlichen Genehmigung einer Veröffentlichung von Fahndungsfotos „eine gewisse Erfolgschance“ und eine juristische Begründung. Bei beidem scheint es Zweifel zu geben.

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Der 39-Jährige war am 17. Juni aus dem Hafthaus Ummeln der Justizvollzugsanstalt Senne an der Zinnstraße geflohen, als er gerade aus dem offenen Vollzug in ein besser gesichertes Gefängnis nach Geldern verlegt werden sollte. Auf den wenigen Metern zwischen Hafthaus und Gefangenen-Transporter habe er einen Beamten weggeschubst und sei dann artistisch über eine erste 2,83 Meter hohe Absperrung geklettert, erklärte die JVA nach der Flucht. Auch eine zweite, ebenso hohe Absperrung habe der Mann überwunden.

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Ausbruch aus Bielefelder JVA: Geflohener meldet sich über Tiktok

In den sozialen Medien war der TikToker nicht nur vor, sondern auch nach seiner Flucht aktiv: Bereits seine Festnahme durch ein Spezialeinsatzkommando (SEK) wurde zufällig live im Internet übertragen, als der Beschuldigte gerade bei TikTok in einer Art Schaltkonferenz per Video dabei war. Die Teilnehmer des Livestreams konnten den SEK-Beamten vom Boden aus bei der Arbeit zusehen.

Doch auch nach seiner Flucht aus dem Gefängnis zeigte er sich erneut in einem Livevideo aus einem Auto bei Tiktok und ein Foto mit Bekannten bei Instagram. Nach Informationen dieser Redaktion entstand das Bild am Flughafen Brüssel, von wo er vermutlich weiter in Richtung Türkei geflohen sein dürfte. Die SPD will im Innenausschuss den Stand der Ermittlungen zu dem Vorfall und der Suche nach dem Häftling erfahren. Dabei dürfte auch von Interesse sein, dass der Ausbrecher noch vier Stunden lang in der Nähe des Gefängnisses gewesen sein soll, bevor er in ein Taxi stieg, das ihn ins Ruhrgebiet gebracht haben soll.

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Nach Angaben der zuständigen Polizei Essen läuft die Fahndung noch. Sprecher Heyer berichtet, dass es mehrere Ansätze bei solchen Ermittlungen gebe: Ermittlungen im persönlichen Umfeld des Gesuchten. In solchen Fällen sei auch die Auswertung der Social-Media-Beiträge erfolgversprechend. Und letztlich könnten auch Verkehrsdaten von den Handyfunkmasten Rückschlüsse auf Fluchtwege liefern.

NRW-Justizminister äußert sich zu Ausbruch

NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) versprach in einem Gespräch mit dieser Redaktion eine umfassende Aufklärung des Gefangenenausbruchs aus der JVA Bielefeld-Senne. „Die genauen Umstände der Flucht werden umfassend durch die Fachabteilung meines Hauses überprüft“, sagte Limbach. Die Entweichung nehme er „sehr ernst“. Die frage, warum ein Mann, der mit einer Schusswaffe Polizisten bedroht habe, nicht sofort und ohne Umwege im geschlossenen Vollzug landen kann, dürfte dabei besonders spannend sein.

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Laut Limbach ist die Überprüfung des Vorfalls noch nicht abgeschlossen. „Es wird dabei aber auch ein besonderes Augenmerk darauf gelegt, ob die Sicherheitsvorkehrungen in der JVA Bielefeld-Senne verbessert werden müssen“, sagte der Minister.