Bielefelder Chefarzt klagt gegen Abtreibungsverbot: „Frauenverachtende Ideologie“

Bielefeld/Lippstadt. Seit 13 Jahren arbeitet Joachim Volz (67) als Chefarzt der Frauenklinik des Evangelischen Krankenhauses in Lippstadt. In dieser Funktion haben er und sein Team auch Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen, nach streng medizinischer Indikation. Das soll ihm nun verboten werden. Nach einer Fusion seines Hauses mit zwei katholischen Kliniken, dem Dreifaltigkeits-Hospital und dem Marien-Hospital Erwitte zum Klinikum Lippstadt, gilt katholisches Kirchenrecht. Das untersagt Abbrüche jeder Art, es sei denn, das Leben der werdenden Mutter steht auf dem Spiel – aus ethischen Gründen. Der Mediziner, der zugleich in Bielefeld eine Fachpraxis für Reproduktionsmedizin betreibt, geht gerichtlich gegen diese Dienstanweisung vor, die für ihn und sein Team im Geburtszentrum zum 1. Februar wirksam wurde. Er sieht sich durch das Dekret massiv in seiner Berufsethik und -auffassung vom hilfreichen ärztlichen Handeln im Sinne der Frauen beeinträchtigt. Abtreibungsverbot gilt auch für Volz’ Bielefelder Praxis Die Dienstanweisung betrifft nicht nur Volz’ Wirken in Lippstadt – auch in seiner Praxis in Bielefeld ist ihm die Durchführung von Abtreibungen, auch nach den geltenden strengen gesetzlichen Vorgaben, ebenfalls nicht erlaubt. Jedenfalls, so lange er in Diensten des katholischen Krankenhausträgers in Lippstadt steht. Auch interessant: Bielefelder Experte: Wenn der Kinderwunsch zur Zerreißprobe wird Der Arzt hält die Kehrtwende seines Arbeitgebers für problematisch, die Anwendung des katholischen Kirchenrechts in diesem Feld für nicht mehr zeitgemäß. Im Gespräch mit dieser Zeitung erläutert Volz: &bdquo;Ein Abbruch ist für die betreffende Frau immer ein enorm belastendes Ereignis. Wenn wir aber in unserer Diagnostik Föten etwa mit Wasserkopf oder anderen schweren Missbildungen sehen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überleben, konnten wir den Frauen bisher helfend zur Seite stehen.“ Nun verlange das katholische Kirchenrecht, diese Frauen wegzuschicken, was eine weitere Härte bedeute. Volz will den Sachverhalt arbeitsrechtlich klären lassen, am 22. April fand hierzu ein Gütetermin beim Lippstädter Amtsgericht statt. Hier traf Volz auf seinen langjährigen Vorgesetzten, jetzt auch Geschäftsführer des Klinikums Lippstadt – Christliches Krankenhaus, Franz Fliß und dessen Anwalt. Der Gütetermin endete ohne Einigung. Aus dem Klinikumfeld war zu erfahren, dass man keinen Spielraum sehe, sich den Vorstellungen des katholischen Trägers zu widersetzen, da das Aus für die Abbrüche Bedingung für die Fusion der Häuser gewesen sei. Diese sei wirtschaftlich notwendig und sichere deren Überleben. Bielefelder Arzt: &bdquo;Frauenverachtende, rückwärtsgewandte Ideologie“ Der Vorsitzende Richter, Klaus Griese, hatte beim Gütetermin auf die katholische Morallehre verwiesen. Die in Lippstadt erscheinende Tageszeitung &bdquo;Der Patriot“ zitiert: &bdquo;Die katholische Kirche hat eine besondere Sittenlehre, für sie ist ein Schwangerschaftsabbruch Mord.“ Daran sei auch ein so verdienstvoller Mitarbeiter wie Joachim Volz gebunden: &bdquo;Sie sind Arbeitnehmer, kein freischaffender Künstler“, so Griese weiter. Lesen Sie auch: Das sagen Beratungsstellen im Kreis Herford zum neuen Gesetz gegen Abtreibungsproteste Volz erhebt nach dem erfolglosen Gütetermin Klage. Er möchte klären lassen, &bdquo;ob diese frauenverachtende, rückwärtsgewandte Ideologie im 21. Jahrhundert in unserem Land noch Bestand haben soll“. Am 18. Juli geht seine Klage in eine neue Runde, dieses Mal mit Rechtsbeistand beim Arbeitsgericht in Hamm. Im Gespräch mit dieser Zeitung räumt der Arzt ein, dass es sich mit rund 15 Abbrüchen pro Jahr am Lippstädter Klinikum um eine überschaubare Zahl handelt. Die Klinik verweist deshalb auch darauf, dass man diese Frauen nicht allein lasse, sondern für etwaige Abbrüche an andere Kliniken verweisen könne. Doch der Chefarzt will &bdquo;nicht abweisen und weiterleiten“. Zudem beschädige das Verbot potenzieller Abtreibungen auch in seiner Bielefelder Praxis seine &bdquo;ärztliche Integrität in erheblichem Maße, bei der wir das Wohl der Frauen in den Mittelpunkt stellen“, so Volz. Zwischen persönlicher Haltung und professioneller Verantwortung Aus dem Klinikumfeld war zu hören, dass Volz in seiner Privatpraxis &bdquo;nie Abtreibungen durchgeführt hat, eher das Gegenteil – nämlich Kinderwunsch-Behandlungen“ und es sich hier wohl eher um eine Prinzipienfrage handele. Die Klinik verweist auf die Verdienste des Chefarztes, aber auch darauf, man habe die &bdquo;überlebenswichtige“ Fusion der beiden Krankenhäuser nicht wegen 15 betroffener Patientinnen aufs Spiel setzen können. Diese schicke man nun eben mit viel Empathie an andere Häuser. Das Klinikum betont auch, dass jeder im Haus eine persönliche Haltung zu dem Thema habe, dies in einem Arbeitsgerichtsverfahren aber keine Rolle spiele. Lesen Sie auch: Meinung - Abtreibung sollte keine Straftat sein In Lippstadt kochen die Emotionen stellenweise hoch, immerhin wird der Disput seit Herbst 2024 geführt und auch in den örtlichen Medien abgebildet. Ein Teil der Klinikbelegschaft und rund 60 Ärzte aus dem Umland haben sich in einem offenen Brief mit Volz solidarisiert. Da heißt es unter anderem: &bdquo;Diese Ausschließlichkeit und Härte des katholischen Standpunktes empfinden wir als unbarmherzig. Das gilt im Übrigen auch für Schwangerschaftsabbrüche bei kriminologischer Indikation, zum Beispiel nach einer Vergewaltigung.“ Der Geschäftsführer des Klinikums, Franz Fliß, betont in einer schriftlichen Stellungnahme, dass ihm am Weiterwirken seines Chefarztes gelegen sei. Patientinnen würden in der &bdquo;sensiblen Frage“ eines möglichen Schwangerschaftsabbruchs in Lippstadt weiterhin &bdquo;vertrauensvoll, respektvoll und verantwortungsbewusst begleitet“. Komme nach intensiver Beratung ein Abbruch infrage, &bdquo;kann Prof. Volz auf ein bewährtes Netzwerk zurückgreifen – der Eingriff erfolgt dann in einer spezialisierten Klinik“, so Fliß.

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