Bielefelder Arzt ist wegen seines Kampfes um Schwangerschaftsabbrüche deutschlandweit gefragt

Bielefeld. Professor Joachim Volz ist dieser Tage schwer zu erreichen: Die deutschen Medien geben sich die Klinke in die Hand, um im Vorfeld des am Freitag, 8. August, in Lippstadt stattfindenden Arbeitsgerichtsprozesses Infos und O-Töne zu erwischen. Für diese Zeitung nimmt sich der Gynäkologe und Reproduktionsmediziner aus Bielefeld, der öffentlichkeitswirksam gegen seinen Lippstädter Arbeitgeber klagt, sich dann doch eine halbe Stunde Zeit. Hintergrund des Konflikts des 67-jährigen Mediziners, der seit 13 Jahren die Gynäkologie am ehemaligen evangelischen Klinikum als Chefarzt leitet und der jetzt viele Anfragen von Magazinen, Zeitungen, Hörfunk und TV-Sendern hervorruft: Weil die Klinik seit der Fusion mit zwei katholischen Häusern Volz und seinem Ärzteteam Abtreibungen – selbst jene mit streng medizinischer Indikation – untersagt, klagt der Mediziner gegen seinen Arbeitgeber. Er wolle damit auf die Notlage von Frauen hinweisen und verstehe die Begleitung seiner Patientinnen auch in schwierigen Phasen ihrer Schwangerschaft als Verpflichtung und Aspekt ärztlicher Ethik. Pro Jahr werden an der Lippstädter Klinik rund 20 bis 30 dieser Eingriffe durchgeführt. Meist wegen schwerster Fehlbildungen der Föten, die im Rahmen der Pränataldiagnostik auffallen. Manche dieser ungeborenen Kinder sind nicht lebensfähig, einige weisen deformierte Köpfe auf, es fehlt das Gehirn. Die Klinik argumentiert mit der katholischen Morallehre, die dem werdenden Leben Priorität einräumt, egal, wie schwer die Fehlbildungen sein mögen. Die Fusion mit dem Dreifaltigkeits-Hospital Lippstadt und dem Marien-Hospital Erwitte zum Klinikum Lippstadt im Februar sichere das langfristige Überleben der Klinik, hatte ein Sprecher des evangelischen Krankenhauses als ehemals eigenständige Klinik argumentiert. Man habe die Forderungen der katholischen Partner daher akzeptiert. Hintergrund: Bielefelder Chefarzt klagt gegen Abtreibungsverbot: &bdquo;Frauenverachtende Ideologie“ Volz lässt sich von einem Fachanwalt vertreten Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von innn.it | Petitionen mit Wirkung! 📣 (@innn.it) Volz will, wie er sagt, gegen die mit dem katholischen Wertebild einhergehende Klassifizierung von abtreibenden Ärzten als &bdquo;Mörder“ und eine darin zum Ausdruck kommende &bdquo;Frauenfeindlichkeit“ angehen. Deshalb die Klage. Nachdem ein Gütetermin im April ohne Einigung endete, wird der Fall am Freitagvormittag, 8. August, vor dem Arbeitsgericht in Lippstadt verhandelt. Längst hat der Fall bundesweit Kreise gezogen. Und nachdem der Arzt zunächst kaum die Öffentlichkeit gesucht habe, habe er seine Strategie geändert und stehe dem immer größer werdenden Bürger- und Medieninteresse grundsätzlich positiv gegenüber: &bdquo;Es ist ja eine Gelegenheit, dieses wichtige Thema auf eine breitere Ebene zu heben. Und ich bekomme sehr viel Rückenwind, was mich freut.“ Lesen Sie auch: Abtreibungsverbot für Chefarzt aus Bielefeld – das sagen Pro Familia und Ärztekammer Er müsse schließlich zu dem stehen, was er als Arzt vertrete, der den Frauen eben mitunter niederschmetternde Diagnosen eröffnen muss. Da komme es für ihn nicht infrage, die Frauen im Stich zu lassen oder für einen Abbruch an andere Kliniken zu verweisen. Zumal deren Zahl aufgrund weiterer Fusionen mit katholischen Trägern ohnehin immer weniger würde. Die Konsequenz: Frauen müssten lange Wege in Kauf nehmen und könnten – wie im Falle Volz – nicht vom Arzt ihres Vertrauens weiterbehandelt werden. &bdquo;Um diese“, wie er sagt, &bdquo;unerträgliche Situation einmal klären zu lassen“, sieht Volz dem Termin am kommenden Freitag gespannt entgegen. 1,5 Millionen Mal wurde Petitionsvideo auf Instagram geklickt Vor Gericht lässt sich Volz inzwischen von dem renommierten Fachanwalt für Arbeitsrecht, Till Müller-Heidelberg, vertreten. Diesen Kontakt habe ihm das Institut für Weltanschauungsrecht vermittelt, das seine Hilfe angeboten hatte, als der Fall immer mehr Aufmerksamkeit erhalten habe: &bdquo;Es ist ein gutes Gefühl, jemanden an der Seite zu haben, der sich auch im Kirchenrecht gut auskennt“, bekundet Volz, der sich bislang selbst vertreten hatte. Das könnte Sie auch interessieren: Für den Arbeitgeber ein Mörder – So kämpft ein Bielefelder Arzt gegen ein Abtreibungsverbot Dass sich ein Arzt so hartnäckig auch juristisch der katholischen Morallehre entgegenstellt, dürfte in Deutschland ein eher seltener Vorgang sein, was das große Medieninteresse erklärt. Eine Online-Petition auf der Plattform Innn.it, die Volz am 15. Juli startete, hat bislang weit mehr als 200.000 Unterstützer gefunden. 1,5 Millionen Mal wurde das Video zur Petition auf Instagram geklickt. Der Paderborner Erzbischofs Markus Udo Bentz bezieht sich mit Blick auf den Fall auf den katholischen Lebensschutz-Imperativ und wird wie folgt zitiert: &bdquo;Lebensschutz ist keine konservative Position, sondern Ausdruck einer humanen, solidarischen Gesellschaft. Wer das Leben schützt, besonders dort, wo es schwach, ungeboren oder bedroht ist, stärkt das Vertrauen in eine Gemeinschaft, die sich ihrer Verantwortung nicht entzieht.“ Joachim Volz interpretiert diese Äußerung als &bdquo;despektierlich und geradezu unverschämt“ gegenüber den Frauen, deren Leben und Lebensqualität hier offenbar nachrangig behandelt werde. Kommentar zum Thema: Schluss mit den Sonderrechten für die katholische Kirche &bdquo;Despektierlich und unverschämt gegenüber Frauen in Not“ Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Giordano-Bruno-Stiftung (@giordano.bruno.stiftung) Auch sei die Äußerung ein Angriff auf Ärzte, die Abbrüche durchführen und nach der katholischen Lesart als &bdquo;Mörder“, nicht als Helfende gelten würden. Die Positionen seien rückwärtsgewandt und unerträglich paternalistisch gegenüber betroffenen Frauen und Familien: &bdquo;Meine Patientinnen sind keine dummen Schafe. Sie werden in der Klinik gut beraten und können dann frei entscheiden“, erbost sich der Mediziner. In seiner Petition heißt es: &bdquo;Kirche und Medizin vertragen sich nicht.“Am Tag der Verhandlung in Lippstadt wird eine große Zahl an Teilnehmern an der Demonstration gegen das Dekret des katholischen Trägers erwartet. Die Stadt bereitet sich auf den Andrang vor. Neben Volz werden Vertreter politischer Parteien (außer der CDU, der Volz selbst angehört) sowie Vertreter von Frauenrechtsgruppen und Ärzteverbänden Statements abgeben. Zur anschließenden Verhandlung äußert der Arzt folgende Erwartung: &bdquo;Alle Argumente sind ausgetauscht. Ich hoffe auf einen positiven Ausgang in unserem Sinne.“

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