Der Streit um Bielefelder Schulplätze eskaliert vollkommen

Bielefeld. Verhärtete Fronten, Entsetzen, gegenseitige Vorwürfe, viele enttäuschte Familien, Kontrastprogramm zum Arminia-Freudentaumel: Wie angekündigt blieb die rot-grün-rote Ratskoalition in der von der CDU beantragten Sondersitzung des Rates am Mittwoch, 2. April 2025, bei ihrem Veto zur Einrichtung von jeweils einer zusätzlichen Klasse an der Gertrud-Bäumer- und der Luisenrealschule. Der gemeinsame Antrag von CDU und FDP wurde abgelehnt. Für 96 der 960 Kinder, die sich an den Bielefelder Realschulen angemeldet haben (Stand 7. März 2025), wird es also keinen Platz an ihrer Wunschschulform geben. Marcus Kleinkes (CDU) kritisiert das scharf. Der im Schulgesetz verankerte Wille der Eltern werde mit Füßen getreten. SPD, Grüne und Linke sorgten mit ihrem Vorgehen zudem für Auseinandersetzungen der Schulformen untereinander und fügten &bdquo;jedem einzelnen Kollegium, den Eltern und Schülern großen Schaden zu“. Tim Seidel vom Stadtelternrat ist &bdquo;entsetzt“ über das Vorgehen von Rot-Grün-Rot. Die Aussage, dass die Bildung von Mehrklassen an Realschulen den Bestand anderer Schulen gefährden könnte, &bdquo;entbehrt einer fundierten empirischen Grundlage“. Seitens der Stadt als Schulträger lägen keinerlei belastbare Zahlen oder Analysen dazu vor. Entscheidungen dieser Tragweite auf Mutmaßungen und Befürchtungen zu basieren, sei unverantwortlich. Offener Brief der Bielefelder Gesamtschulen Im Vorfeld zur Sondersitzung hatten die Leiter der vier Bielefelder Gesamtschulen in einem offenen Brief an die Parteien &bdquo;verfehlte Schulpolitik“ zu ihren Lasten bemängelt und beklagt, dass ihre Schulform in Bielefeld &bdquo;zur Restschule“ verkomme. Das System stoße immer mehr an seine Grenzen. Der Stadt und dem Schuldezernenten Udo Witthaus werfen sie vor, die Hauptschulen geschlossen zu haben, ohne flankierend an Realschulen auch Hauptschulbildungsgänge einzurichten oder Realschulen, derzeit die beliebteste Schulform in Bielefeld, zu schließen. &bdquo;Man ist stillschweigend davon ausgegangen, dass die Hauptschüler – in der Vorstellung vieler Menschen lern- und leistungsschwach, schwer integrierbar, verhaltensauffällig – dann eben an Gesamtschulen unterkommen.“ Laufendes Anmeldeverfahren an den weiterführenden Schulen in Bielefeld Den Realschulen werfen sie vor, leistungsschwache und vom Verhalten her schwierige Schüler an Gesamtschulen abgeben zu wollen, &bdquo;um selbst die abgeschulten Gymnasiasten aufnehmen zu können“. Dem widerspricht Sven Pachur, Leiter der Luisenrealschule, vehement. Die eigenen Schüler aus den Internationalen Klassen hätten Vorrang von Kindern, die vom Gymnasium kommen. &bdquo;Wir schulen sie nahezu ausschließlich nur deshalb ab, weil wir sie wegen Platzmangel nicht alle aufnehmen können“, sagt Pachur. &bdquo;Unpädagogische Massenabschulungen“, wie immer wieder von der Ratskoalition und jetzt auch im offenen Brief der Gesamtschulen angeführt, widerlegen er, und auch Kleinkes, mit Zahlen. Der Zeitpunkt für &bdquo;eine ideologisch geprägte Diskussion“ in einem laufenden Anmeldeverfahren sei katastrophal. Konstruktiver und zielführender sei es, jetzt nicht wohldurchdachte, aktuelle Lösungen, wie die auch von der Verwaltung empfohlenen Mehrklassen an den beiden Realschulen kurzfristig zu stoppen, sondern sich in Ruhe zusammenzusetzen und perspektivisch gemeinsam zu planen, wie es anders gehen könnte. Kommentar: Großer Ärger in Bielefeld: Schulpolitik mit Verstand ist jetzt gefragt Im Antrag von Rot-Grün-Rot bündelten sich Arroganz, Ignoranz, Überheblichkeit und Übergriffigkeit, so Jan-Maik Schlifter (FDP). Gegen die fachliche Meinung und über die Köpfe der Beteiligten hinweg: &bdquo;Es ist eine Frechheit, wie so den Populisten auf der Straße ein Dienst erwiesen wird“, sagt Gordana Rammert (Bürgernähe). Ratskoalition will Schulpolitik in Bielefeld ganz neu aufstellen Mit Mehrheit beschlossen wurde in der Sondersitzung der gemeinsame, kurzfristig von SPD, Grünen und Linken eingebrachte Antrag, der &bdquo;eine ganz andere, fundierte Grundlage für zukunfts- und zielgerichtete schulpolitische Maßnahmen“ schaffen soll, so die schulpolitische Sprecherin der SPD, Miriam Welz. Was sind die Anmeldebeweggründe der Eltern für bestimmte Schulen? Welche Faktoren beeinflussen sie? Was wissen sie über die verschiedenen Schulangebote in der Stadt? Wie kann man alle Akteure der Schullandschaft besser vernetzen? &bdquo;Wir haben ein ganzes Maßnahmenpaket geschnürt, um den Fragen auf den Grund zu gehen“, sagt Welz. Das Amt für Schule, das Schulamt und die Partizipationsbeauftragte sollen dafür in Zusammenarbeit mit den Bezirksbürgermeisterinnen und -bürgermeistern, und unter Einbeziehung des Stadtelternrates, eine Befragung der Eltern der Jahrgänge drei bis fünf vorbereiten. Daraus sollen Faktoren hervorgehen, die die Wahl beeinflussen. &bdquo;Wie beispielsweise die Schulwahl der Freude, spezielle Kursangebote oder die Wohnortnähe“, erläutert Welz. .responsive23-yJBpGdrIpUs8jnWI-bar-horizontal-probleme-an-schulen-in-nrw { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-yJBpGdrIpUs8jnWI-bar-horizontal-probleme-an-schulen-in-nrw { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-yJBpGdrIpUs8jnWI-bar-horizontal-probleme-an-schulen-in-nrw { padding-top: 142.86%; } } Große Elternbefragung in Bielefeld spätestens im 4. Quartal Die Befragung soll spätestens im 4. Quartal dieses Jahres durchgeführt werden. Nach der Erhebung sollen Amt für Schule, Schulamt und die Schulleitungen &bdquo;der schwach angewählten Schulen – der Gesamtschulen Rosenhöhe, Martin-Niemöller und Friedrich-Wilhelm-Murnau, der Realschulen Senne, Brackweder und Bosse sowie das Gymnasium Heepen – mit Bezirksbürgermeisterinnen und -bürgermeistern der betroffenen Schulstandorte und gegebenenfalls weiteren Vertretern aus der Schule Teilarbeitsgruppen bilden“. Gemeinsam sollen dann Maßnahmen zur Stärkung der Standorte erarbeitet werden. Mehr zum Thema: Falsche Zahlen: Großer Ärger um extrem gefragte Realschulplätze in Bielefeld &bdquo;Nicht hinter verschlossenen Türen, und völlig ergebnisoffen“, betont Welz. Zudem solle das Amt für Schule dort kommunale Ressourcen, wie bauliche Substanz, Schulsozialarbeit, Verwaltungspersonal oder Essensangebot, sichten und mögliche Handlungsempfehlungen benennen. Auch das Anmeldeverfahren für die weiterführenden Schulen soll besser koordiniert werden. &bdquo;Ab dem kommenden Schuljahr soll man einen Zweit- und Drittwunsch angeben können“, sagt Welz. Die Angabe soll aber nicht verpflichtend sein. Ziel sei es, alle Schulen in Bielefeld zu halten und zu stärken. Problem: Bielefeld hat alle Hauptschulen geschlossen Man müsse nicht nur die Anmeldezahlen im Jahrgang fünf, sondern auch &bdquo;die Verschiebungen“ in den Jahrgängen sieben bis neun im Blick haben, ergänzt Astrid Lehmann (Linke) im am Vortag zur Sondersitzung einberaumten Pressegespräch. In jedem Jahr müssten 100 bis 150 Schülerinnen und Schüler in Bielefeld die Gymnasien und Realschulen Richtung Gesamt- oder Sekundarschulen wieder verlassen. &bdquo;Neben dem Frust der betroffenen Schülerinnen und Schüler“ bringe das vielerlei Probleme für die aufnehmenden Schulen mit sich. &bdquo;Es war ein Fehler, dass Bielefeld alle Hauptschulen geschlossen hat“, ergänzt Welz. Aber das hätten alle Parteien seinerzeit im Rat mit beschlossen, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Der Herausforderung müssten sich jetzt alle stellen.

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