Zehn-Jahres-Höchststand: „Bielefeld hat ein ernstes Gewaltproblem“

Bielefeld. Wir haben &bdquo;die Fähigkeit, Widersprüchliches und Unklares auszuhalten, ohne sofort zu eskalieren“ auf vielen Ebenen verloren. Dieser Gedanke aus dem NW-Bericht &bdquo;Das böse C-Wort“, einem ausführlichen Rückblick auf die Corona-Zeit, bringt eine ganz wesentliche Erkenntnis mit. Mit den Folgen muss sich seit zwei Jahren auch die Polizei intensiv beschäftigen. Die Zahl der Gewalttaten und Raubdelikte explodierte in der Bielefelder Innenstadt förmlich. 2023 ging das los und 2024 setzte sich dieser Aufwärtstrend unvermindert fort. Bei der Vorstellung der aktuellen Kriminalitätsbilanz für Bielefeld durch Polizeipräsidentin Sandra Müller Steinhauer und Kripo-Chef Wolfgang Niewald wurde in dieser Woche deutlich: Bielefeld hat ein ernstes Gewaltproblem. In der Stadt Bielefeld wurde ein absoluter Höchststand bei der Zahl eingerichteter Mordkommissionen festgestellt, außerdem führte die Zahl der registrierten Taten jeweils zu Zehn-Jahres-Höchstständen bei Gewalttaten, Raubtaten und Körperverletzungen, auch bei der Jugendkriminalität und bei den Sexualstraftaten weisen die Statistiken die höchsten Zahlen seit zehn Jahren aus – und das teilweise gegen den Landestrend. Die Polizei-Führung hat die neue Gewaltbereitschaft insbesondere unter jungen Männern auf Bielefelds zentralen Plätzen erkannt. Der Begriff &bdquo;Null-Toleranz“ gehört längst wieder zum Vokabular von Polizei und Politik. Nicht ohne Grund hat die Sicherheitsbehörde sich selbst hinterfragt und das eigene Jugendkommissariat deutlich verstärkt. So konnten bereits einige junge Intensivtäter geschnappt werden, betont Niewald. Gefährliche Kombination aus Jugendlichkeit und Gewaltbereitschaft Weitere Ideen zum Gegensteuern wurden angestoßen: Eine dieser Ideen ist die &bdquo;Soko Innenstadt“. Die Ermittler sehen bereits erste Erfolge in der Bekämpfung der Dealer-Szene, heißt es. Ob dieser Erfolg nachhaltig ist, wird nun der Sommer zeigen. Doch die Dealer sind sicherlich nur für einen Teil der Gewalttätigkeiten zuständig. Zum Thema: 31 Prozent mehr Gewalt am Kesselbrink: Trotzdem sieht Bielefelder &bdquo;Soko Innenstadt“ Erfolge Kripo-Chef Wolfgang Niewald tut sich schwer mit einer Erklärung des Phänomens. Er spricht aber von einer Nach-Corona-Entwicklung und einer auffälligen &bdquo;Kombination aus Jugendlichkeit und erhöhter Gewaltbereitschaft“. Tatsächlich hat in der unsicheren und hypernervösen Corona-Zeit nicht nur die Diskussionskultur in unserem Land Schaden genommen – auch die Seelen vieler ohnehin belasteter Menschen. Dabei gilt die Corona-Zeit weniger als Ursache, sehr wohl aber als Verstärker vorhandener problematischer Verhältnisse. Zunehmend Verhaltensauffällige landen im Jugendknast Die Psychiater im Land sind sich längst darüber einig, dass Kinder und Jugendliche die Hauptleidtragenden dieser Pandemie waren. Nun legen auch die Beobachter krimineller Entwicklungen den Blick in diese Richtung. Die Jugendermittler in Bielefeld bemerken zunehmend verhaltensauffällige Jugendliche. Immer mehr von ihnen landen sogar im Jugendknast. Die Sorge: Kriminelle Karrieren starten früher und enden seltener. Corona dafür allein verantwortlich zu machen, wäre zu einfach. Lesen Sie dazu: Gegen den Trend in NRW: In Bielefeld steigt die Gewaltkriminalität rapide an Am Ende ist die Ursache eine explosive Mischung vieler Dinge: Die abnehmende Fähigkeit, zwischenmenschliche Konflikte aufzulösen, trägt dazu einiges bei. Corona hat mit all seinen Begleiterscheinungen hierzu sicherlich beigetragen. Hass, Wut und Egoismus sind ohnehin seit Jahren auf dem Vormarsch. Dazu kommen individuelle Perspektivlosigkeit und drohende Armut. Bielefeld benötigt dringend eine Miteinander-Gegenbewegung Um diese Entwicklungen aufzuhalten, braucht es dringend eine Gegenbewegung, die nicht nur die Symptome im Auge hat. Noch aber weiß niemand, wie diese Gegenbewegung aussehen muss, damit künftig Konflikte wieder von allen im Miteinander gelöst werden.

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