
Bielefeld. Es ist noch frisch: das Papier des Bundesverkehrsministeriums über die Bedarfe der Verkehrsplanung. Vereinfacht gesagt, wird geschaut, ob die Projekte, die im Bundesverkehrswegeplan 2030 aufgelistet sind, noch angemessen und erforderlich sind. So wie die Ortsumgehung Ummeln. Ob darüber noch vor der vorgezogenen Bundestagswahl entschieden wird, ist offen. Die heimische Wirtschaft lässt mit einem aktuellen Statement keinen Zweifel aufkommen, dass Bielefeld und Umgebung die B61n brauchen. Führende Vertreter stellen sich in die erste Reihe.
Die Schlagzahl, mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) und Handwerkskammer (HwK) zu Ostwestfalen-Lippe eine schnelle Realisierung fordern, hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Die Ortsumgehung „ist als strategische Erweiterung des Fernverkehrsnetzes im Zusammenhang mit der A33 einzustufen, um eine flüssigere Anbindung und Entlastung für die umliegenden Gebiete zu schaffen“, heißt es im gemeinsamen Statement. Sie werde damit auch einen Beitrag leisten zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Wirtschaft in der Region.
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Die 3,7 Kilometer lange Ortsumgehung beginnt am Kreuz der A33 mit dem Ostwestfalendamm, führt links am Ortszentrum von Ummeln vorbei, um kurz vor der Stadtgrenze zu Gütersloh wieder auf die B61, die Gütersloher Straße, einzubiegen. Aus südlicher Richtung kommend, dient sie somit als direkter Autobahnzubringer. Im Bundesverkehrswegeplan ist das Projekt mit „laufend und fest disponiert“ eingepreist und soll laut Bundesverkehrsministerium weiter kontinuierlich vorangetrieben und umgesetzt werden.

Ortsumgehung Bielefeld-Ummeln seit 22 Jahren geplant
Die Strecke wird seit mehr als 22 Jahren geplant, im Herbst 2016 gab es Baurecht. Doch der Planfeststellungsbeschluss wurde beklagt und 2020 vom Bundesverwaltungsgericht in Teilen für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Das Fehlen wesentlicher Unterlagen zur Variantenauswahl und zum Grundwasserschutz wurden bemängelt, die der Landesbetrieb Straßen NRW seither für ein Ergänzungsverfahren erstellt.
Im Mai war durch eine FDP-Anfrage im Landtag bekannt geworden, dass die Vergabe des wasserrechtlichen Gutachtens fast fünf Jahre nach dem Urteil noch gar nicht erfolgt ist. Nach Auskunft der Bezirksregierung Detmold gibt es dazu auch keinen neuen Stand. Pressesprecher Peter Westphal: „Der Bezirksregierung Detmold liegt kein Antrag auf Planergänzung inklusive der vorzulegenden Unterlagen vor.“ Die beiden Wirtschaftskammern fordern daher, dass das Ergänzungsverfahren kurzfristig eröffnet wird, damit schnellstmöglich Baurecht geschaffen werden kann.
Dass der Bau kein Selbstläufer ist, zeigen die teils erbitterten Debatten, die in Bielefeld und Gütersloh Pro und Contra zur B61n und den daran anschließenden vierspurigen Ausbau der Gütersloher Straße geführt worden sind und weiter geführt werden. Während sich beide Kommunen einig sind, den Ausbau der B61 auf Gütersloher Gebiet streichen zu wollen, haben die Nachbarn Mitte 2023 an Bund und Land appelliert, auch auf die B61n zu verzichten.
Bielefelder Wirtschaft fordert die B61n
In Bielefeld (und Herford) haben 44 Initiativen 2022 generell gegen den Aus- und Neubau von Fernstraßen mobil gemacht. Zum breiten Bündnis gehören Umwelt- und Sozialverbände, Wohnungsgesellschaften, Verkehrsclubs, die Initiative „Mut zur Verkehrswende“, Gewerkschaften wie Verdi. In einem Memorandum von „Mut zur Verkehrswende“, „Bielefeld pro Nahverkehr“ und „Parents for Future Bielefeld“ wird vorgeschlagen, nicht länger auf den Bau der B61n zu warten, sondern die Neugestaltung der Ortsdurchfahrt Ummeln jetzt als Modellprojekt anzupacken. Der Stadtentwicklungsausschuss hat das Thema aktuell auf der Tagesordnung.
Die Wirtschaftsverbände haben hingegen seit nahezu 25 Jahren eine klare Haltung pro B61n:
Petra Pigerl-Radtke, IHK-Hauptgeschäftsführerin
„Die B61n gewährleistet nicht nur den reibungslosen Verkehrsfluss zwischen den beiden Städten, sondern entlastet auch die stark frequentierte Ortsdurchfahrt von Ummeln. Für die Unternehmen ist diese Verbindung von zentraler Bedeutung, um einen schnellen Zugang zum überregionalen Straßennetz zu gewährleisten.“
Jens Prager, Hauptgeschäftsführer Handwerkskammer OWL zu Bielefeld
„Besonders für Betriebe, die im täglichen Kontakt mit Kunden und Partnern stehen oder Waren transportieren, sind lange Staus und stockender Verkehr ein erheblicher Nachteil. Die B61n bietet hier eine wichtige Entlastung, stärkt nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit des Handwerks, sondern schafft auch bessere Bedingungen für Mitarbeitende und Kunden.“
Ortwin Goldbeck, Goldbeck GmbH und Ehrenpräsident der IHK
„Goldbeck beschäftigt am Standort Ummeln mehr als 2.000 Mitarbeiter, die zum größten Teil täglich mit dem Auto kommen. Mehr als 50 Lkw fahren das Werk täglich an. Durch Ampelstopps und Staus wird der starke Verkehr zu einer mehr und mehr unerträglichen Belastung für die Verkehrsteilnehmer und für die Ummelner. Wir benötigen die Umgehungsstraße schnell, um unseren Standort zu sichern und für die Mitarbeiter attraktiv zu halten.“
Heiner Dresrüsse, Dresrüsse GmbH, HwK-Vize
„Als Handwerksunternehmen an der Hauptverkehrsachse spüren wir die täglichen Staus auf der B61 direkt. Besonders der Transport von Materialien und Produkten wird immer wieder behindert, was unsere Effizienz erheblich einschränkt. Auch unsere Mitarbeiter und Partner sind regelmäßig von langen Verzögerungen betroffen.“
Georg Rau, Geschäftsführung Miele & Cie. KG Gütersloh
„Die B61n macht die Verbindung zwischen Bielefeld und Gütersloh schneller, sicherer und planbarer – und damit auch den laufenden Lkw-Transport unserer Geräte aus dem Werk Bielefeld zu unserem zentralen Logistik-Hub in Gütersloh. Zugleich entfällt das Nadelöhr durch Ummeln, so dass die Menschen dort vor Verkehrslärm und vermehrten Schadstoffen in der Luft geschützt werden.“
Astrid Höcker, Spedition Höcker GmbH & Co. KG Gütersloh
„Für uns als Spedition ist die B61n mit Blick auf Verlässlichkeit und Pünktlichkeit absolut unverzichtbar. Gerade bei Staus auf der A2 wird sie die einzige wirksame Umleitung sein. Ohne diese Umgehung, das zeigt die Erfahrung, wird die Ortsdurchfahrt von Ummeln unmittelbar blockiert, was den Verkehr kollabieren lässt und zu erheblichen Verzögerungen führt.“
Hans-Gerd Oester-Barkey, Oester-Barkey KG Ummeln
„Die Umgehung ist für mich alternativlos, der Zeitgewinn durch einen flüssigen Verkehr wirtschaftlich unabdingbar. Auch Berufspendler stehen dann deutlich weniger im Stau. Weniger Staus bedeuten auch verlässlichere Fahrpläne und höhere Attraktivität des ÖPNVs. Eine Entlastung des Ortskerns würde also nicht nur den Nahverkehr stärken, sondern auch die Verkehrswende unterstützen.“