Diskussionen über den Kesselbrink: Der Platz in Bielefeld, der spaltet

Bielefeld. &bdquo;Ich liebe diesen Platz, dieser Platz ist demokratisches Leben“, sagt Nico Schmidt-Krischik von der AWO Bielefeld. Er gehört zum &bdquo;Grüner Würfel“-Team auf dem Kesselbrink und zur Quartiersbetreuung Ostmannturm. Für diese Liebeserklärung bekommt er sogar Applaus von dem etwa 70-köpfigen Publikum. Er ist zwar nicht allein mit dieser &bdquo;Amour fou“, wohl aber in der Minderheit. Die Skepsis überwiegt merklich über den Sinn und Nutzen des Kesselbrinks in seiner jetzigen Gestalt, sowohl beim Auditorium im Café Keimzeit (Grüner Würfel), als auch auf dem Podium. Lesen Sie auch: Alarmierende Zahlen: Kriminalität an Kesselbrink und Jahnplatz explodiert Dort hat NW-Redakteur Stefan Brams, der mit seiner Sommerserie &bdquo;Kesselbrinkgespräche“ für Furore sorgte, ein paar &bdquo;Menschen mit Meinung und Haltung“ um sich gescharrt – mit kontroverser Meinung: Dem Verwaltungssoziologen Hans E. Latzke fehlt eine Struktur des Platzes, ein Zentrum in Form eines Kioskes, klarer Linienführungen auf dem Kesselbrink: &bdquo;Der Platz ist baulich von allen Seiten eingeschlossen, eine Katastrophe und ein abschreckendes Beispiel für die bauliche Quadratisierung Bielefelds“, bemängelt er. Auch regt er eine Bebauung an in Form von &bdquo;Tiny Houses“, die nur von wenigen bewohnt würden. Das wiederum ist nicht kompatibel mit den Interessen von Sozialdezernent Ingo Nürnberger. Er gibt sich – qua Amt – seit Jahren viel Mühe, den Platz zu &bdquo;bespielen“ mit vielen Menschen, sei es durch die &bdquo;Kesselbrink spielt!“- Events mit über 10.000 Leuten, sei es durch Rudelsingen auf einer großen Bühne. Ebendort, beim gemeinsamen Singen, hat Nürnberger Anfang 2023 die damals &bdquo;neue“ Polizeipräsidentin Sandra Müller-Steinhauer geladen und ihr erstmals den Kesselbrink gezeigt. Auch sie steht auf dem Podium: &bdquo;Ich verstehe den Platz nicht, der Platz lebt nicht. Aber ich bin auch kein Städteplaner“, sagt sie. Müller-Steinhauer gerät schnell in den Fokus der lebhaften (Sicherheits-)Debatte im Grünen Würfel. Zu Recht? Kernthema der Diskussion: Kriminalität und Sicherheit auf dem Kesselbrink Der Vorstand des Caritas-Verbands Bielefeld, Ulrich Paus, sagt klipp und klar: &bdquo;Der Platz hat Aufenthaltsqualität für mich – morgens, mittags und nachmittags“. Fehlt da was? Ähnlich sieht es auch die Lehrerin Najla Mejri, die sich tagsüber immer wieder gerne auf dem Kesselbrink aufhält, auch mit ihrer Schulklasse, aber abends diesen Platz als Frau meidet und weiträumig umgeht. Das ist das überbordende Kernthema an diesem Abend: Kriminalität und Sicherheit auf dem Kesselbrink. Lesen Sie auch: Reportage: Zwischen Chillen, Gewalt und Angst – eine Nacht am Bielefelder Kesselbrink &bdquo;In Paris werden die Stadtstreicher morgens mit Wasserspritzen verjagt“, weiß der Inhaber der &bdquo;Reste Truhe“, seit 80 Jahren ist die Stoffhandlung am Platz, als Zuhörer zu berichten. Nürnberger beschwichtigt: &bdquo;Hier sind nicht nur Drogensüchtige und Leute, die nichts zu verlieren haben, unterwegs“. Gleichwohl und dagegen kann nichts gesagt werden: Die Straßenkriminalität habe seit Jahresbeginn um 46 Prozent zugenommen auf dem Kesselbrink, aber nicht nur dort. Es gibt weitere Brennpunkte, die die Polizeipräsidentin aufführt: Boulevard, Karl-Eilers-Straße, Jahnplatz. Diese ganze Sicherheitsdiskussion habe nichts mit dem Kesselbrink zu tun, heißt es im Auditorium, das gebe es in jeder Großstadt. Müller-Steinhauer bestätigt: &bdquo;Jede Stadt hat ihren Kesselbrink“. Gleichwohl hat sie jüngst eine &bdquo;Soko Innenstadt“ initiiert, 13 Polizistinnen und Polizisten, die nach dem Rechten schauen und gegebenenfalls eingreifen (ein Beamter mehr als ursprünglich geplant). Diese Soko wird sich zunächst in der ehemaligen Tourist-Info am Niederwall einrichten. Von dort sind es keine fünf Geh-Minuten zum Kesselbrink. &bdquo;Soko Innenstadt“ zwischen Boulevard und Ravensberger Park aktiv Die Wache wird kostenneutral von der Stadt zur Verfügung gestellt – auch ein Zeichen dafür, dass alle Beteiligten am gleichen Strang ziehen. Das Wirkungsfeld dieser &bdquo;Soko Innenstadt“ ist nur schwer abzugrenzen, Müller-Steinhauer ortet es ungefähr zwischen Boulevard und Ravensberger Park ein. Zu Einsatzzeiten und personeller Präsenz, wo auch immer, sagt sie nur: &bdquo;Wir werden nicht kalkulierbar sein“. Dass der Kesselbrink keine Bali-Therme ist, keine Wohlfühl-Oase, da ist sich das Publikum einig. Hier spielt nunmal Kriminalität eine gewichtige Rolle. Und dabei geht es nicht nur um ein paar Dealer, die kleine Tütchen mit grünem Gras verkaufen. Stichwort: Einsatz von Stichwaffen. Der Einwurf, in Afrika sei ziemlich jeder mit einer Machete unterwegs, diese sei eine Art Lebensversicherung für den Träger, erzeugt Häme und Kopfschütteln bei fast allen Anwesenden. Damit ist das Thema abgehakt und kaum beendet NW-Redakteur Stefan Brams das Schwerpunktthema Sicherheit bei der Podiumsdiskussion, gehen draußen auf dem Kesselbrink die hellen Strahler an, getaktet von der Zeitschaltuhr der Stadtwerke. Ein Timing fast wie in Hollywood mit der Botschaft: &bdquo;Hier ist kein Platz für lichtscheue ’Geschäftsleute’ und Gewalttäter“. Konkrete Verbesserungen für den zentralen Innenstadt-Platz Über konkrete Verbesserungen auf dem zentralen Innenstadt-Platz wurde nur wenig gesprochen, die Sicherheitsfragen überlagerten alles. Dennoch, etwas Konstruktives: mehr Schatten, mehr Bäume und Sträucher, eine Kletterwand (Bouldern) am Grünen Würfel, ein Fußballkäfig und ein 3x3-Basketballfeld, ein Kinderspielplatz, mehr Mülleimer und vieles mehr. &bdquo;Es sind alle daran interessiert, dass sich der Platz weiterentwickelt – und das ist doch wenigstens ein Minimal-Konsens“, formuliert es final der Initiator des Treffens. Zurück auf Anfang: Nico Schmidt-Krischik sei der Schlusssatz gegönnt: &bdquo;Wir Bürger müssen den Platz zurückverlangen“. Auch das klingt konstruktiv.

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