Sturzrisiko in Bielefeld: Radfahrer kritisieren neue Verkehrsführung

Bielefeld. Knochenbrüche, Prellungen, Platz- und Schürfwunden: Was der junge Mann von der &bdquo;Station 39“, dem Imbiss am Brackweder Bahnhof, regelmäßig vor seinem Schaufenster sieht, ist wirklich erschreckend. &bdquo;Im Sommer habe ich hier zweimal die Woche den Krankenwagen gerufen.“ Grund ist das im spitzen Winkel zur Fahrbahn verlaufende Gleis, das für die Radfahrer auf der Eisenbahnstraße zu einer wirklichen Sturzfalle geworden ist. Nun hat die Stadt Bielefeld reagiert. Doch die neue Lösung wird vom Radentscheid eher als &bdquo;Verschlimmbesserung“ wahrgenommen. Sie fordern die Stadt auf, die Gleise endlich gegen Stürze abzusichern. Wie mehrfach berichtet, blieben Radler immer wieder in den Rillengleisen, die vom Bahnhof in Richtung Industriebetriebe führt, hängen und stürzten zum Teil schwer. Die Taxifahrer am Bahnhof und der Imbiss-Betreiber haben inzwischen einen Blick für die Gefahr entwickelt: &bdquo;Ich kann aufgrund des Winkels, den die Radler beim Überqueren haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen, ob es zum Sturz kommt oder nicht.“ Oft rief der Bielefelder den Rettungswagen Er schüttelt den Kopf. Immer wieder musste er Gestürzten zu Hilfe eilen, sie von der Straße ziehen, ihnen Wasser ausgeben und den Notruf wählen. &bdquo;In sechs von zehn Fällen brauchten wir hier einen Krankenwagen.“ Schon in den Sommerferien hatte die Stadt Bielefeld geplant, die Gefahr durch eine neue Radler-Führung auf der Eisenbahnstraße zu entschärfen. Ende August/Anfang September wurde sie nun umgesetzt. Wer mit seinem Rad vom Kreisel Richtung Bahnhof fährt, wird durch weiße Markierungen in einem gewollten Schlenker nach rechts auf den Gehweg geführt. Das Ziel ist offenkundig: Die Radfahrer sollen damit in einem deutlich größeren Winkel die schräg verlaufenden Gleise überqueren und damit nicht mehr in die Gleisrille rutschen können. Kritik an neuer Lösung der Stadt Die neue Lösung kommt nicht überall gut an. Sebastian Lisken vom Radentscheid betont: &bdquo;Was dort auf die Straße gepinselt wurde, dient höchstens dem Zweck, die Verantwortung auf die Unfallopfer abzuwälzen. Nach dem Motto: Wer der neuen Spur nicht folgt, ist selber schuld, wenn er stürzt.“ Er hält diese aufgemalte Idee für eine Pseudo-Lösung, &bdquo;die wir aufs Schärfste kritisieren“. Lesen Sie dazu: Mehrere schwere Stürze: Stadt Bielefeld richtet gefährliche Umleitung ein Warum? Einerseits würden Radfahrende, die dieser neuen Führung folgen, direkt auf den Gehweg geführt. Auf diesem nun als kombinierten Rad- und Gehweg ausgezeichneten Streifen warteten aber nur wenige Meter weiter regelmäßig die Fahrgäste für die ankommenden Fernbusse. &bdquo;Der Radverkehr wird mitten in den Warte- und Einstiegsbereich geführt. Dort ist nicht genug Platz.“ Und wer der Führung nicht folge, sei weiterhin gefährdet. Der junge Imbissbetreiber weiß, wann es besonders gefährlich ist: &bdquo;Wenn die Straße nass ist oder die Sonne tief steht, sehen die Radler die Gleise gar nicht. Dann passiert es besonders oft.“ Er gibt aber auch zu: &bdquo;In letzter Zeit ist nicht mehr viel passiert.“ Das liegt seiner Ansicht nach aber eher am schlechteren Wetter (da kommen weniger Radler) als an der aufgemalten neuen Lösung. Kunststoff-Füllung in den Rillen wäre eine Lösung für alle Der Test vor Ort zeigt, dass die wenigsten Radfahrer dem ungewöhnlichen Schlenker auf den Gehweg folgen. Sebastian Lisken: &bdquo;Wir reden hier nicht von einer Nebenstrecke. Diese Strecke ist eine offizielle Radroute und seit dem Umbau der Hauptstraße gleichzeitig noch städtische Umleitung des Radverkehrs von der Artur-Ladebeck-Straße/Gütersloher Straße.“ Lesen Sie dazu: &bdquo;Unglaublich“: Bielefelder verunglückt schwer und wird von der Polizei angezeigt Thorsten Böhm vom Radentscheid und langjähriger ADFC-Funktionär hat eine Lösung parat, die naheliegend scheint, aber bisher noch nicht weit verbreitet ist. Er spricht von Velo-Schienen oder Rillengleis-Füllungen. Die Anbieter solcher Lösungen verlegen Elastomerprofile (Kunststoff-Einsätze) in die gefährlichen Rillen. Für die Radfahrer ist das Überqueren der Schienen damit ohne jede Gefahr möglich. Die tonnenschweren Bahnen würden davon nicht beeinflusst, sie drücken diese Profile bei der Überfahrt problemlos nieder, anschließend kehrt die Füllung wieder in die Ursprungsposition zurück. 45-jährige Bielefelderin stürzt zwischen Autos und Reisebussen Für Radfahrerin Frauke (45) wäre das die Rettung gewesen. Sie blieb bei ihrer Fahrt zum Brackweder Hof mit dem Hinterreifen in einer der Schienen hängen, stürzte auf die Straße und verlor das Bewusstsein: &bdquo;Ich weiß nur, dass mich der Kioskbesitzer und ein Taxifahrer dann von der Straße geholt haben. Das ist kein angenehmes Gefühl, da zwischen Autos und Reisebussen auf dem Boden zu liegen.“ Sie zog sich eine Platzwunde, Prellungen an einer Hand und Wunden an den Knien zu. Damit hatte sie noch Glück. &bdquo;Die Rettungswagenbesatzung machte deutlich, dass sie an den Schienen regelmäßig im Einsatz seien.“ Und Frauke ist sich sicher: &bdquo;Wenn es diese Bemalung hier damals schon gegeben hätte, wäre ich ihr nicht gefolgt, wenn da alles voller Busse und Fahrgäste steht. Ich wäre auf der Straße geblieben.“ Damals hatte sie die Gleise gesehen, den Sturz konnte sie aber trotzdem nicht verhindern. Der Bielefelder Radentscheid fordert daher: &bdquo;Die Eisenbahnstraße ist für den Radverkehr wichtig und darf keine Sturzfalle bleiben“.

Meistgelesen