Fliegerbomben am Viadukt

Beide Bomben in Bielefeld sind entschärft – Bewohner kehren in Häuser zurück

In Bielefeld mussten am Donnerstag zwei Fliegerbomben entschärft werden. Der Grund, warum sie aufgefallen waren, ist ungewöhnlich.

Die beiden entschärften Fliegerbomben liegen auf der Ladefläche eines Lkw in Bielefeld. | © Jens Reichenbach

Aktuell: Auch am Donnerstag, 19. September 2024, wird eine Bombe in Bielefeld entschärft. Hier finden Sie unseren Liveticker.

Bielefeld. Mit einer überraschenden Meldung wurden die Schildescher am frühen Donnerstagmorgen konfrontiert. Auf einem Acker südlich der Talbrückenstraße in Höhe der Eisenbahnbrücke am Meyerwald sind zwei Weltkriegsbomben gefunden worden. 15 Meter voneinander entfernt und 3,70 und 4,20 Meter tief im Acker steckten zwei 500 Kilogramm schwere US-amerikanische Blindgänger.

Für ihre Entschärfung evakuierte die Feuerwehr ein Wohngebiet mit 2.333 dort gemeldeten Personen, um exakt 16.14 Uhr konnten Peter Asmussen, Patricia Heine und Jan-Philipp Schröder vom Kampfmittelbeseitigungsdienst ans Werk gehen. Schon gegen 17.30 Uhr dann die erlösende Nachricht: „Die Bomben sind entschärft!

Die Schildescher sind in dieser Hinsicht Kummer gewöhnt. Seit Anfang 1944 hatten die Alliierten das Viadukt als eines der Hauptziele bei Bielefeld bombardiert, um die Strecke der „Cöln-Mindener-Eisenbahn“ zwischen dem Ruhrgebiet und Berlin zu unterbrechen. Alleine 54 Bombenangriffe gab es auf das Bauwerk. Tausende Bomben landeten im Umkreis, viele davon landeten im Erdreich ohne je hochgegangen zu sein – sogenannte Blindgänger. Erst am 14. März 1945 zerstörten englische Flugzeuge das Schildescher Wahrzeichen endgültig mit einer fast zehn Tonnen schweren Bombe namens „Grand Slam“.

Acker in Bielefeld wurde mit Sonden abgesucht

Der aktuelle Fall war allerdings ungewöhnlich: Normalerweise werden Bombenentschärfungen in Vorbereitung auf Tiefbauarbeiten durchgeführt. In diesem Fall wurde aber ein landwirtschaftlich betriebener Acker überprüft und mit Metallsonden abgesucht. Hintergrund soll die Nachricht in einer Landwirtschafts-Zeitung gewesen sein, dass ein Landwirt beim Pflügen tatsächlich einen Blindgänger getroffen und sich damit in große Gefahr begeben hatte. Das allein war es aber nicht.

Der Hof- und Ackerbesitzer hatte regelmäßig Nachrichten der Behörde über neue Verdachtsfälle erhalten, die sich bei der Auswertung von alten Luftbildern ergeben hatten. Weil er demnächst Diestelwuchs in seinen Feldern entfernen wolle und deshalb deutlich tiefer in die Erde gehen wolle, habe er die Experten um Rat gefragt und die haben nun mit den ersten Entschärfungen begonnen. Weitere dürften folgen, glaubt er.

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Bombenentschärfung in Bielefeld-Schildesche

Ab 13.15 Uhr fuhren 230 Feuerwehr- und Rettungsdienstkräfte (auch von den Hilfsorganisationen) sowie 30 Polizisten durch die Straßen. Betroffen waren die Straßen Am Alten Kirchweg, Am Balgenstück, Am Pfarracker, Am Steinsiek, Am Vorwerk, Liethstück, Meyer-zu-Eissen-Weg, Plaßstraße, Sattelmeyerweg und Talbrückenstraße. Viele Schildescher kamen bei Freunden oder Verwandten unter, knapp 100 Menschen – vor allem Ältere und Menschen mit Pflegebedarf – wurden in der Gesamtschule Schildesche mit Snacks und Getränken versorgt. 40 Kräfte des Deutschen Roten Kreuzes waren im Einsatz. Ein gut gelaunter älterer Herr fragte diese am Eingang nach einem Bier. Gab es leider nicht, dafür feines Mineralwasser aus Frankreich.

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Herbert Binner (91) und seine Frau Johanna (87) wären auch lieber mit dem Shuttlebus in die Kneipe gefahren worden, sagte er augenzwinkernd. Die ungewollte Erinnerung an den Weltkrieg sei für sie trotzdem keine einfache Sache. Die Bilder von damals blieben für immer, sagt Herbert Binner und wird sehr nachdenklich, als er davon erzählt: „Plötzlich ist alles wieder da.“ Bereits zum vierten Mal mussten die Binners ihr Haus für eine Bombenentschärfung verlassen.

Nur wenige Bewohner wollten Häuser nicht verlassen

Laut Stadtsprecher Daniel Steinmeier habe die Evakuierung sehr gut und vor allem fast im Zeitplan funktioniert. Zu besonderen Vorkommnissen kam es ihm zufolge nicht. Zwar gebe es immer Bewohner, die ihr Haus nicht verlassen wollen, aber das sei alles mithilfe von Feuerwehr und Polizei geregelt worden.

Um 16.14 Uhr war der Gefahrenbereich komplett geräumt und die drei Entschärfer konnten mit ihrer gefährlichen Arbeit beginnen. Die Bahnstrecke zwischen Bielefeld und Herford wurde gesperrt, ebenso Teile des Luftraums über dem Fundort. Zugverbindungen fielen aus, Fernzüge wurden über Löhne umgeleitet. Zwischen den Bahnhöfen Herford und Bielefeld fuhren Schienenersatz-Busse.

„Zurück nach Hause“, hieß es um 17.26 Uhr für alle Menschen, die in der Nähe des Viadukts ihre Wohnungen und Häuser hatten verlassen müssen. Das Team vom Kampfmittelbeseitigungsdienst hatte Entwarnung gegeben, die Entschärfung beider Fliegerbomben war nach einer guten Stunde geglückt. Das gesamte Evakuierungsgebiet und die Bahnstrecken konnten wieder freigegeben werden.

Der zerstörte Viadukt bei Kriegsende: gut 130 Meter waren aufgrund des „Erdbeben-Effektes der Grand-Slam-Bombe" eingestürzt. - © Stadtarchiv Bielefeld
Der zerstörte Viadukt bei Kriegsende: gut 130 Meter waren aufgrund des „Erdbeben-Effektes der Grand-Slam-Bombe" eingestürzt. | © Stadtarchiv Bielefeld

Die Blindgänger lagen jeweils in einer Tiefe von 3,70 und 4,20 Meter. Asmussen berichtet: „Beide Bomben hatten je einen Heck- und ein Kopf-Zünder, die ließen sich relativ gut entfernen. Problematischer war die Bergung der 500-Kilo-Bomben, die sich relativ tief in der Erde festgesaugt hatten.“ Das habe Zeit benötigt. Die Gewinde, in denen die Aufschlagzünder steckten, waren beinahe unversehrt und so ließen sich die gefährlichen Zünder relativ leicht vom explosiven Inhalt des Bombenkörpers trennen.

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Neben dem Entschärferteam des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Arnsberg (zuständig für Westfalen-Lippe) waren 230 Kräfte von Freiwilligen Feuerwehren und Berufsfeuerwehr sowie vom Rettungsdienst und den Hilfsorganisationen im Einsatz, hinzu kamen 30 Polizeibeamte sowie in der Einsatzleitung weitere Ansprechpartner von Mobiel, der Deutscher Bahn sowie von Katastrophenschutz, Ordnungsamt und Amt für Verkehr bei der Stadt. Sie alle waren darum bemüht, trotz der Einschränkungen einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.

Liveticker zum Nachlesen: So war die Evakuierung und Bombenentschärfung