Bielefelder Bethel-Vorstände fühlen sich von der Politik alleingelassen

Bielefeld. Bethel-Chef Pastor Ulrich Pohl und Finanzchef Rainer Norden sind unzufrieden mit der Politik. Bei der Vorstellung der Zahlen für das Jahr 2023 lasen die beiden Stiftungsvorstände den Regierenden jetzt die Leviten. Große Sorgen bereiten Pohl und Norden die &bdquo;zum Teil politisch verstärkte“ schwierige finanzielle Lage der Krankenhäuser und die unzureichende Finanzierung der Pflegekosten in Altenheimen. Ein zweiter Klotz am Bein sei für die Sozialträger die &bdquo;unerträgliche Bürokratie“, die 30 bis 40 Prozent der Arbeitszeit vieler Beschäftigter in den Pflegeberufen in Anspruch nehme. Bethel, dieser Name eines Bielefelder Stadtteils steht für einen bundesweit aktiven diakonischen Sozialkonzern mit bundesweit inzwischen 24.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Mit rund 11.000 Beschäftigten. Dahinter stehen die v. Bodelschwinghschen Stiftungen, die an 300 Standorten Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Altenheime, aber auch Kindertagesstätten, Schulen und Ausbildungsstätten betreiben. Ein kirchlich-privates Unternehmen, das sein großes Gewicht jetzt für die ganze Branche in die Waagschale warf. &bdquo;Viele soziale Träger gerieten 2023 in Schieflage - bis hin zu zahlreichen Insolvenzen nicht nur im Bereich der Krankenhäuser und Altenheime“, stellte Vorstandschef Pastor Pohl fest und warnte: &bdquo;Ein weiteres Jahr wie dieses, in dem die sozialen Träger mit den explodierenden Kosten weitgehend alleingelassen werden, werden viele Einrichtungen nicht überstehen.“ Pohl blickte allerdings über den Tellerrand der Branche hinaus auf die komplette Gesellschaft: Die &bdquo;einzigartige soziale Landschaft in Deutschland“ könne ein Bollwerk sein &bdquo;gegen Intoleranz, Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit“, glaubt Pohl. Werde dieser Bereich aber &bdquo;kaputtgespart“, werde am Ende auch die Demokratie erschüttert. Lesen Sie auch: Bethel in Bielefeld hilft Menschen in psychischen Krisen mit mobiler Psychiatrie Neue Großküche für 10,1 Millionen Euro in Bielefeld geplant Eigentlich ist Bethel derzeit dabei, in verschiedenen Bereichen massiv zu investieren - auch am Stammsitz in Bielefeld. Kurz vor der Vollendung ist etwa das neue Hospiz am Quellenhofweg mit 16 (statt bisher 10) Plätzen - der Umzug aus dem alten &bdquo;Haus Zuversicht“ in den hellen Neubau solle im Januar 2025 erfolgen. Ein skeptisches Wort am Rande: Der Neubau sei im Wesentlichen nötig geworden, weil jedes Zimmer nun verbindlich eine eigene Toilette und Dusche brauche. Ob dies tatsächlich notwendig sei, &bdquo;darüber könnte man diskutieren“, so Pohl. Ein weiteres Projekt, das nun realisiert werden soll, sei der seit Jahren geplante Küchenneubau, der die Küche des Evangelischen Klinikums Bethel (EvKB) im Johannisstift und die Bergküche in Bethel ersetzen soll. Für die neue Großküche, die täglich 6.000 Mahlzeiten produzieren soll, seien Investitionen von 10,1 Millionen Euro geplant. Ein weiteres Projekt sei der Ersatzbau für das Pflegeheim Haus Elim für Menschen mit Demenz und anderen schweren Beeinträchtigungen. Eine ganze Reihe öffentlich geförderter Investitionen betreffen den Aufbau der medizinischen Fakultät der Universität Bielefeld, für die die Bethel-Häuser eine zentrale Rolle spielen - etwa Lehrräume für &bdquo;interprofessionelle Lehre“ im Haus Sarepta oder eine neue Ausbildungsstation in der Uniklinik für Unfallchirurgie und Orthopädie. Doch im Jahr 2023 seien die Investitionen, die eigentlich von 101,6 auf mehr als 121 Millionen Euro steigen sollten, tatsächlich auf 94,9 Millionen Euro beschränkt worden. Wegen der Inflation und der Wirtschaftslage seien Ausgaben gekürzt oder verschoben worden. Bethel habe sich selbst auferlegt, seine Investitionen höchstens zur Hälfte mit Krediten zu finanzieren, erklärte Finanzchef Norden zum Hintergrund. Da aber die Kosten in vielen Bereichen stärker gestiegen seien als die Einnahmen, seien Einsparungen notwendig gewesen. Im Krankenhausbereich etwa werde die Inflation von den Kostenträgern nur zur Hälfte ausgeglichen, die Rede ist von einer &bdquo;systematischen Unterfinanzierung. Zudem gebe es eine Ungleichbehandlung von Kliniken der öffentlichen Hand und denen des privaten Sektors. 2024 will Bethel seine Investitionssumme wieder auf 113 Millionen Euro erhöhen, aber auch hier seien noch Reduzierungen denkbar, deutete Norden an. Lesen Sie auch: Bielefelder Klinik bietet außergewöhnliche Behandlung für Frühchen an &bdquo;Gigantische Bürokratie“ bindet Personal Ebenfalls kostenträchtig seien die Auswirkungen der &bdquo;gigantischen Bürokratie“, die immer mehr Personal binde. Von übertriebenen Dokumentationspflichten in der Pflege bis hin zu den kaum erfüllbaren Auflagen durch das &bdquo;Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ sei Bethel massiv betroffen: &bdquo;Alle reden von Bürokratieabbau, aber das Gegenteil geschieht“, klagte Rainer Norden. Trotz aller Herausforderungen und Krisen hat Bethel aber das Jahr 2023 &bdquo;wirtschaftlich gemeistert“: Der Umsatz sei um gut acht Prozent auf 1,81 Milliarden Euro gestiegen, die Zahl der Beschäftigten stieg um zwei Prozent auf 24.074. Das magere Jahresergebnis (Gewinn) von 5,77 Millionen Euro im Jahr 2022 sei auf immerhin 9,74 Millionen Euro gesteigert worden, was angesichts der Unternehmensgröße aber immer noch sehr wenig sei. Einen kleinen Zuwachs um 4,3 Prozent auf 69,44 Millionen Euro gab es auch bei den Zuflüssen aus Spenden und Nachlässen. Um die Aufgaben für eine älter werdende Gesellschaft künftig bewältigen zu können, werde es in einigen Bereichen eine Abkehr von allzu hohen Standards geben müssen, glaubt Pohl. Das gelte erst recht, wenn es mangels Nachwuchs immer schwieriger (und teurer) werde, das nötige Personal zu finden.

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