Entsetzen in Bielefelder Frauenhäusern: Dringend benötigte Hilfe heimlich gekippt

Bielefeld/Berlin. Die Häusliche Gewalt in Deutschlands Wohnzimmern steigt. Kein Wunder, dass Anfang September in fast keinem Frauenhaus in Westfalen noch ein freier Platz zu finden ist. Die Schutzhäuser sind hoffnungslos überlaufen. Wartelisten helfen in akuter Not nicht weiter, manche Frauen, die Glück haben und einen der wenigen Plätze ergattern, können dann aber die Betreuungskosten nicht selbst finanzieren. Sie bleiben im wahrsten Sinne des Wortes schutzlos. Wer sich mit Gewalterfahrungen ohne Hilfe &bdquo;einfach trenne, begebe sich in eine unkalkulierbare Gefahr“, sagt Katja Grieger vom Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. Das Problem ist seit Jahren bekannt und lässt sich auch auf der Seite der Frauenhäuser NRW sehr gut nachvollziehen. Die voll besetzten Einrichtungen haben hier seit Jahren klar die Mehrheit. Der Bund kündigte an, mit einem neuen Gesetz helfen zu können. Doch jetzt scheint es heimlich gekippt worden zu sein, sagt Beatrice Tappmeier vom autonomen Frauenhaus Bielefeld. Die Frauenprojekte im ganzen Land hatten große Hoffnungen, so Tappmeier, als das dringend benötigte Gewalthilfegesetz angestoßen wurde. &bdquo;Stellungnahmen wurden eingeholt, es wurden Zahlen eingefordert, auch die Parteien haben sich positioniert. Wir dachten, das Problem wird endlich gesehen.“ Auslöser war der große Gewaltschutzbericht 2023, die Zahlen bei Häuslicher Gewalt waren deutlich gestiegen. Mehr als zwei Gewaltvorfälle pro Tag in Bielefeld Allein in Bielefeld war die Zahl der innerfamiliären Übergriffe um 8,9 Prozent auf 872 Fälle im Jahr 2023 gestiegen – der zweithöchste Stand seit 2018. Für die Betroffenen ist jeder einzelne eine Katastrophe, für die Polizei sind es mehr als 2 Fälle pro Tag in der Stadt. Das Ergebnis war ein Gesetzesvorschlag, der erstmals eine bundeseinheitliche Anschubfinanzierung für Opfer geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt bringen sollte. Auch sollte der Etat helfen, eine systematische Risikoeinschätzung der Behörden für Frau und Kinder vorzunehmen. Ein personalintensives und daher auch teures Unterfangen. &bdquo;Unsere Arbeit wird bisher nur freiwillig durch die Kommunen und das Land finanziert“, erklärt Beatrice Tappmeier. &bdquo;Ein zusätzlicher Bundesetat sollte helfen, den Platzmangel in den Frauenhäusern zu verringern. Auch die dringend notwendige Nachbetreuung nach dem Verlassen der Schutzhäuser sollte aufgestockt werden. Doch jetzt taucht der fertige Gesetzesentwurf mit keinem Wort mehr im Bundeshaushalt auf.“ Es sieht tatsächlich so aus, als wäre der Entwurf des Gewalthilfegesetzes aus dem Haushalt des Bundesfamilienministeriums gestrichen worden. Bielefelder Frauenhaus-Mitarbeiterin: &bdquo;Wir sind wirklich entsetzt“ &bdquo;Wir sind wirklich entsetzt und ratlos“, sagt die erfahrene Frauenhaus-Mitarbeiterin und Sprecherin des Feministischen Netzwerks Bielefeld. &bdquo;Der geplante Gewaltschutz auf Bundesebene löst sich vor unseren Augen in Luft auf“, sagt sie. Lesen Sie auch: Häusliche Gewalt: Nicht einmal ein Drittel der Fälle hat juristische Folgen Aus dieser Not heraus haben sich Frauenprojekte landesweit nun dazu entschieden, am 9. September zu streiken. Es hört sich absurd an, wenn Hilfevereine mit einem Streik eigentlich nur ihre Klientel treffen. Aber es zeigt auch die Verzweiflung bei den Projektträgern. Die Frauenhaus-Expertin betont: &bdquo;Wir streiken im Rahmen vertretbarer Möglichkeiten. Wir werden unsere Anrufbeantworter passend besprechen und Mails nicht beantworten. Es gibt Social-Media-Berichte.“ Die Arbeit in den Schutzhäusern werde natürlich nicht niedergelegt. .responsive23-XhXjQG5Zg4aH8IJS-bar-stacked-vertical-zahlen-haeusliche-gewalt-2023 { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-XhXjQG5Zg4aH8IJS-bar-stacked-vertical-zahlen-haeusliche-gewalt-2023 { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-XhXjQG5Zg4aH8IJS-bar-stacked-vertical-zahlen-haeusliche-gewalt-2023 { padding-top: 142.86%; } } Grünen-Vorsitzende Britta Haßelmann hofft noch auf ein Happy End Die Bielefelder Bundestagsabgeordnete Britta Haßelmann, eine der Vorsitzenden der Grünen Bundestagsfraktion und Parteikollegin von Frauenministerin Lisa Paus, betont: &bdquo;Gewalt gegen Frauen darf niemanden kalt lassen – und wir dürfen nicht hinnehmen, dass fast jeden zweiten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet wird. Deshalb haben wir uns vorgenommen, den Rechtsanspruch von Frauen auf Schutz abzusichern.“ Lisa Paus setze das mit der Arbeit am Gewalthilfegesetz gerade um. Kommentar: Hilfsangebote bei häuslicher Gewalt müssen leichter zugänglich sein Und dann deutet sie das Problem an: Dazu gehöre auch eine finanzielle Unterstützung des Bundes. &bdquo;So haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart.“ Doch aus dem Finanzministerium scheint Gegenwind zu kommen. Deshalb sagt Haßelmann diplomatisch: &bdquo;Ich hoffe, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung bald im Parlament eingebracht werden kann.“ Denn die schwierigen Haushaltsberatungen im Parlament stehen ab Montag erst an.

Meistgelesen