
Deutschland hat nach Einschätzung von Bundesfrauenministerin Lisa Paus ein Problem mit Gewalt gegen Frauen. „Fast jeden Tag gibt es einen Femizid. Jeden Tag werden rund 400 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt“, sagte die Grünen-Politikerin zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen an diesem Montag. In mehreren Städten sind Kundgebungen und Aktionen geplant, auch in OWL.
So starten die DGB-Frauen heute Verteilaktionen in den Innenstädten von Bielefeld (14 Uhr), Detmold (16.30 Uhr) und Minden (16 Uhr). Der „Reclaim the Night“-Umzug des Bielefelder Feministischen Netzwerkes und der Gleichstellungsstelle der Stadt Bielefeld beginnt um 18 Uhr am Alten Rathaus in Bielefeld. Mehrere Aktionen sind heute auch in Paderborn geplant. Im Lübbecker Land sind die Soroptimistinnen mit Aktionen am Start.
Der Bielefelder Frauennotruf protestiert gegen die Streichung geplanter Finanzierungen. Unter dem Hashtag #verletzt wollen die Fachberatungsstellen und Frauennotrufe auf die Auswirkungen geschlechtsspezifischer Gewalt und die mangelnde politische Unterstützung für die Arbeit gegen Gewalt aufmerksam machen und endlich ausreichende Mittel für ihre Hilfe fordern.
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Die Landtagsabgeordnete Norika Creuzmann (Grüne) aus Paderborn hat mehr als 30 Jahre im Paderborner Frauenhaus gearbeitet und hat dort täglich die Folgen von Gewalt erlebt. Ebenso wichtig wie eine gesicherte finanzielle Ausstattung der Frauenhäuser ist ihrer Ansicht nach die Investition in vorbeugende Maßnahmen. „Wir brauchen mehr Gewaltprävention, wir müssen mehr auf Täterarbeit setzen, wir benötigen umfassende Schutz- und Hilfsangebote und einen besseren Zugang zur Justiz“, so die Sprecherin für Kinder- und Jugendschutz im Interview mit nw.de. Sie fordert auf Bundesebene unter anderem die baldige vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention, also dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.
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Ministerin Lisa Paus wirbt weiter für Zustimmung über Parteigrenzen hinweg für das Gewalthilfegesetz. Dies wurde von Paus in enger Abstimmung mit anderen Ministerien, den Ländern und Verbänden erarbeitet. „Es braucht eine Trendumkehr, ein starkes Gewalthilfegesetz, um das Recht auf Schutz und Beratung für alle Betroffenen von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt zu verankern.“
Um das Gesetz durch den Bundestag zu bringen, ist aber eine breite Unterstützung auch der Union nötig. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP war vor gut zwei Wochen auseinandergebrochen. „Der Schutz von Frauen darf nicht abhängig sein von parteipolitischem Kalkül“, sagte Paus. „Frauen, die Gewalt erfahren und die um ihr Leben fürchten, ist es vollkommen egal, wer regiert.“
SPD appelliert an die Union, das Gesetz zu unterstützen
Die SPD-Bundestagsfraktion appelliert an CDU und CSU, noch vor der Neuwahl die Verabschiedung des neuen Gesetzes zum Schutz von Frauen zu ermöglichen. „Es ist ein Skandal, dass es Frauen in Deutschland gibt, die sich in ihren eigenen vier Wänden nicht sicher fühlen können“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, dieser Redaktion.
„Diese Verbrechen treffen Frauen besonders hart. Und wo sie passieren, muss unser Rechtsstaat hart und sehr klar durchgreifen.“ Die Täter würden ihr Recht verwirken, sich frei bewegen zu können und müssten für ihre Verbrechen an Frauen verfolgt und hart bestraft werden. „Gewalt gegen Frauen hat natürlich auch eine politische Dimension“, sagte Mast der Redaktion. Es sei nötig, noch stärker hinzuschauen und „in einem bundesweiten Konsens dafür zu sorgen, dass die Rechte von Frauen gestärkt und Schutzräume, beispielsweise Frauenhäuser, ausreichend finanziert werden“.
Es sei „ein Armutszeugnis“, dass in dem Bereich immer wieder neu um Geld gerungen werden müsse, so die Sozialdemokratin. „Deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung am Mittwoch ein Gewaltschutzgesetz beschließt“, sagte Mast – und rief vor allem die weiblichen Abgeordneten der anderen Parteien zur Zustimmung auf: „Im Bundestag kann das Gesetz nur mit der Union gemeinsam verabschiedet werden – das geht noch vor dem Wahltermin“, sagte sie. „An alle Frauen in CDU und CSU sage ich: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“
Gewalttaten stiegen zuletzt
Zuletzt hatte Paus zusammen mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und dem Bundeskriminalamt Zahlen vorgestellt, wonach immer mehr Frauen in Deutschland von Gewalt betroffen sind. Besonders schwerwiegend sind versuchte und vollendete Tötungsdelikte, die sich explizit gegen das weibliche Geschlecht richten – sogenannte Femizide. Im Jahr 2023 wurden 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Femiziden. 360 Frauen und Mädchen starben dabei.
„Die Politik muss dafür sorgen, dass Täter gestoppt und Frauen geschützt werden“, sagte Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin der Frauenrechtsorganisation Terre de Femmes, in einer Mitteilung. Die Trennung von einem gewalttätigen Partner sei für Frauen der gefährlichste Moment. Diese Gefahr für Frauen würde von Behörden und Justiz noch immer unterschätzt werden. „Die traurige Realität: viele Femizide hätten verhindert werden können, wären die Frauen besser geschützt worden.“
Der so bezeichnete Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen will die Gesellschaft für dieses Problem sensibilisieren. Die Aktionen finden im Rahmen der UN-Kampagne „Orange the World“ statt. Diese gibt es seit 1991 und sie läuft in diesem Jahr für 16 Tage. Sie beginnt heute mit dem sogenannten Orange Day. Viele Gebäude werden an dem Tag in Orange angestrahlt.
Mit einer neuen Videokampagne auf Youtube will die Polizei junge Menschen über Gewalt in Partnerschaften aufklären:
Mit Material der dpa.