Bielefeld. Die Expertinnen des Bielefelder Frauennotrufs sind fassungslos. Trotz großer Hoffnungen in diesem Jahr stehen die Fachstellen im Kampf gegen Gewalt an Frauen wieder allein im Regen. Die Hoffnung auf erstmalige Bundesförderung ist geplatzt. Der Verein protestiert nun anlässlich des „Internationalen Tages zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“ am 25. November gegen die Streichung geplanter Finanzierungen.
Unter dem Hashtag #verletzt wollen die Fachberatungsstellen und Frauennotrufe jetzt auf die Auswirkungen geschlechtsspezifischer Gewalt und die mangelnde politische Unterstützung für die Arbeit gegen Gewalt aufmerksam machen. Die Aktion soll deutlich machen, dass diese Gewalt auf der einen Seite die Würde, Selbstbestimmung, Integrität und Teilhabe von Betroffenen verletzt. Auf der anderen Seite würden aber durch schlechte Finanzierung täglich die Chancen und Möglichkeiten der Helferinnen „#verletzt“, dieser Gewalt entgegenzuwirken.
Die Bundesregierung hatte zugesagt, die seit 2018 geltende Istanbul-Konvention umzusetzen und erstmals Hilfsangebote mit einer Regelfinanzierung aus Bundesmitteln zu unterstützen. Als dieses Gesetzesvorhaben im geplanten Bundeshaushalt plötzlich nicht mehr auftauchte, hatten die Frauenhäuser und Beratungsstellen in NRW sogar einen Streik organisiert.
Lesen Sie dazu: Entsetzen in Bielefelder Frauenhäusern: Dringend benötigte Hilfe heimlich gekippt
Endgültiges Aus macht Bielefelderinnen fassungslos
Der erhoffte Meilenstein für die Umsetzung der Konvention war einfach unter den Tisch gefallen. Dabei hatte der Koalitionsvertrag noch nie so klar formulierte Ziele zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt enthalten, heißt es dazu vom Bielefelder Frauennotruf. „Durch das Scheitern der Regierung steht dieses Vorhaben nun endgültig vor dem Aus“, berichten die Fachberaterinnen fassungslos.

Denn aktuell stehen durch Eigen-, Landes- und kommunale Mittel pro Bürger 1,20 Euro zur Unterstützung bei Gewalt gegen Frauen zur Verfügung. Eine Studie hat offengelegt, dass der tatsächliche finanzielle Bedarf um ein Vielfaches höher liege. Auch der Frauennotruf in Bielefeld spürt das konkret: Die gestiegenen Personal- und Sachkosten seien mit den gedeckelten Zuschüssen nicht zu leisten, berichtet die Bielefelder Leiterin Melanie Rosendahl.
News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld
Nötige Spenden- und Charityaktionen binden Kapazitäten
Ohne zusätzliche Spenden und Charity-Aktionen sei der Betrieb nicht kostendeckend. Das heißt, die Beraterinnen sind zu großen Teilen mit Finanzierungsaktivitäten beschäftigt: „Diese Zeit fehlt uns für die Beratung unserer Klientinnen, dabei steigt die Zahl der Beratungen seit Jahren an“, sagt Rosendahl. „Wir fordern deshalb eine auskömmliche finanzielle Unterstützung unserer Arbeit durch das Land, aber auch die Umsetzung des Gewalthilfegesetzes.“ Nur so lasse sich die Hilfe betroffener Frauen und Mädchen als Pflichtleistung sichern.
Lesen Sie auch: „Man muss sich Gewaltschutz leisten können“: Frauenhäuser in OWL streiken