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Skurriler Kriminalfall 2022: Dubiose Diebin stiehlt Bielefelds Mona Lisa und verschwindet

Podcast „Ostwestfälle“: Der Kunstdiebstahl mitten in dem Bielefelder Museum gehört zu den kuriosesten Kriminalfällen der vergangenen Jahre.

Das Gemälde - das "Porträt einer jungen Frau" - von Maler Pieter Aertsen bleibt trotz der Aufklärung des Diebstahls verschwunden. | © Polizei

22.08.2024 | 22.08.2024, 17:17

Bielefeld. Es gibt Parallelen zur berühmten Mona Lisa im Louvre – wenn auch nicht viele. Das „Porträt einer jungen Frau“ des niederländischen Malers Pieter Aertsen entstand im selben Jahrhundert, zeigt ebenfalls eine junge Frau – allerdings ohne Lächeln – und wurde aus einem Museum gestohlen.

Während der italienische Handwerker Vincenzo Perugia sich im Museum einschließen ließ und die berühmte Mona Lisa am 21. August 1911 heimlich – vermutlich in einen Kittel gewickelt – ins Freie schaffte, gelang ein ähnliches „Kunststück“ knapp 111 Jahre später einer Frau im Bielefelder Museum Huelsmann. Sie war nur deutlich schneller.

Im laufenden Museumsbetrieb entfernte sie das Ölgemälde aus dem Holzrahmen und verschwand damit innerhalb von 70 Minuten unerkannt. Sechs Tage, nachdem die Polizei ein Phantombild der Diebin veröffentlicht hatte, stellte sie sich trotzdem den Behörden. Im Gegensatz zum berühmten Vorbild blieb die Bielefelder Mona Lisa aber verschwunden – bis heute.

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Der Diebstahl von Bielefelds Mona Lisa - alle Fakten im Überblick

  • Das „Porträt einer jungen Frau“ von Pieter Aertsen wird am 27. April 2022 aus dem Bielefelder Museum Huelsmann gestohlen.
  • Die Diebin schaffte es, das Gemälde während der Öffnungszeiten des Museums zu entwenden. Innerhalb kürzester Zeit entfernte die Täterin das Bild aus dem Rahmen und verließ unbemerkt das Museum.
  • Ein Phantombild führte kurze Zeit nach seiner Veröffentlichung dazu, dass sich die 31-jährige Diebin aus Hamburg selbst stellte.
  • Trotz der Festnahme der Diebin bleibt das gestohlene Porträt bis heute verschwunden.
  • Das Motiv für die Tat wirft ebenfalls Fragen auf. Das Bild kann nur schwer verkauft werden, ohne Ermittlungsbehörden auf den Plan zu rufen.

Die Polizei Bielefeld veröffentlicht schnell ein Foto des Gemäldes

In der neuen Folge von „Ostwestfälle“, dem True Crime-Podcast der Neuen Westfälischen, sprechen Bettina Kirchner und NW-Redakteur Jens Reichenbach über den ungewöhnlichen Kunstdiebstahl vom Ravensberger Park. Sie sprechen über das gut gesicherte Gemälde, die Dreistigkeit der Täterin und die erfolgreiche Ermittlungsarbeit der Kripo. Trotzdem bleibt ein großes Rätsel ungelöst.

Der Diebstahl ereignete sich am 27. April 2022 in der Zeit von 15.50 bis 17 Uhr. Bereits am nächsten Tag veröffentlichte die Bielefelder Kripo bereits ein Foto des gestohlenen Gemäldes. Doch anschließend kamen die Ermittlungen ins Stocken.

Dabei hatte die Auswertung der Videoüberwachung schnell den Verdacht auf eine Museumsbesucherin gerückt. Mit einer auffallend pinkfarbenen Jacke, vollen schwarzen Haaren und einer DIN-A3-Mappe unterm Arm glich sie eher einer Erscheinung als einer unauffälligen Diebin.

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Phantombild führt die Kripo zur Diebin aus Hamburg

Entsprechend gut scheint anschließend auch das Phantombild der Täterin gelungen zu sein. Denn am 17. Mai 2022 – sechs Tage nach Veröffentlichung des vom LKA erstellten Fahndungsbildes – stellt sich die gesuchte Frau der Polizei. Die 31-jährige Frau aus Hamburg hatte sich selbst erkannt und durch den für sie spürbaren Druck entschieden, sich zu stellen und den Diebstahl zu gestehen.

Die Ermittler staunen nicht schlecht. So muss es der Frau im Museum Huelsmann gelungen sein, das mit Drähten und Nägeln befestigte Gemälde aus dem Rahmen zu trennen und damit aus den Räumen der Direktorenvilla im Ravensberger Park zu verschwinden.

Sowohl Museumsbesucher als auch Aufsichtspersonal bemerkten von dem Diebstahl nichts. Das Porträt, das ein wenig größer als ein DIN-A3-Blatt ist, hatte bis dahin in einem der Räume mittig an einer Stele gehängt. Möglicherweise hatte es diese Position mitten im Raum der Diebin leichter gemacht, an die Rückseite des wertvollen Bildes zu kommen.

Das Gemälde - das "Porträt einer jungen Frau" - von Maler Pieter Aertsen bleibt trotz der Aufklärung des Diebstahls verschwunden. - © Polizei
Das Gemälde - das "Porträt einer jungen Frau" - von Maler Pieter Aertsen bleibt trotz der Aufklärung des Diebstahls verschwunden. | © Polizei

Ein vergleichbares Gemälde erzielte in New York 80.000 Euro

Das Porträt, das der flämische Maler Pieter Aertsen etwa 1561 auf eine Eichenholztafel gemalt haben dürfte, soll einen Wert zwischen 50.000 und 100.000 Euro haben. Ein Großteil seines Schaffenswerkes ging in der Vergangenheit verloren.

Daher erzielte ein vergleichbares Porträt Aertsens bei einer Auktion bei Christies in New York immerhin 80.000 Euro. Frei verkäuflich ist das gestohlene Bild nach Einschätzung von Experten aber nicht mehr. Das Ölgemälde ist seit dem Diebstahl längst beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden umfangreich dokumentiert.

Deshalb vermutete Kunstgutachter Frank Petersmann möglicherweise einen Diebstahl auf Bestellung – für einen Liebhaber. Doch das Motiv für die Tat bleibt auch im späteren Gerichtsverfahren ungeklärt. Im Prozess war eher von drogenbedingten psychischen Problemen der 31-Jährigen und einem „unerklärlichen Aussetzer“ die Rede.

Diebin muss 50.000 Euro zurückzahlen

Das Gemälde gehört übrigens der Stadt Bielefeld. Der bekannte Kunsthändler und -liebhaber Friedrich Karl August Huelsmann hatte seine private Sammlung 1984 der Stadt Bielefeld vermacht und damit letztlich die Gründung des Museum Huelsmann initiiert. Doch davon hat die Stadt trotz der erfolgreichen Ermittlungsarbeit der Kripo nichts. Denn das Porträt bleibt bis heute verschwunden.

In der Ausstellung „Vermächtnis sucht Herkunft“ wurde das Porträt mittig im Raum präsentiert. - © Stadt Bielefeld / Stiftung Huelsmann
In der Ausstellung „Vermächtnis sucht Herkunft“ wurde das Porträt mittig im Raum präsentiert. | © Stadt Bielefeld / Stiftung Huelsmann

Die Diebin, die im Januar 2024 zu einem Jahr auf Bewährung und 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt wird, berichtet den Verantwortlichen, dass ihr das Gemälde direkt nach dem Diebstahl auf dem Hamburger Kiez gestohlen worden sei.

Ihr zufolge habe sie nur für kurze Zeit den Koffer, in dem sich das wertvolle Bild befand, vor einem Geschäft an der Reeperbahn abgestellt, um eine Zigarette zu rauchen. Als sie sich den Koffer wieder greifen wollte, sei der verschwunden gewesen, sagte sie aus.

Es gibt keinen Beweis für den Wahrheitsgehalt dieser Darstellung. Tatsache ist: Bis heute gibt es keinerlei Hinweise auf den Verbleib des Gemäldes, heißt es von der Stadt. Immerhin: Das Amtsgericht Bielefeld hatte mit dem inzwischen rechtskräftigen Strafbefehl gegen die Diebin angeordnet, den Wert des Kunstwerks in Höhe 50.000 Euro einzuziehen. „Inwieweit die Täterin in der Lage ist, diesen Wertersatz zu leisten, ist gegenwärtig noch nicht absehbar“, gibt Stadtsprecherin Ruth Braun zu bedenken.