Hinterhältiger Diebstahl im Gütersloher Bus: Niemand hilft 91-jähriger Rentnerin

Gütersloh. In Gütersloh sollen zwei 14-jährige Mädchen in mehreren Fällen ältere Menschen auf niederträchtige Art und Weise bestohlen und anschließend Geld in jeweils vierstelliger Höhe von ihren Konten erbeutet haben. Die Gütersloher Kriminalpolizei ermittelt gegen die Minderjährigen. Eine der Taten, welcher sie verdächtigt werden, ist besonders tragisch abgelaufen. Anfang November wird der 91 Jahre alten Rentnerin Hildegard M. (Name geändert) in einem voll besetzten Bus auf dem Weg von Gütersloh nach Harsewinkel ihr Portemonnaie gestohlen. Die Rentnerin bemerkt die Tat, deutet auf die mutmaßliche Täterin und ruft um Hilfe – doch keiner der umstehenden Fahrgäste unterstützt sie. Im Gegenteil. Ein Fall, der besonders betroffen macht. Lesen Sie auch: Kurioser Diebstahl im Kreis Gütersloh: Teure Apple-Geräte plötzlich verschwunden Es ist Freitag, der 8. November, gegen 16.30 Uhr. Am Zentralen Omnibus-Bahnhof (ZOB) in Gütersloh verabschiedet sich Hildegard M. von ihrer Schwester, mit der sie eine Geburtstagsfeier in Künsebeck besucht hat. Sie macht sich auf den Heimweg nach Harsewinkel und steigt in den Bus der Linie 71 der Teutoburger Wald Verkehr (TWV). Diebstahl im Gütersloher Bus wird ignoriert Die Seniorin ist mit einem Rollator unterwegs und braucht einen Moment, bis sie in dem prall gefüllten Bus einen Sitzplatz findet. Zwei junge Frauen stehen in ihrer Nähe, eine davon bekleidet mit einer hellen Jacke. Die Frau legt einen Schal auf den Gehwagen der Seniorin, unter dem sie ihre Hand versteckt. Es vergehen nur wenige Sekunden, in denen die Diebin in das Fach des Rollators greift und zuschlägt. Als Hildegard M. bemerkt, dass ihre Geldbörse fehlt, macht sie auf sich aufmerksam. Die alte Dame ruft um Hilfe, spricht die mutmaßliche Täterin direkt an, zeigt auf sie. &bdquo;Meine Tante bat sofort Menschen im Bus um Hilfe. Doch niemand half ihr. Niemand unterstützte sie oder rief die Polizei an“, gibt Petra Hustert-Geisenhanslüke die Schilderungen ihrer Verwandten weiter. Die Nichte der 91-Jährigen ist entsetzt. Nicht nur, dass ihre Tante im Bus mit der schlimmen Situation offensichtlich völlig allein gelassen wird. Es kommt noch schlimmer: &bdquo;Ein junger Mann fragte sie sogar, ob sie den Vorwurf denn überhaupt beweisen könne“, berichtet die Nichte. Sie ist sich sicher: &bdquo;Das hätte sie, wenn man die junge Diebin nur aufgehalten hätte.“ Weiterer Vorfall in Gütersloh Niemand der umstehenden Menschen greift an diesem 8. November ein. Stattdessen kann die mutmaßliche Täterin den Bus unbehelligt verlassen. Sie steigt an der Haltestelle Friedensstraße aus und entkommt. &bdquo;Auch der Busfahrer hat keinerlei Initiative gezeigt“, erklärt Hustert-Geisenhanslüke verärgert. Bei der Teutoburger Wald Verkehr ist am Montag, 25. November, niemand für eine Stellungnahme erreichbar. Bei der Polizei erstattet die Rentnerin eine Anzeige. In den Tagen nach dem Diebstahl entsteht Hildegard M. zu allem Übel durch den Verlust ihres Portemonnaies mit Bankkarte und anderen Dokumenten weiterer finanzieller Schaden. &bdquo;Sie haben das Konto fast leer geräumt“, berichtet ihre Nichte. Dreimal wird eine Summe abgebucht. Die Beute: ein vierstelliger Eurobetrag. Drei Tage später: Am Montag, 11. November, scheinen die beiden 14-jährigen Verdächtigen erneut zugeschlagen zu haben. Am Willy-Brandt-Platz, nahe des ZOBs, verwickeln zwei junge Diebinnen eine 76-jährige Gütersloherin in ein Gespräch und entwenden in einem unbeobachteten Moment die Geldbörse aus ihrer Jackentasche. In diesem Fall wird ebenfalls danach ein Geldbetrag in vierstelliger Höhe vom Konto der Geschädigten abgehoben. Polizei nimmt die Mädchen in Gütersloh fest Auch das zweite Opfer erstattet Anzeige bei der Polizei. &bdquo;Der Modus Operandi zeigt, dass es die Tatverdächtigen auf ältere Leute abgesehen haben und skrupellos sind“, erklärt Polizeisprecherin Katharina Felsch. Ihre Vorgehensweise wird den mutmaßlichen Täterinnen dann aber zum Verhängnis: Am Donnerstag, 21. November, werden die beiden 14-jährigen Heranwachsenden in der Mayerschen Buchhandlung in der Gütersloher Innenstadt dabei beobachtet, wie sie sich in der Nähe von älteren Menschen verdächtig verhalten. Die hinzugerufenen Polizisten erkennen in den Jugendlichen aufgrund der guten Personenbeschreibung von Hildegard M. und der ebenfalls bestohlenen 76-jährigen Gütersloherin die beiden Diebinnen wieder und nehmen sie vorläufig fest. Bei den minderjährigen Tatverdächtigen handelt es sich um zwei 14-Jährige, die gebürtig aus Bosnien und Herzegowina stammen. Eine von ihnen wohnt laut Polizei in Köln, die andere in Gütersloh. Im Zuge der Ermittlungen kam jetzt eine dritte Tat ans Licht: Am Dienstag, 12. November, ist einer 69 Jahre alten Frau aus Gütersloh an der Eickhoffstraße auf dem Weg zum ZOB die Tasche aus dem Rollator gestohlen worden. &bdquo;Im Anschluss an die Tat gab es den Versuch, mit der Debitkarte an der Bank Geld abzuheben“, so Felsch. Auch in diesem Fall gelten die beiden Mädchen als dringend tatverdächtig. Die Gütersloher Polizei sucht nach Zeugen. Hinweise werden unter 05241 8690. Gütersloherin wünscht sich mehr Zivilcourage Für Hildegard M. dürfte es ein Trost sein, dass die Diebinnen gefasst sind – wenn auch ein schwacher. Die hilflose Situation im prall gefüllten Bus macht der 91-Jährigen nach wie vor zu schaffen. &bdquo;Das Geld steht nicht im Vordergrund. Das, was sie wirklich fertig macht ist die Tatsache, dass sie niemand unterstützt hat und sie sich im Stich gelassen fühlte“, berichtet Hustert-Geisenhanslüke. Ihr Tante werde vermutlich lange nicht über den Vorfall hinwegkommen und habe nun Angst, im Bus mitzufahren. Lesen Sie auch: Beschwerden über Polizei im Kreis Gütersloh – das sind die häufigsten Anlässe Der Fall ihrer hilflosen Tante hat Hustert-Geisenhanslüke bis ins Mark erschüttert. &bdquo;Ich frage mich ernsthaft: Wo ist unser Anstand geblieben, wo unser Mitgefühl und unsere Zivilcourage?“ Mit diesen aufwühlenden Worten hat sich die 66-Jährige in einer E-Mail an die &bdquo;Neue Westfälische“ gewandt und die Vorkommnisse geschildert. Die Gütersloherin möchte auf den erschreckenden Fall aufmerksam machen – und das große gesellschaftliche Problem des Wegsehens. &bdquo;Ich hoffe, dass die Leute dadurch sensibler und aufmerksamer werden. Wenn ältere Menschen bestohlen werden und ihre Hilflosigkeit ausgenutzt wird, darf uns das nicht kalt lassen. Es sollte öfter hingeschaut und geholfen werden.“ Die Gütersloherin appelliert in dem Zusammenhang auch für die Installation von Kameras in bestimmten Bereichen wie dem ZOB. Polizei spricht Empfehlung aus &bdquo;Mindestens jedoch müssen Busfahrer und Busfahrerinnen geschult werden, um in solchen Situationen angemessen reagieren zu können“, findet die 66-Jährige. Die Polizei rät im Zusammenhang mit den Taten dazu, Wertsachen im Augen zu behalten und keine Geldbörsen in Rollatoren zu verstauen, sondern bestenfalls nahe am Körper zu tragen. Obendrein sollten keinen Geheimzahlen und PIN-Codes in Geldbörsen aufbewahrt werden.

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