Blinder Bielefelder versteht Aufregung nicht: „Habe keine Angst auf dem Kesselbrink“

Bielefeld. Hans-Jürgen Fieberg ist blind. Doch Angst, auf den Kesselbrink zu gehen, habe er nicht, wie er im siebten Kesselbrinkgespräch dieser Redaktion bekennt. &bdquo;Im Gegenteil“, betont er, &bdquo;bisher sind mir hier alle immer freundlich begegnet und helfen mir sogar, wenn ich mal ein Problem habe. Daher würde er allen immer auch sagen, die sich skeptisch bis ablehnend über den Platz äußerten, geht doch mal hin, seht euch den Kesselbrink an, bevor ihr urteilt. Das ist ein guter Innenstadtplatz trotz aller Probleme. Da ist immer was zu erleben, und der Markt ist einfach toll und hat für jeden etwas zu bieten.“ Lob für das Leitsystem für Blinde Lob hat der 59-Jährige, der in Heepen zusammen mit seiner Lebensgefährtin Astrid Schnelle lebt, gerade auch für das Leitsystem für Blinde und Sehbehinderte parat, das den Platz seit dessen Umbau 2014 einschließlich der Ampelanlagen umschließt und auch auf dem Platz verläuft: &bdquo;Das ist wirklich vorbildlich gemacht, nur an der Skateranlage verläuft es zu nah am Zaun“, betont er und schließt auch den Grünen Würfel mit ein in sein Lob: &bdquo;Hier setzt sich dieses Leitsystem in das Gebäude fort, so dass ich das Bistro ,Keimzeit’ im Würfel komplett eigenständig besuchen kann.“ Damit sei es ein Vorbild für andere gastronomische Einrichtungen. Und auch der Efeu außen am Gebäude möchte er auf keinen Fall missen. &bdquo;Ich bin gegen den Vorschlag von Raphaela Kula aus dem dritten Holzhausgespräch, den Würfel davon zu befreien, um ihn transparenter zu machen.“ Das sei doch ein Alleinstellungsmerkmal des Würfels. &bdquo;Und wir haben eh schon wenig Grün hier, so dass der Efeu unbedingt bleiben muss.“ Und auch Abrissforderungen der FDP, die den Würfel ganz weghaben wollten, erteilt er eine klare Absage. &bdquo;Das ist doch eine tolle Einrichtung und ein belebender Punkt auf dem Platz“, fügt er noch an. Beleben wir ihn lieber noch mehr. Fieberg, der seit 1999 infolge einer chronischen Augenkrankheit vollständig erblindet ist, würde es aber sehr begrüßen, wenn auf dem Kesselbrink mehr für die Beschattung des Platzes getan würde. &bdquo;Ich verstehe es, dass man der Szene keine schwer einsehbaren Ecken bieten will und den Platz für Veranstaltungen freihalten möchte, aber wir müssen gerade auch im Sommer dafür sorgen, dass man sich hier gerne und auch länger aufhält.“ Daher schlage er vor, mobile Sonnensegel als Schattenspender anzuschaffen, die flexibel eingesetzt werden können. Damit wäre allen auf dem Platz gedient und &bdquo;sie wären ein echter Gewinn“. Lesen Sie auch: Bielefelder Händlerin wünscht sich Kesselbrink-Betreuer für mehr Sicherheit Was die Anzahl der Veranstaltungen auf dem Platz angeht, da ist Fieberg eher zufrieden. &bdquo;Aber natürlich gilt, je mehr wir den Platz bespielen, desto weniger überlassen wir ihn denen, die ihn missbrauchen.“ Jedes Event für ihn ein Gewinn Deshalb sei jedes Event hier auf dem Platz ein Gewinn und zu begrüßen, sagt Fieberg, der sich im Blindenverein und bei den Guttemplern engagiert. Den Leinweber würde auch er auf den Kesselbrink ausdehnen, wie es andere Teilnehmer der Kesselbrinkgespräche bereits gefordert hatten. Das täte dem Platz gut. Er habe es zum Beispiel als großartig empfunden, den großen Protesttag für Menschen mit Behinderungen samt Demonstration auf dem Kesselbrink zu veranstalten statt auf dem Alten Markt. &bdquo;Selten waren wir so viele wie auf dem Kesselbrink.“ Das sei ein tolles Erlebnis gewesen. Es gelte eben nicht nur den Alten Markt und die Fußgängerzone zur Eventmeile der Stadt zu machen, sondern den Kesselbrink viel mehr zu nutzen, sagt er mit Nachdruck in der Stimme. Ausgrenzung bringt nichts Fieberg fügt aber auch an: &bdquo;Eines ist mir wichtig, auch wenn wir den Kesselbrink immer mehr für solche Veranstaltungen nutzen, halte ich überhaupt nichts davon, soziale Randgruppen auf dem Platz auszugrenzen, denn auch sie sind ein Teil dieser Stadt und auch sie haben ein Recht, auf dem Kesselbrink zu sein.“ Und er fragt: &bdquo;Wo sollen die Menschen denn hin, wenn wir sie einfach nur von dort verdrängen und ihnen keine anderen Angebote machen?“ Wer allein auf Verdrängen setze, müsse auch die Frage beantworten, wo sie denn stattdessen hinsollen. Allerdings gelte es auch für diese Menschen, die Regeln des zivilisierten Zuammenlebens zu beachten. &bdquo;Für alle, die das nicht tun, wie die Drogendealer, sei die Polizei da.“ Und diese sei aus seiner Sicht auch präsent genug auf und rund um den Platz, findet Fieberg, der daher von einer mobilen oder dauerhaften Wache auf dem Platz und auch von einer Videoüberwachung wenig hält. Der Platz wird aufblühen Er sagt daher ganz klar: &bdquo;So etwas brauchen wir hier nicht, der Platz ist nicht verloren und wird für uns auch nicht verlorengehen, wenn wir uns auf den Weg machen und diesen Platz nutzen und nicht meiden, nur weil er schlechtgeredet wird.“ Und wenn die Wissenswerkstadt im Herbst fertig sei, die Wilhelmstraße endlich als Fußgängerzone wieder aufblühe und das NW-Medienhaus seinen Betrieb Ende 2026 aufnehme, dann werde der Platz auch noch attraktiver werden. &bdquo;Da bin ich mir ganz sicher“, sagt Fieberg. Welch optimistisches Schlusswort.

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