Stadt Bielefeld bittet Hausbesitzer und Mieter noch kräftiger zur Kasse

Bielefeld. Stadtkämmerer Rainer Kaschel hat ein Vermittlungsproblem. &bdquo;Nein, Steuererhöhungen wird es im Doppelhaushalt 2025/26 nicht geben“, sagt er. Für die Bielefelderinnen und Bielefelder wird es aber doch deutlich teurer. Wie kann das sein? Schuld ist die Grundsteuerreform. Privat- und Gewerbeimmobilien in der Stadt sind neu bewertet worden. Damit das Rathaus aber aus der sogenannten Grundsteuer B ab 2025 die gleichen Einnahmen erzielen kann wie bisher, muss es den Hebesatz deutlich erhöhen. Zahlen müssen das Eigenheimbesitzer und Mieter, denn Vermieter dürfen die Grundsteuer umlegen. Es geht um 81 Millionen Euro. So viel bringt die jährlich erhobene Grundsteuer in Bielefeld jedes Jahr ein, und so, also aufkommensneutral, muss es schon wegen der insgesamt extrem angespannten Haushaltslage der Stadt auch bleiben. Damit das gelingt, müsse der Hebesatz von 660 auf 762 Prozent angehoben werden, hatte das Land vor einigen Wochen vorgerechnet und damit eine Schätzung der Kämmerei bestätigt. &bdquo;Aber das wird nicht reichen“, sagt Kaschel jetzt. Die Schätzung sei noch auf einer viel zu ungenauen Datengrundlage erfolgt. Der Verwaltung lagen zunächst nur die Daten von 85.000 der 105.000 Grundstücke in der Stadt vor. Im September soll es neue Zahlen vom Land geben. Aber der korrekte Wert, so Kaschel, werde erst zu den Haushaltsschlussberatungen im Dezember vorliegen. So funktioniert die neue Grundsteuer Für ein Häuschen am Stadtrand waren bislang jährlich 442,19 Euro Grundsteuer fällig. Ab 2025 berechnet sich die Grundsteuer neu. Das geschieht nach der Formel Grundsteuerwert mal Grundsteuermesszahl mal (Hebesatz geteilt durch 100). Das hört sich komplizierter an, als es ist. Laut jüngstem Finanzamtsbescheid hat das Häuschen einen Wert von 240.000 Euro. Die Grundsteuermesszahl ist einheitlich festgelegt, beträgt 0,31 Promille. Der Steuerhebesatz liegt in Bielefeld aktuell bei 660 Prozent. Dann geht die Rechnung so: 240.000 mal 0,00031 mal 6,6 gleich 491,04 Euro. Doch das wird, wie der Kämmerer sagt, noch nicht reichen. Der Hebesatz wird steigen. Im Beispiel auf 800 Prozent. Dann wären für besagtes Häuschen jedes Jahr 595,20 Euro fällig. Aber warum bringt die bundesweite Grundsteuerreform die bisherige Berechnungsgrundlage so vollkommen durcheinander? Eigentlich sollte die Reform bewirken, dass es gerechter zugeht. Wer ein Haus in 1a-Lage besitzt, soll mehr zahlen als jemand, der eine Immobilie in einer weniger begehrten Gegend sein eigen nennt. Aber am Ende sorgt die Reform auch für neue Ungerechtigkeiten. Denn für Wohnhäuser dürfte die Steuer eher steigen, für Gewerbeimmobilien dagegen deutlich sinken. Lesen Sie auch: NRW empfiehlt Kommunen neue Hebesätze für die Grundsteuer - Das sind die Vorschläge für OWL Für Einfamilienhäuser fiele eine Erhöhung der Grundsteuer um 25 Prozent an, für Zweifamilienhäuser um 17 Prozent, hatte das städtische Amt für Finanzen für den Fall kalkuliert, dass der Hebesatz auf 762 Prozent festgesetzt würde. Nun wird er noch höher ausfallen und damit für Eigentümer und Mieter im Regelfall noch teurer. Dagegen würden trotz der Hebesatzerhöhung die Forderungen für Geschäftsgrundstücke um 55 Prozent und die für gemischt genutzte – also auch gewerblich genutzte Grundstücke – um rund 32 Prozent sinken. Kämmerer gegen differenzierte Hebesätze Das hat auch die Landesregierung erkannt und den Kommunen ermöglicht, einen differenzierten Hebesatz einzuführen, also Privat- und Gewerbegrundstücke unterschiedlich zu besteuern. &bdquo;Das werde ich dem Rat ausdrücklich nicht vorschlagen“, sagt Kaschel. &bdquo;Damit werden die Unsicherheiten des neuen Rechtsinstruments auf die Kommunen abgewälzt.“ Die müssten im Zweifel wegen der unterschiedlichen Berechnungsgrundlage mit einer Klagewelle rechnen. Kaschel wird sogar noch deutlicher, wirft dem Land in dieser Frage &bdquo;Dilettantismus“ vor. Doch das letzte Wort wird der Rat haben. In der rot-grün-roten Rathauskoalition könnte es einige geben, die gerne eine soziale Komponente sähen, Häusle-Besitzer lieber etwas entlasten, Unternehmen ein wenig mehr belasten wollten. Bielefeld will Haushaltssicherung auf alle Fälle vermeiden Kaschel bringt den Doppelhaushalt im August in den Rat ein. Mit 1,8 Milliarden Euro wird er nächstes Jahr ein neues Rekordniveau erreichen und ein Jahr darauf noch einmal um 46 Millionen anwachsen. In ein Haushaltssicherungskonzept wird Bielefeld dennoch nicht rutschen. Das hätte strenge Sparauflagen zur Folge. Aber bis 2029 werden sich die zu erwartenden roten Zahlen auf fast 600 Millionen Euro summieren, was dann auch nicht mehr von der Ausgleichsrücklage aufgefangen werden kann. Lesen Sie auch: Städte und Gemeinden in OWL droht ein Finanzdesaster Dann könne es irgendwann passieren, dass die Grundsteuer nicht mehr nur &bdquo;aufkommensneutral“ erhoben wird, sondern mehr Einnahmen mit ihr erzielt werden müssten. Gleiches gelte auch für die Gewerbesteuer, deren Sätze aber zunächst ebenfalls stabil bleiben sollen, sagt Kaschel. Düstere Zeiten stünden bevor, wenn nicht endlich grundlegende strukturelle Veränderungen bei der Finanzierung der Kommunen kämen, mahnt der Kämmerer. Langfristprojektionen gingen sogar davon aus, dass es bis in die 30er Jahre hinein in den Kommunen Defizite geben werde.

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