Überraschende Entlassung aus U-Haft im Bielefelder Hells Angels-Prozess

Bielefeld. Fünf Mitglieder der inzwischen aufgelösten Hells Angels Bielefeld stehen seit Wochen vor dem Landgericht Bielefeld, weil sie einen alten Weggefährten und Mitrocker übel zusammengeschlagen und dabei unter anderem mit einem Baseballschläger schwer verletzt haben sollen. Drei der Beschuldigten (40, 31, 26) sitzen sogar in Untersuchungshaft - einer von ihnen durfte aber Ende der Woche jetzt Saal 1 des Landgerichts ganz normal durch den Besucherausgang verlassen – sein U-Haftbefehl wurde ausgesetzt. Hintergrund der überraschenden Entscheidung: Nach der ausführlichen Befragung des Hauptbelastungszeugen, dem mutmaßlichen Opfer der Tat, hatten die Strafverteidiger der in U-Haft sitzenden Angeklagten unisono beantragt, die Haftbefehle zumindest außer Vollzug zu setzen. Das hatte der ermittelnde Staatsanwalt, Leenert Klattenberg, aber wegen Verdunkelungsgefahr abgelehnt. Er befürchtete, dass sich die Angeklagten, die extra in unterschiedlichen Gefängnissen untergebracht wurden, sich je nach Prozessverlauf untereinander abstimmen könnten. Doch in einem Detail wich die Aussage des 49-jährigen Nebenklägers so deutlich von den Anklagevorwürfen ab, dass die 2. Große Strafkammer des Landgerichts nun den Haftbefehl gegen den 31-jährigen Angeklagten außer Vollzug setzte. Er wurde vom Belastungszeugen als &bdquo;Fahrer“ des Porsche bezeichnet, in dem die Hells Angels ihr Opfer zunächst zum Tätowierer an der Bleichstraße gefahren haben sollen, und später weiter ins Clubheim an der Erpestraße, wo sich die schweren Misshandlungen mit Tritten und Baseballschlägerhieben ereignet haben sollen. Als es zur Sache gegangen sein soll, sei der 31-Jährige eher als Mithelfer und nicht als Mittäter aufgetreten. Die Staatsanwaltschaft war noch davon ausgegangen, dass neben dem Präsidenten des Charters (40) und des ebenfalls in U-Haft sitzenden 26-jährigen Bielefelders auch der 31-Jährige aktiv an den Körperverletzungen beteiligt war. Mit der neuen Einschätzung hielt es die Kammer Ende der Woche für vertretbar, den Haftbefehl gegen den 31-Jährigen nun bis auf Weiteres außer Vollzug zu setzen. Das Gericht sieht des Bielefelder Rockerboss als &bdquo;treibende Kraft“ In einer &bdquo;Erörterung zum Verfahrensstand“ zog der Vorsitzende Richter Carsten Wahlmann quasi ein Zwischenfazit und machte dabei deutlich, dass das Gericht den Rockerboss, der am Abend vor Prozessbeginn aus der Türkei nach Bielefeld zurückgekehrt war, bisher &bdquo;als treibende Kraft“ in dem Fall ansehe. Er soll mit den Füßen auf den Kopf des am Boden liegenden Opfers eingetreten haben, so heißt es in der Anklage. Auch der 26-Jährige wird weiterhin als Hauptbeschuldigter gesehen. Er sitzt ohnehin zusätzlich noch wegen Raubes und Körperverletzung in Strafhaft. Auch ein Geständnis würde bei Ihnen eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren nicht verhindern. Lesen Sie auch: SEK stürmt bei Rocker-Einsatz die falsche Wohnung Für die anderen vier Angeklagten bedeutet das Zwischenfazit, dass sie sich auf geringe Strafen einrichten können, sollten sie sich geständig einlassen. Während das Gericht für die beiden Hauptbeschuldigten - auch wegen ihrer Vorstrafen - keinen Spielraum für eine Bewährungsstrafe signalisierte, dürften ihre zwei Mithelfer (31, 31) mit Bewährungsstrafen davonkommen. Der Besitzer des Porsches (36), der zwar half, das Opfer zum Tätowierer zu verschleppen, sich dann aber wegen eines Amtstermins zurückzog, darf im Falle eines Geständnisses eine Einstellung seines Verfahrens gegen eine vierstellige Geldauflage erwarten. Vorsitzender Richter stellt Freispruch für Tätowierer in Aussicht Der Tätowierer (40), der weder Mitglied der Hells Angels noch vorbestraft ist, kann nach jetzigem Stand der Verhandlungen sogar mit einem Freispruch rechnen. Er soll den Hells Angels-Schriftzug &bdquo;Nomads“ auf dem Unterarm des Opfers übertätowiert haben. Dazu soll der 40-jährige Deutsche von den Rockern, die er alle bereits kannte, gedrängt worden sein. Zu einer möglichen Verständigung der Prozessbeteiligten, die das bisher sehr zähe Verfahren beschleunigen könnte, kam es trotz des Fazits in der Woche nicht. Der Prozess wird nun mit den Fragen der Strafverteidiger an den Hauptbelastungszeugen fortgesetzt. Lesen Sie auch: Alle Berichte zu den Hells Angels

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