OWL Crime - mit Podcast

Erst Diebstahl, dann Mord aus Habgier: 76-jährige Bielefelderin brutal getötet

In der aktuellen Folge von „OstwestFälle“ geht es um einen Einbruch, der im Anschluss zum Tod einer wohltätigen Dame führt. Ausgerechnet sie, die dem perspektivlosen Hilfsgärtner „immer Gutes getan“ hatte, muss sterben, nachdem dieser das ganz große Geld wittert.

Das Wohnhaus der Witwe befand sich abgelegen auf einem Hof am Rande der Bielefelder Ortsgrenze. | © Symbolfoto: Pixabay / Creative Commons

06.06.2024 | 06.06.2024, 02:00

Bielefeld. Es sollte ein einfacher Einbruch werden: Der 19-jährige Aushilfsgärtner Andreas M. (alle Namen geändert) steigt in das Wohnhaus der 76-jährigen Witwe Lotte P. ein und sucht nach Wertsachen. Die findet er, doch ohne Weiteres kann er sie nicht zu Geld machen. Also entscheidet er sich, die ältere Dame zu töten, um doch noch von dem Sparbuch und dem Wagen der Frau zu profitieren. Die Juristen sprechen später von einer „verabscheuungswürdigen und besonders verwerflichen Tat“.

In der neuesten Folge von Ostwestfälle, dem True-Crime-Podcast der Neuen Westfälischen, nähern sich Birgitt Gottwald und NW-Redakteur Jens Reichenbach diesem besonderen Fall. Es geht dabei nicht nur um die Unverfrorenheit des jungen Täters, sondern auch um seine schwierigen Familienverhältnisse und die gegenseitigen Vorwürfe, die vor Gericht plötzlich zwischen ihm und seinem Komplizen aufkommen.

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Der Fall Lotte P. - Alle Fakten im Überblick

  • Der 19-jährige Bielefelder Andreas M. bricht im Mai 1997 bei der 76-jährigen Lotte P. in Brönninghausen ein. Er erbeutet ein Sparbuch und einen Autoschlüssel.
  • Zusammen mit seinem Komplizen Sven T. spricht er über die Beute, die sie nicht ohne Weiteres zu Geld machen können.
  • Daraufhin kehrt M. an den Tatort zurück, weckt Lotte P. unter dem Vorwand eines entdeckten Einbruchs und tötet sie.
  • Komplize T. wartet derweil im Auto. Nach der Tat plagen ihn Gewissensbisse, er gesteht den Vorfall am nächsten Tag der Polizei.
  • Vor Gericht geben sich die beiden jungen Männer gegenseitig die Schuld am Tot der Seniorin.

Die zwei Komplizen kehren an den Tatort zurück

Der Bielefelder Andreas M. steckt - wie so oft zuvor - auch 1997 in finanziellen Schwierigkeiten. Zusammen mit seinem Komplizen Sven T. (23) fährt er deshalb in der Nacht zum 4. Mai zu dem abgelegenen Hof der Witwe im Ortsteil Brönninghausen. Während T. draußen im Wagen wartet, knackt der 19-Jährige die Eingangstür und durchsucht das gesamte Haus der noch schlafenden Besitzerin.

Mit einem Sparbuch, auf dem 100.000 D-Mark eingetragen sind, und dem Schlüssel für ihren Audi A4 kehrt der 19-Jährige zurück. Doch beides lässt sich nicht einfach zu Geld machen. Und so hecken die beiden - nach dem Einbruch - in der Bielefelder Nachtkneipe Banane am Oberntorwall einen tödlichen Plan aus.

Tatort Brönninghausen: In diesem Wohnhaus wurde die Witwe 1997 getötet. - © NW-Archiv
Tatort Brönninghausen: In diesem Wohnhaus wurde die Witwe 1997 getötet. | © NW-Archiv

Tatsächlich führt das Gespräch, dass die beiden Männer in der Kneipe haben, zu dem Entschluss, in das Haus von Lotte P. zurückzukehren. Sie wollen die Papiere des Audis suchen, ohne die der Wagen nicht verkauft werden kann. Auch dürfte den Männern klar geworden sein, dass die Witwe ihr Konto nach dem Verschwinden des Sparbuches sperren lassen würde. Sie hoffen, dass sie irgendwie an das Ersparte kommen können, wenn die Bielefelderin keine Reaktion zeigt.

Der 19-jährige Bielefelder stößt sein Opfer 17 Stufen in die Tiefe

Im späteren Gerichtsverfahren wird vor allem die Frage zu erörtern sein, ob Andreas M. selbst den Entschluss fasste, Lotte P. zu töten. Oder ob es eher sein Komplize war, der dem 19-Jährigen deutlich machte, dass sie nur an das Geld kommen können, wenn sie die Eigentümerin aus dem Weg schaffen.

Tatsache ist, dass M. in der Nacht ein zweites Mal in das abgelegene Wohnhaus der 76-Jährigen eindringt und diese diesmal ganz bewusst weckt. Er ruft: „Bei Ihnen ist eingebrochen worden. Der Wagen ist auch weg.“ Die 76-Jährige schreckt aus dem Schlaf hoch. Weil sie den 19-Jährigen in der Vergangenheit immer wieder Garten- und Terrassenbauarbeiten hat verrichten lassen, kennt sie ihn und kommt aus dem verschlossenen Schlafzimmer im ersten Geschoss.

Darauf hat der 19-Jährige gewartet und stürzt sein Opfer eine Holztreppe, die 17 Stufen lang ist, herunter. Unten greift er sich einen Schraubendreher und sticht damit viermal auf die 76-Jährige ein. Weil auch dieser Angriff nicht tödlich ist, holt sich der 19-Jährige noch eine Strickjacke und erdrosselt die Schwerverletzte.

Komplize legt bei Bielefelder Polizei ein Geständnis ab

Sein Komplize Sven T. wartet derweil draußen im Auto. Nach seiner späteren Aussage konnte er nicht glauben, dass der 19-Jährige die Frau wirklich getötet hat, als dieser nach 15 Minuten zurückkehrte. Andreas M. sagt „Dann komm doch mit“ und nimmt seinen Freund nun mit ins Haus der Witwe. Der ermittelnde Staatsanwalt Hans-Dieter Heidbrede wird später von einer „verabscheuungswürdigen und besonders verwerflichen Tat“ sprechen.

Den 23-jährigen Sven T. beschäftigen diese Bilder am nächsten Tag so sehr, dass er seiner Freundin und später auch ihrer Mutter von der Tat berichtet. Beide überzeugen den gelernten Gerüstbauer zur Polizei zu gehen und ein Geständnis abzulegen. Noch am Sonntag um 22.15 Uhr erscheint er auf der Polizeiwache und packt aus. Haupttäter Andreas M. wird noch in dieser Nacht von der Mordkommission festgenommen und bis 5 Uhr früh vernommen.

Gutachter bezeichnet das Duo als chronische Lügner

M. wird wenig später wegen Mordverdachts verhaftet, aber auch sein Komplize landet wegen Beihilfe zum Mord in Untersuchungshaft. Sven T. räumt ein, dass sich beide das Ersparte vom Sparbuch der Witwe teilen wollten. Wie sie bei der Bank an das Geld der Dame kommen wollten, wird auch im Laufe der späteren Gerichtsverhandlung nie klar.

Im März 1998 beginnt vor der Jugendstrafkammer in Bielefeld der Prozess gegen die beiden jungen Männer, die sich inzwischen gegenseitig die Schuld geben, den Mordplan ausgeheckt zu haben. T. sagt aus, dass der 19-Jährige zwar davon gesprochen habe, die Bielefelderin töten zu wollen. Er habe das aber nicht ernst genommen. M. sagt wiederum, dass T. ihm mit Gewalt gedroht habe, wenn er die Witwe nicht töte.

Ein Gutachter spricht später bei beiden Angeklagten von erheblichen Persönlichkeitsdefiziten, beide seien chronische Lügner. Für Andreas M. habe das zur Überlebensstrategie gehört. Die Familie M. war lange schon beim Jugendamt als Problemfamilie bekannt. M. berichtet, dass ihn seine Mutter mit der Peitsche misshandelt habe, der betrunkene Vater habe ihn regelmäßig geschlagen und gewürgt. Ein Satz des Gutachters geht durch die Medien: „Kinder übernehmen auch die Schattenseiten der Eltern“.

Bielefelder Urteil: Jugendhaft für den Haupttäter

Der Gutachter spricht außerdem von einer „inneren Verwahrlosung“ und „psychischen Deformationen“ bei M.. Beide Männer hätten das Gefühl gemein, in ihrem Leben zu kurz gekommen zu sein. Das hätten sie durch „großspuriges Verhalten“ zu kompensieren versucht. Dennoch gelten beide laut Sachverständigen als voll schuldfähig.

Am 7. April verkündet die Vorsitzende Richterin Jutta Albert das Urteil. Andreas M. wird nach Jugendstrafrecht wegen Mordes und gemeinsamen schweren Diebstahls zu 8 Jahren und 9 Monaten Haft verurteilt. Sein Komplize erhält sogar 10 Jahre und 9 Monate, weil er nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt wird.

Der 19-Jährige bricht in haltloses Schluchzen aus

Die Kammer kommt zu der Überzeugung, dass der 19-Jährige die Idee zum Mord hatte und diesen Plan dann auch selbst umsetzte. Der 19-Jährige bricht bei der Urteilsverkündung in haltloses Schluchzen aus. Die Urteilsbegründung muss deshalb für zehn Minuten unterbrochen werden. Richterin Albert spricht zum Schluss noch etwas aus, dass den Fall besonders schwer zu ertragen macht. Das Opfer, das sich der 19-Jährige ausgesucht hatte, war eigentlich eine Gönnerin: „Diese Frau hat Ihnen jahrelang nur Gutes getan.“

Komplize T. geht später noch gegen sein Urteil in Revision und bekommt Recht. Der Bundesgerichtshof kritisiert, dass der Strafrahmen für T. zu hoch angesetzt gewesen sei. Dass seine Tatbeteiligung relativ gering war und dass er die Tat vollumfänglich gestanden hatte, hätte mehr berücksichtigt werden müssen. Im Revisionsverfahren wurde sein Urteil auf 9 Jahre reduziert.

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